Zum Tod von Dieter Kunzelmann

Ein radikaler Aktionist

Der Revoluzer und Eierschmeißer Dieter Kunzelmann war am 25.01.2000 Gast in der SFB-Talkshow "Alex".
Der Revoluzer und Eierschmeißer Dieter Kunzelmann (1939 - 2018) auf einem Archivbild © picture-alliance / ZB / Klaus Franke
Detlef Siegfried im Gespräch mit Shanli Anwar  · 17.05.2018
Dieter Kunzelmann, Kommunarde, 68er, später Terrorist, lebte bis zu seinem Tod in Berlin-Kreuzberg. Er war zwar radikal, doch seine Bedeutung für die 68er-Studentenbewegung könne man trotzdem kaum überschätzen, sagt Historiker Detlef Siegfried.
Einer der Mitbegründer der anarchistischen "Kommune 1", Dieter Kunzelmann, ist Anfang der Woche mit 78 Jahren in Berlin gestorben. Der linksradikale Aktivist, später auch in einer Terrorgruppe aktiv, mischte die Studentenbewegung mit künstlerischen Happenings auf. So machte Kunzelmann unter anderem mit Eier-Würfen von sich reden, auch auf Berlins früheren Bürgermeister Eberhard Diepgen.
"Seine Bedeutung im Kontext der Studentenbewegung ist kaum zu überschätzen", meint der Kulturhistoriker Detlef Siegfried. Kunzelmann habe ein "situationistisches Aktionskonzept der Studentenbewegung" vermittelt, sagt er. Das habe er in München ausprobiert und dann nach Berlin exportiert. Die Kunst sei für ihn der Ursprung gewesen, so habe er verschiedenen künstlerischen Bewegungen angehört wie dem Situationismus oder auch die "Subversive Aktion" gegründet, die zum Teil aus Künstlern und zum Teil aus politisch Interessierten bestanden habe.
Die "Kommunarden" (l-r): Dieter Kunzelmann, Antje Krüger, Rainer Langhans und Fritz Teufel am 7.2.1968 in Berlin
Die "Kommunarden" (l-r): Dieter Kunzelmann, Antje Krüger, Rainer Langhans und Fritz Teufel am 7.2.1968 in Berlin© dpa / picture alliance / Chris Hoffmann

Erst 68er, dann Terrorist

In Kunzelmanns Kreisen sei man sehr kritisch der Kulturindustrie gegenüber gewesen, sagt Siegfried. "Man hat sich identifiziert mit dem, was (Max) Horkheimer und (Theodor W.) Adorno in der Dialektik der Aufklärung geschrieben haben, dass die ganze öffentliche Sphäre kulturindustriell durchformt ist, dass alles manipuliert ist." Doch das habe sich in den 60er-Jahren geändert. Man habe Gegenstände der Massenkultur als Material zur Kreation eigensinniger Lebenspraxis betrachtet. "Das bedeutete, dass man nun aufnahm, was in der Zwischenzeit entstanden war: Sexwelle, Italowestern, Popmusik." Die Kommune 1 sei den Medien nicht ausgeliefert gewesen, sondern habe sie benutzt, meint Siegfried.
Später sei Kunzelmann radikaler geworden. Die Studentenbewegung habe sich damals aufgespalten in zwei Flügel - einerseits in Richtung des politischen Radikalismus, andererseits in Richtung subkultureller Orientierung wie Drogen-, Pop- oder Musikkultur. Kunzelmann habe sich von der Fatah in Jordanien zum Bombenbauer ausbilden lassen und sei Drahtzieher eines Anschlags auf ein jüdisches Gemeindezentrum gewesen. (inh)
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