Zum Tod des Schauspielers Birol Ünel

"Ein Rebell, den es nicht mehr geben kann"

05:59 Minuten
Porträt von Birol Ünel, er hat in zahlreichen Theaterstücken und Filmen gespielt.
Birol Ünel ist mit 59 Jahren an Krebs gestorben. © laif/ Julia Baier
Imran Ayata im Gespräch mit Timo Grampes · 04.09.2020
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Als Cahit spielte Birol Ünel in „Gegen die Wand“ die Rolle seines Lebens. Sie sei ikonografisch für eine Generation von Menschen mit Migrationsgeschichte, sagt der Autor und Kanak Attak-Mitbegründer Imran Ayata.
Für die Rolle in "Gegen die Wand" hat Birol Ünel den Deutschen Filmpreis als bester Hauptdarsteller gewonnen. Jetzt ist er mit 59 Jahren an Krebs gestorben.
Regisseur Fatih Akin gedenkt auf Instagram mit einem Bild von Ünel in schwarzem Anzug mit Fliege und Dosenbier: "Ruhe in Frieden, mein Freund. Du hattest ein Licht in Dir, das mich immer überwältig hat."
Autor und Mitbegründer von Kanak Attak, Imran Ayata hat mit Ünel vor allem in den Nuller-Jahren viel Zeit verbracht. Kennengelernt hatte er ihn, als Ayata einen Text über das neue deutsch-türkische Kino schrieb: "Er war sehr skeptisch über diesen Hype und sagte sinngemäß: ,Heute wollen sie unsere Gesichter, morgen die Ärsche’".

"Nach Klaus Kinski der exzentrischste deutsche Schauspieler"

Sie hatten sich dann etwas aus den Augen verloren – wie das offenbar vielen gegangen sei, sagt Ayata. Ünel sei ein sehr besonderer Mensch und Schauspieler gewesen: "Für mich war er nach Klaus Kinski der exzentrischste deutsche Schauspieler, an den ich mich erinnern kann – auch jemand, der nonkonformistisch war. Für mich war er auch in der Art immer ein Rebell, den es heute gar nicht mehr geben kann. Er konnte sich auch nie vorstellen, dass er den Rebellen auf Social Media inszeniert, er war es einfach." Am Ende habe ihm das Netzwerk gefehlt, um ihn aufzufangen.
Ayata erinnert sich daran, wie Ünel zum Thema der Springer-Medien wurde, "die ein Foto von ihm veröffentlichten, wie er auf der Straße lag wie ein verwahrloster Obdachloser. Das ist natürlich eine brutale Biographie, wenn man sich überlegt, welchen Erfolg er hatte, und welchen Weg das nahm."
Dass es so weit kam, sei auch ein "Versagen des Umfelds, der Freunde, der Branche, der Kollegen" gewesen – "so fühle ich das heute zumindest", sagt Ayata.

"Ist das sein Leben, oder spielt er das?"

Die Rolle des Cahit habe Ünel "gelebt" und "Gegen die Wand" sei deswegen immer auch sein Film gewesen. Im Kino habe man gar nicht mehr gewusst: "Ist er das, ist das sein Leben, oder spielt er das?"
Die Rolle sei aber auch eine ikonographische gewesen. Sie habe für eine Generation von Menschen mit Migrationsgeschichte gestanden: "Es war so, als würde er auch ein bisschen uns spielen. Er hat diesen Biographien einen wahnsinnig starken künstlerischen Ausdruck verliehen. Und das ist etwas, das, glaube ich, für immer bleiben wird."
(sed)
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