Zum Tod des Malers Robert Schneider

Verwüstete Landschaften

07:22 Minuten
Aus der Werkgruppe Slask von Robert Schneider.
Robert Schneider malte Landschaften, die die Industrialisierung zerstörte. So wie in diesem Bild aus der Werkgruppe "Slask" von 1996, das die Industrieregion im polnischen Oberschlesien zeigt. © Repro: Nic Tenwiggenhorn / Robert Schneider (Acryl 105x160cm)
Von Carsten Probst · 28.02.2021
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Robert Schneider malte Ruinen und Landschaften, die die Industrialisierung verwüstet zurückließ. Sein Hauptwerk "Jahrhundertreflexion" zeigt die Industrialisierung des ganzen Lebens, vom Massenkonsum bis zur industriellen Vernichtung von Menschen.
Es gibt eine lange Tradition der Industriemalerei in Europa, auf die sich Robert Schneider mitunter direkt bezieht, etwa in seiner Serie über die aufgegebene Schwerindustrie in Polen.
Die Faszination, die diese Malerei vor allem im 19. Jahrhundert der Industrialisierung entgegenbringt, kehrte Robert Schneider um: Er malte Industrieruinen, Landschaften, die das industrielle Zeitalter verwahrlost und verwüstet zurückgelassen hat. Aber dabei blieb er ein realistischer Maler, nicht fotorealistisch, wie mitunter gesagt wurde. Seine Bilder wirken zwar auf den ersten Blick wie Ausschnitte aus Fotografien, aber man erkennt doch sehr schnell das Expressive dieser Landschaften.
Das ist keine kühl dokumentarische Malerei, auch keine Konzeptmalerei, sondern der Versuch, eine "verborgene" Wahrheit über die Gegenwart ans Licht zu bringen, so wie es ja die Mission vieler realistischer Malerinnen und Maler des 19. Jahrhunderts war.

Neue Historienmalerei

Robert Schneider wurde 1944, im letzten Kriegsjahr geboren. Manche vermuten, er habe sich in seiner Malerei womöglich an frühkindlichen Traumata abgearbeitet. In seinem Hauptwerk, der "Jahrhundertreflexion", entstanden seit Anfang der 1990er-Jahre über einen Zeitraum von fast 20 Jahren, spannt er inhaltlich einen Bogen zwischen den Schlachtfeldern von Verdun über Auschwitz, den Niedergang des Sozialismus bis zur fleischverarbeitenden Industrie der Gegenwart.
Das Industrielle wird also seinem Begriff nach sehr viel weiter gefasst als nur bezogen auf Fabriken und Lagerhallen. Es meint die Industrialisierung des Lebens und des Todes überhaupt, von der industriellen Vernichtung der Juden bis zum Massenkonsum. So hatten es ja schon Horkheimer und Adorno in der "Dialektik der Aufklärung" umrissen.
Robert Schneider allerdings war eben ein deutscher Maler, der dies alles recht monumental in eine Art neuer Historienmalerei zusammenfasste.

Seiner Zeit voraus

Er selbst äußerte einmal in einem Interview, er sei seiner Zeit vielleicht voraus gewesen. Damit meinte er womöglich das Bewusstsein für die Umweltzerstörung, die die Industrialisierung hinterlassen hat.
Ein ausgeprägtes, auch politisches Umweltbewusstsein gab es unter Künstlerinnen und Künstlern eigentlich schon seit der "Environmental Art" der 1970er-Jahre, einem Ableger der Land Art. Diese Art von Kunst sah allerdings ganz anders aus als die von Robert Schneider und fand oft auch direkt draußen in der Natur statt.
Porträt von Robert Schneider in seinem Atelier.
Robert Schneider in seinem Atelier.© Ev Schneider
Schneider hingegen wählte für seine mahnenden Botschaften zur Umweltzerstörung bewusst ein traditionelles Bildmedium, eine Malerei, die mit ihrer altmeisterlich-handwerklichen Könnerschaft an die Historienbilder des 19. Jahrhunderts erinnert und sich so gewissermaßen mehr an das kulturelle, weniger an das ökologische Gedächtnis richtet.
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