Zum Tod der Regisseurin Tatjana Turanskyj

Kämpferin gegen die Ungleichheit im Film

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Moderator Knut Elstermann interviewt die Regisseurin Tatjana Turanskyj beim "RadioEins Berlinale-Nighttalk" am Rande der 64. Internationalen Filmfestspiele Berlin.
Die Regisseurin Tatjana Turanskyj galt als eine der lautesten Stimmen des feministschen Films. © imago images / Seeliger
Irene von Alberti im Gespräch mit Gabi Wuttke · 19.09.2021
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Die Regisseurin und Produzentin Tatjana Turanskyj ist im Alter von 55 Jahren gestorben. Ohne ihre Filme und ihr Engagement bei ProQuote Film würde die Branche für Frauen schlechter aussehen, sagt die Produzentin Irene von Alberti.
Mit 43 Jahren drehte die Regisseurin und Produzentin Tatjana Turanskyj 2009 ihren ersten Langfilm "Eine flexible Frau". Der Beginn ihrer Trilogie "Frauen und Arbeit" wurde zugleich auf der Berlinale und anderen internationalen Filmfestspielen gezeigt. Dadurch wurde Tatjana Turanskyj als feministische Filmemacherin vor allem deutschlandweit bekannt.
Danach folgte noch "Top Girl" (2014) und ein Jahr später "Orientierungslosigkeit ist kein Verbrechen". Seitdem war sie nicht mehr als Regisseurin tätig, denn sie war schon länger sterbenskrank. Am Samstag ist sie im Alter von 55 Jahren gestorben, wie Weggefährtinnen gegenüber Deutschlandfunk Kultur bestätigten.

Modern und frisch

Irene von Alberti ist Mitbegründerin der Filmgalerie 451, eine Produktionsfirma und Kinoverleih. Im Frühling zeigte die Filmgalerie 451 eine Werkschau von Tatjana Turanskyj. "Wir hatten kurz vor der Berlinale ‚Eine flexible Frau‘ gesehen und haben ihn uns sofort gesichert", sagt Alberti rückblickend, "weil ich das damals einen der modernsten, neuesten und frischesten Filme überhaupt fand". So habe die engere Zusammenarbeit mit ihr angefangen.
In dem Drama geht es um die Architektin und alleinerziehende 40-jährige Mutter Greta M., die einen Job nach dem nächsten verliert und in die Alkoholabhängigkeit abgleitet. Greta versucht, gegen den Strom der gesellschaftlichen Normen zu schwimmen, und findet in Berlin schließlich "die Stadt der Frauen".
Vor allem "der Look" und die Art, die Geschichte zu erzählen, sei sehr modern gewesen, sagt Alberti. Außerdem sei das "Diskursive" besonders und wie genau die Lebenssituation der Architektin dargestellt sei. "Auch mit so einem Humor und einer spielerischen Art, dass sie da auch immer wieder Elemente reinbringt, die eigentlich nicht so spielfilmmäßig sind, sondern sehr frei und offen."
Ihre Filme verbinde eine weibliche Perspektive, die sich konsequent aus allen Rollen und Mustern befreie. "Das ist fast schon utopisch gewesen."

Ernüchternde Zahlen

Doch nicht nur als Filmemacherin war Turanskyj bekannt. Sie war auch Mitbegründerin der Initiative ProQuote Regie, die 2018 in ProQuote Film umbenannt wurde. Der gemeinnützige Verein setzt sich für einen erhöhten Frauenanteil in allen Bereichen der Filmproduktion ein. Andere bekannte Regisseurinnen im Verein sind Katinka Feistl, Annette Ernst und Imogen Kimmel.
Durch die feministische Initiative habe sich zwar viel verbessert, aber die Lage in der Branche sei noch lange nicht gut genug. Das zeigten nüchtern die Zahlen, sagt Alberti: "Da ist einfach eine eklatante Ungleichheit." Die Hälfte der Regie-Studierenden seien Frauen, "die dann später einfach immer weiter verschwinden."
Das zeige sich nicht nur an der Anzahl der später produzierenden Frauen, sondern auch an den Budgetgrößen. Diese seien bei Männern höher.
Bei ProQuote Regie habe Turanskyj noch vor ihrer Erkrankung "mitreißende" Reden geschwungen. "Da blieb mir immer der Mund offen stehen." Jahrelang habe sie "mit einer wahnsinnigen Energie" immer wieder mit Sendern, Redakteuren und Förderinnen darüber geredet. "Auf lange Sicht hat sie wahnsinnig viel erreicht, wovon wir heute extrem profitieren", sagt Alberti.
(sbd)
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