Zum Tod von Jean-Paul Belmondo

Sie nannten ihn Bébel

05:35 Minuten
Aufnahme von einem strahlenen Jean Paul Belmondo in weißem Sakko und mit schwarzer Krawatte
Jean-Paul Belmondo 1974 auf dem Höhepunkt seiner Karriere: Seine charakteristische schiefe Nase verdankte er einer Verletzung beim Boxen. © picture alliance / united archives / Heinz Browers
Von Peter Claus · 06.09.2021
Audio herunterladen
Der französische Schauspieler Jean-Paul Belmondo ist im Alter von 88 Jahren gestorben. Ob als Rebell, komischer Haudrauf, Verbrecher oder Bulle: Belmondo war ein Star, dem an der Kinokasse locker gelang, Hollywoodgrößen abzuhängen.
Thriller mit oft komischem Einschlag wie "Der Greifer", "Angst über der Stadt", "Der Unverbesserliche" und – allen voran – "Borsalino", machten Jean-Paul Belmondo, von den Franzosen liebevoll Bébel genannt, in den 1970er- und 1980er-Jahren zum Superstar.
Angefangen hatte der nahe Paris geborene Sohn einer französischen Tänzerin und eines italienischen Bildhauers als Boxer. Das brachte ihm eine nahezu perfekte Körperbeherrschung ein – und eine gebrochene Nase, die nie wieder gerade und genau deshalb zu seinem unverwechselbaren Markenzeichen wurde.

Protagonist der Nouvelle Vague

An der Schule der berühmten Comédie-Française konnte er damit keinen Eindruck schinden. Er wurde abgelehnt. Ehrgeiz, Training und Papas Geld verschafften ihm eine Ausbildung am Conservatoire de Paris.
Die ersten Filmauftritte in den 1950er-Jahren waren klein – doch nicht folgenlos: Belmondo, weder schick noch schön und damit so gar nicht dem bis dahin gängigen Ideal männlicher Stars entsprechend, wurde zum Idol des neuen, jungen Kinos, wurde der Protagonist der Nouvelle Vague.
Unvergesslich sein Auftritt 1959 als junger Gangster in Jean-Luc Godards "Außer Atem". Bébel steuert ein Auto und sinniert dabei: "Eine Frau am Steuer ist doch das Letzte. Warum überholt sie denn nicht?! Ach, Scheiße, Straßenarbeiten. Man soll nie bremsen, sagte die Dame zu dem Matrosen. Autos sind zum Fahren da, nicht zum Stillstehen. Verdammte Scheiße, weiße Mäuse!"
Cool, lässig, frech – ganz und gar nicht französisch, sondern sehr amèricain – Belmondo wurde als neuer Humphrey Bogart gefeiert. Regie-Stars wie Peter Brook, Vittorio de Sica und Jean-Pierre Melville rissen sich um ihn. Er wurde zur Symbolfigur anspruchsvoller Kinokunst – fern vom Kintopp.
Immer von schönen Frauen umgeben: Frankreichs Schauspielstar Jean- Paul Belmondo posiert am 30.5.1960 in Paris zwischen seinen Filmpartnerinnen.
Selten wurde Belmondo ohne attraktive weibliche Begleitung gesichtet. In späteren Jahren durften sie auch gerne deutlich jünger sein.© picture alliance / dpa / UPI
Doch genau der zog den Charmeur und Lebemann, der rasch auch zu einer Lieblingsfigur des westeuropäischen Jet-Sets aufstieg, an. 1964 kam das "Abenteuer in Rio". Jean-Paul Belmondo brillierte als Soldat Adrien, der unfreiwillig in die Welt der Verbrechen schliddert, als so etwas wie der Urtyp des Jahrzehnte später weltberühmt gewordenen Globetrotters Indiana Jones.

Das Publikum wollte ihn vor allem unterhaltsam

Immer wieder unternahm Jean-Paul Belmondo, im Film und im Theater, Ausflüge zu Anspruchsvollem. Doch das Publikum wollte ihn vor allem noch einmal und noch einmal als Helden vom Schlage Adriens sehen. Als Held, der alle Stunts selbst ausführt, als Frauenschwarm, als ausgebufften Kerl von echtem Schrot und Korn.
Und Belmondo erfüllte die Erwartungen, nicht nur in seinen Rollen. 1985 etwa kletterte er für die ZDF-Show "Wetten, daß …?" aus einem Hubschrauber. Da wirkte das Lächeln des stets braungebrannten Bébel schon recht eingefroren, sein Auftritt arg routiniert.
Der Star bediente die Erwartungen, etwa auch auf private Fragen, wie er es finde, dass sein Sohn, wie er selbst angeblich mit 17 Jahren, von zu Hause ausgerückt sei:
"Ich bin damit einverstanden. Er ist länger geblieben, als ich geblieben bin. Wenn er sich so entscheidet, ist das doch richtig. Man soll den Kindern nichts vorschreiben. Wenn sie das Leben von ihrer Warte betrachten wollen, dann sollen sie das tun. Ich habe das in jungen Jahren gemacht – und das hat mir beruflich sehr weitergeholfen."

Seine große Zeit: die 1980er

Die 1980er – das war Belmondos ganz große Zeit. In Deutschland war er so populär, dass ihn Westernhagen sogar in einer Songzeile ehrte: "Man nennt mich Belmondo, ihr trefft mich bei Richie um vier."
Mit den 1990er-Jahren kam der berufliche Abstieg: Ein Unfall beim Drehen führte dazu, dass Belmondo sich körperlich sehr zurücknehmen musste, dazu wurden die Drehbücher immer dünner, die Filme flacher. 2001 dann ein Schlaganfall. In den letzten Jahren, ob bei einer Ehrung beim Filmfestival in Cannes oder bei Fernseh-Geburtstagsgalas, wirkte er deutlich angeschlagen.
Er zeigte aber stets ein strahlendes Lächeln im sonnenverbrannten Gesicht – aalte sich grundsätzlich an der Seite einer sehr, sehr jungen Begleiterin. In Erinnerung bleiben wird er als einer der wenigen europäischen Kinostars, denen es locker gelang, Hollywood-Größen an der Kasse abzuhängen, als, so wie eines seiner erfolgreichsten Action-Abenteuer hieß: "Ein irrer Typ".
Mehr zum Thema