Zum Tod von Ingomar von Kieseritzky

Sprachspieler und experimenteller Wortarrangeur

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Der Schriftsteller Ingomar von Kieseritzky
Schrieb mit "zärtlicher Kälte": Ingomar von Kieseritzky (1944-2019). © (c) imago images - gezett 58552657
Von Helmut Böttiger · 08.05.2019
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Er war einer der großen Unbekannten der deutschen Literatur. Die Kritiker liebten ihn, das große Publikum blieb ihm verwehrt: vielleicht auch wegen seiner Abneigung gegen schlüssige Handlungen. Nun ist Ingomar von Kieseritzky in Berlin gestorben.
Ingomar von Kieseritzky, der 1944 in Dresden geboren wurde, galt immer als einer der skurrilsten und originellsten Schriftsteller in deutscher Sprache. Das konnte man schon 1968, anlässlich seines Debüts, ahnen. Es hieß: "Ossip und Sobolev oder die Melancholie".

Gegen den Trend der Zeit

Gerade in diesem Epochenjahr musste das als widerspenstig und sich gegen die Zeitläufte sperrend gelten. Weitere Bücher verraten ein Programm, das an die Traditionen aufklärerischer, gelehrter Schriften anzuknüpfen scheint: "Trägheit oder Szenen aus der Vita Activa" von 1978 etwa oder "Die ungeheuerliche Ohrfeige oder Szenen aus der Geschichte der Vernunft" von 1981.
Kieseritzky wurde als Sprachspieler und experimenteller Wortarrangeur in literarischen Kreisen hoch geschätzt und vor allem von berühmten Kollegen enthusiastisch besprochen: mehrfach etwa von Ludwig Harig, der ihn liebevoll einen "misanthropischen Lüstling" nannte und einen "Meister der Spezialistendialoge".

Einer der produktivste Hörspielautoren

Michael Krüger nannte das "Trägheits"-Buch "eines der gescheitesten, vor allem witzigsten" überhaupt, "mit zärtlicher Kälte geschrieben". Kieseritzky erzählte kaum Handlungen, sondern trieb mit seinem vertrackt-ironischen Übersteigerungsstil die Sprache selbst voran, ins Absurde und Groteske.
Seine mehr als hundert Hörspiele übersetzten das wie nebenbei auch ins Radiophone. Jetzt ist er im Westen Berlins, wo er den größten Teil seines Lebens verbrachte, gestorben.
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