Zum Tod von Rutger Hauer

Der Mephistopheles des Unterhaltungsfilms

06:40 Minuten
Rutger Hauer als Roy Batty in "Blade Runner"
Hauser Monolog über "Tränen im Regen" in "Blade Runner" hat sich tief in die Filmgeschichte eingebrannt. © imago / Cinema Publishers Collection
Anke Leweke und Patrick Wellinski im Gespräch mit Gesa Ufer · 25.07.2019
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Der Arthouse- und Bösewichtedarsteller Rutger Hauer ist tot. Ein großer "Körperdarsteller", ein Handwerker, gehe von uns, sagt unsere Kinokritikerin Anke Leweke. Filmredakteur Patrick Wellinski beeindruckt die Eiseskälte, die er spielen konnte.
Im Sci-Fi-Klassiker "Blade Runner" spielt angeblich Harrison Ford die Hauptrolle. Der ergreifendste Moment gehört allerdings dem Niederländer Rutger Hauer. Als künstlicher Mensch am Ende seiner vierjährigen Lebenserwartung lässt er uns kurz an den Erinnerungsbildern seiner kurzen Existenz teilhaben, bevor er mit den Worten schließt: "All diese Momente werden verloren sein in der Zeit, so wie Tränen im Regen. Zeit zu sterben."
Der Hüne mit den unfassbar blauen Augen, der diesen Monolog zum Teil improvisiert hat, ist nun im Alter von 75 Jahren nach kurzer Krankheit in seiner niederländischen Heimat gestorben. "Diese Träne als ultimative menschliche Regung, die ist sehr groß geworden, größer als der Film übrigens. Das ist nun mal wirklich sein Zutun", sagt Filmredakteur Patrick Wellinski.

"Körperlichkeit, die er minimalistisch einsetzen konnte"

Hauer debütierte in den 1970er-Jahren in niederländischen Autorenfilmen wie Paul Verhoevens "Türkische Früchte", in dem er nach eigener Schätzung 70 Prozent der Laufzeit nackt herumläuft. Erotik sei immer ein Thema in Hausers Spiel, sagt unsere Kinokritikerin Anke Leweke.
Rutger Hauer und Monique van de Ven beim Bettsport in "Türkische Früchte"
Mit ganzem Körpereinsatz: Rutger Hauer und Monique van de Ven beim Bettsport in "Türkische Früchte"© imago / Prod DB
In Interviews habe er immer wieder gesagt, er verstehe sich als Handwerker: "Er ist aufs Set gegangen und hat sich gefühlt, wie Marcello Mastroianni das auch beschrieben hat: wie die Flasche, die einfach vom Regisseur gefüllt wird. Und ich glaube, was ihn aber ausgemacht hat, ist so eine besondere Körperlichkeit, die er sehr minimalistisch einsetzen konnte."
Durch seine größte Rolle war Hauer sehr auf die Rolle des Bösewichts abonniert. Irgendwie schade, findet Patrick Wellinski, auch wenn dabei einige großartige Performances herausgekommen seien. "Er hat immer diese Eiseskälte verkörpert, dieses Hingerissen-Sein von seinem eigenen Selbstverlust. Und vielleicht war Hauer der Mephistopheles des gehobenen und weniger gehobenen Unterhaltungsfilms."

"Alle wissen: Er spielt doch immer die Bösewichte"

Leweke lobt Hauers Facettenreichtum. Sie ist sehr beeindruckt von seinem Tramper in "Hitcher, der Highway Killer": Er zückt ein Messer und malt dem Autofahrer, der ihn mitnimmt, mit wenigen, aber sehr schneidenden Worten aus, was dieses Messer alles mit einem Körper machen könnte. "Es ist die Art und Weise, wie Rutger Hauser diese Drohung ausspricht", sagt Leweke. Plötzlich sei man mit dem Bösen an sich konfrontiert.
Hauer mit C. Thomas Howell in "Hitcher, der Highway Killer"
"Hitcher, der Highway Killer" spielt Hauer (l.) einen irren Tramper.© imago / Prod DB
Wellinski empfiehlt zum Nachschauen den filmhistorisch vergessenen "Eureka" von Nicolas Roeg. "Der spielt da so einen sittlosen Emporkömmling, der reich geheiratet hat, und sein Schwiegervater, gespielt von Gene Hackman, wird umgebracht. Er ist natürlich der Erste, der angeklagt wird, weil wir alle wissen: Er spielt doch immer die Bösewichte."
(fmay)
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