Zum Tod von Mikis Theodorakis

    Mensch, Politiker, Komponist

    86:48 Minuten
    Mikis Theodorakis steht mit ausgebreiteten Armen als Dirigent vor einem Orchester.
    Mikis Theodorakis dirigierte auch, wie hier in Hamburg in den 70er-Jahren. © imago / Heiko Feddersen
    Von Georg Beck · 02.09.2021
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    Der griechische Komponist Mikis Theodorakis ist im Alter von 96 Jahren in Athen gestorben. Dieses Feature aus dem Jahr 2015 zeichnet seinen Lebensweg nach. Die Musik gab ihm Kraft - auch in düsteren Zeiten.
    Er war zwölf Jahre alt, als er seine ersten Lieder schrieb. Mit 17 Jahren gab er sein erstes Konzert. In diesem Jahr gerät er das erste Mal mit Folter in Berührung: Die italienischen Besatzungstruppen inhaftieren ihn. Nur wenige Jahre später verschleppte man ihn während des Bürgerkrieges auf die berüchtigte Gefangeneninsel Makronissos - erneute Folter.

    Das als Audio angehängte Feature wurde am 29.07.2015 anlässlich des 90. Geburtstages von Mikis Theodorakis urgesendet.

    Mikis Theodorakis überlebte all das, vor allem dank der Kraft, die er aus der Musik schöpfte. Seine Freiheitslieder, seine Vertonungen der Gedichte von Jannis Ritsos, vor allem von dessen "Epitaphios", machten ihn berühmt. Auch sein Oratorium "Canto General" nach Pablo Neruda erlangte große Popularität.

    Für viele verkörpert Mikis Theodorakis die griechische Musik. Aber er ist nie ein Folklorist gewesen, im Gegenteil: Musikalisch kannte er keine Grenzen und hat sich in allen Genres ausgetobt. Für Jürgen Liebing ist der Mauthausen Zyklus am beeindruckendsten gewesen: "Selten hat mich eine Musik so ergriffen, dass sie mich nie losgelassen hat", sagt der Journalist und Musikkritiker. [AUDIO]

    Porträt von Mikis Theodorakis in einem hellen Sacko.
    © picture alliance / ANE / Andreas Neumeier

    Zwischen den Stühlen

    In den 1960er-Jahren ging er nach Paris, um sich der Kompositionsklasse von Olivier Messiaen anzuschließen. Doch die Avantgarde war nicht sein Weg. Er fand zu seiner ganz eigenen musikalischen Sprache, die ein Millionenpublikum verstand.

    In der Musik vereint, in der Politik gespalten [AUDIO] Der Musikproduzent Asteris Koutoulas war 40 Jahre mit Mikis Theodorakis befreundet und hat unzählige Male mit ihm zusammengearbeitet. Ihn hat fasziniert, dass Theodorakis die Griechen musikalisch versöhnt hat.

    © imago/Wassilis Aswestopoulos
    So einnehmend seine Musik war, so umstritten wurden seine politischen Aktivitäten gesehen. Denn seine Haltung ändert er immer wieder, und das vehement. Und so stand er oft zwischen den Stühlen. So galt er als Kommunist in der DDR als schwieriger Gast, der zu oft kritische Töne gegenüber der Sowjetunion äußerte.
    In Griechenland trat er gar den Konservativen bei und komponierte Soundtracks für die gewinnbringende Filmwelt Hollywoods, darunter sein berühmter Score für "Alexis Sorbas".

    Deutschlandradio-Reporter Eberhard Schade hat Mikis Theodorakis 2002 in seinem Haus mit Blick auf die Akropolis getroffen. Es gebe kaum eine Nation, die seine Musik so gut verstehe, wie die Deutschen, sagte ihm der Komponist [AUDIO] : "Sie neigen dazu, in sich hineinzusehen und formulieren dann nach außen, was sie sehen. Das ist genau das, was ich tue, wenn ich komponiere." Theodorakis überlebte ein Foltergefängnis: "Einem Menschen kann nichts Schlimmeres passieren, als gefoltert zu werden", sagt er. "Wenn man aber Folter ausgehalten hat, kommt irgendwann ein Gefühl der Genugtuung, dass man es bewältigt hat." Seine Musik, sagt er, habe keine politische Intention, sie habe ihn bewahrt, in der Politik aufzugehen. "Politik ist nur flüchtig, die Musik aber, sie ist unsterblich."

    Die Akropolis in Athen
    © imago / Arcaid Images
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