Zum Tod von Diego Maradona

Jetzt spricht der Fußballgott

03:17 Minuten
Diego Maradona lässt sich von seinen Mitspielern auf Schultern durchs Stadion tragen und hält den UEFA-Pokal triumphierend in die Luft.
Mit der "Hand Gottes" am Pokal: 1986 jubelte Maradona über den WM-Sieg der Argentinier. Den Weg dorthin machte ein umstrittenes Tor im Viertelfinale möglich. © picture alliance / AP Images / Carlo Fumagalli
Eine Glosse von Florian Felix Weyh · 29.11.2020
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Mexiko, Fußball-WM, 1986: Mit der "Hand Gottes" bugsierte Diego Maradona im Spiel gegen England den Ball ins gegnerische Tor. Was dieser Gott von der Inanspruchnahme seiner Autorität hält? Wir haben nachgefragt.
So ist das, wenn die Hand eingreift: Sie fährt herunter, packt sich am Schlafittchen den, der fällig geworden ist, und zieht ihn himmelwärts.
Fällig? Oh ja, fällig war er, mein Sohn und Stellvertreter. Muss ich alles aufzählen? Die vielen falschen Freunde: Gaddafi, Castro, Chávez. Dann: Alkohol, Drogen, Fresssucht, Bewegungsarmut – als Fußballer! –, und ein Benehmen wie ein Bauernlümmel!
Rumballern mit dem Luftgewehr auf Journalisten - okay, das hat mir gefallen! Ich schicke da auch mal gern einen Blitz runter. Sportjournalisten, was für ein Pack! Trifft leider nie. Genauso wenig wie er mit dem Luftgewehr. Absolution für diese kleine Sünde!

1986, das war ein Foul

Aber getroffen hat Diego natürlich sonst immer, mit dem Fuß, sozusagen als - shooting star! Das hat mir gut gefallen. Not amused war ich allerdings über seine Show in Mexiko-City, 1986. Das war ein simples Foul, und dann von meiner Hand zu sprechen, von der "Hand Gottes", als hätte er nicht gewusst, dass ich ihn auf die Erde geschickt habe, um Fairness zu bringen und Lebensfreude zu verbreiten – nein, da habe ich von jetzt auf gleich geahnt, dass was ins Rutschen kommt.
Diego begann, sich selbst für einen Fußballgott zu halten! Nahm die Satire der "Iglesia Maradoniana", der Kirche des heiligen Maradona, für bare Münze. In Neapel ließ er sich wie die Jungfrau Maria verehren.

Kein Heil in der Apotheose

Kurzum: Er stellte die Hierarchie auf den Kopf. Das geht nicht. Vielmehr: Wenn man es macht, geht es verheerend aus. Toni Turek, zum Fußballgott erklärt in den Fünfzigern, nahm ein schreckliches Ende, mit 65. Diego jetzt mit 60 Jahren.
Es liegt kein Heil in der Apotheose! Denn es gibt keinen Fußballgott auf dem Platz, sondern nur den im Himmel. Und dessen Apostel sind die Schiedsrichter. Geht respektvoll mit ihnen um! Nicht so wie Diego, der erst die Regel brach und dann auf höhere Gewalt pochte – sich also selbst zum Regelmacher aufwarf.

Ein trauriges Verglühen

Ab diesem Zeitpunkt war er zwar noch mein Sohn, doch ein entlaufener. Ich wollte ihn wieder einfangen. Ursprünglich nur, um ihn ins Gebet zu nehmen und dann geläutert in die zweite Halbzeit zu schicken. Leider entkam er mir immer wieder. Jetzt gibt’s keine Verlängerung mehr!
"Shooting star" heißt übrigens korrekt übersetzt "Sternschnuppe". Das war er im Grunde auch: Was für lichte Momente! Was für ein trauriges Verglühen.
Oh Diego.
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