Zunächst nur ein Unterhaltungsdampfer

Von Vera Linß · 01.08.2008
Seine größten Erfolge feierte der "Stern" Mitte der 60er Jahre, als das Blatt fast zwei Millionen Exemplare verkaufte. Die Mischung aus Politik, Reportagen, Unterhaltung, Service und großem Fotojournalismus zieht noch immer. Vor 60 Jahren, am 1. August 1948, erschien er zum ersten Mal.
"Meine Idee war es immer, Menschen unterhaltsam zu informieren", mit diesem Leitsatz warb "Stern"-Erfinder Henry Nannen nach dem Zweiten Weltkrieg bei der amerikanischen Militärverwaltung erfolgreich für sein Konzept.

Nannen: "Wenn Sie so auf die Straße gehen und sehen diese zerlumpten Menschen. In Hannover war es ja schrecklich nach dem Krieg, nicht. Wenn man denen in dieser entsetzlichen Situation einen "Stern" der Hoffnung..., Moment mal, sage ich, "Stern", das wäre doch ein guter Titel…und da sagt er, oh ja, sehr gut, dann machen wir "Stern"."

Wie ein "Stern" überragte die Illustrierte schnell den deutschen Pressemarkt. Zunächst ein reiner Unterhaltungsdampfer, überzeugte das Blatt mit Promigeschichten, Reportagen aus aller Welt und einem herausragenden Fotojournalismus. Von Anfang an wurden wichtige Themen in seitenlangen Bildstrecken visualisiert. Der "Stern" – ein sinnliches Erlebnis für die Leser, dank seines Chefredakteurs Henri Nannen.

Thomas Osterkorn, derzeit Chefredakteur des Blattes: "Nannen hat den "Stern" aus dem Bauch heraus gemacht, und damit den Geschmack einer ganzen Nation getroffen."

Bald profilierte sich der "Stern" auch politisch. Ein Skandalbericht über Verschwendung bei den Besatzungsmächten, Sebastian Haffners beißende Kommentare über den deutschen Obrigkeitsstaat in der Zeit der Studentenrevolte, die legendäre Titelseite "Wir haben abgetrieben" – Nannen mischte sich mit seinem Blatt ein und provozierte. 1980 verließ er seinen Chefredakteurs-Posten, blieb nur noch Herausgeber. Drei Jahre später erlebte das Blatt seine größte Pleite. Die spektakulär angekündigten "Hitler-Tagebücher", vom Verlag für über neun Millionen Mark erworben, entpuppten sich als Fälschung. Thomas Osterkorn, derzeit einer der beiden Chefredakteure beim ""Stern"", schaut zurück:

"Es ist schon ein Gau der Pressegeschichte gewesen. Der war natürlich möglich in einer Situation, als eine neu installierte Chefredaktion nicht so stark war und gleichzeitig dort Leute in der Verlagsleitung waren, die meinten, die könnten das besser."

Der Imageschaden lässt sich kaum beziffern. Heute gilt die Affäre als überwunden. Seine herausragende Stellung konnte der ""Stern"" allerdings nicht wieder einnehmen – auch aufgrund der wachsenden Konkurrenz am Markt. Doch immerhin: über sieben Millionen Leser erreicht das Magazin Woche für Woche. Und für Aufsehen sorgt es immer noch hin und wieder, zuletzt als es den Lidl-Skandal um illegale Bespitzelung von Mitarbeitern der Discounter-Kette enthüllte.