Zum Reinbeißen
Seit Jahren veröffentlicht Sterne-Koch Vincent Klink mit seinem literarischen Kompagnon Wiglaf Droste in der Zeitschrift "Häuptling eigener Herd". In ihrem überaus gelungenen Hörbuch "Wurst" halten uns die beiden ebendiese brühwarm und lustbetont vor die Nase.
"Wenn Sie scho net mitschaffe, dann warten Se gefälligst oben, bis die ersten Würst‘ zum Vesper fertig sind, Herr Doktr."
So verscheuchte die resolute Haushälterin Agathe den naschhaften Opa Vinz einst vom Wurstkessel. Einmal im Jahr wurde bei den Großeltern "die Sau" geschlachtet. Für Enkel Vincent Klink, der später Metzger werden sollte - "ich bin in der Metzelsuppe geboren" - und noch später ein berühmter Koch, war dieser Schlachttag in der Waschküche der Klinks ein unvergessliches, genussvolles Erlebnis. Und wie er das in literarische Form gießt und die wiederum in sein weiches Schwäbisch bettet, ist Hörgenuss pur.
""Metzgers-Done" hatte das Vieh auf einen plattfüßigen Schubkarren gewuchtet. Es saß darin wie ein Dickbauchbuddha in der Rikscha. Mit der schweren Last, die immer umzukippen drohte, stürzte er mehr, als er wankte. Die schmalen Schnellmastschweine waren damals völlig unbekannt. Eine Sau war annähernde doppelt so schwer wie die EU-Schweine von heute, die aussehen, als hätten sie im Windkanal trainiert."
Es waren, sagt Klink, noch die Zeiten ungehemmter Fleischeslust, die jedoch einhergingen mit großer Rücksicht für die getötete Kreatur.
Und dann:
"Harz wurde auf die Seiten des Delinquenten gestreut, die gröbsten Borsten abgekratzt und eine Kette unter dem Leib durchgezogen, welche hin und her gezogen, die gröbsten Haare und die oberste Hautschicht abschabte. Dann wurde unter dauerndem Messerwetzen rasiert. Mit fast zeremoniellem Ernst wurde die Nassrasur betrieben und frisches Wasser über die immer blankere Haut gegossen. Endlich lag die Sau in Frieden da, hell, rein, wie neugeboren."
Vincent Klink begegnet dem geschlachteten Tier mit Respekt und mit Sorgfalt, allem, was man daraus zubereitet. So hat er‘s gelernt:
"Mit Zwiebeln und Lorbeer versehen wallten die ersten Fleischstücke und taumelten zwischen Nelken und Pfefferkörnern, immer bestrebt, in ruhigerem Wellengang am Rande des Kessels dem zarten Durchgaren entgegenzudümpeln."
Einige Kapitel von Vincent Klink aus dem Buch, vor allem die mit den äußerst appetitanregenden Rezepten, fehlen in der Hörbuch-Version. Natürlich, sie eignen sich nicht für das gesprochene Wort. Was uns Vincent Klink jedoch erzählt und vor allem wie er das tut - ist unverfälscht und fein mit Humor gewürzt.
Dagegen der scharfzüngige Satiriker und geübte "Vorleser" Wiglaf Droste.
Er rückt der Wurst naturgemäß ganz anders auf die Pelle:
"Aus den Schulteröffnungen des ärmellosen Kittels ragten die Arme der Fleischfachverkäuferin. Ihre Oberarme waren gewaltig: Fleisch im sommersprossigen, leberfleckigen, welken Saitling. Unglaublich viel weiches, schmulliges Fleisch war in diesen männerwadenstark gewordenen Oberarmen. Ich sah, und dachte ich müsste Vegetarier werden."
Wurde Droste offensichtlich nicht, wie das folgende Gedicht beweist:
"Es trank eine schreibende Eselswurst
Beim Schreiben gewaltig über den Durst.
Sie wurde euphorisch, die I-A-Salami;
Und hielt sich für Haruki Murakami."
Wir werden zudem Ohrenzeugen, dass auch schon vor Wiglaf Droste die Wurst durchaus geeignetes Objekt der Dichtkunst war:
"Eine Wurst soll von Umglänzheit blitzen;
die Haut muss das Fleisch stramm umsitzen" (Robert Walser)
Wir dürfen uns außerdem darüber freuen, wie Droste sattsam bekannte Literaturzitate durch den Fleischwolf dreht:
"Ali Baba und die 40 Würste
Kleine Wurst, was nun?
Mein wunderbarer Wurstsalon
"Mehr Wurst!" Johann Wolfgang von Goethe
"Zur Wurst fällt mir nichts ein" Karl Kraus"
Die Wurst als Universum und Kulturgut: Der bekennende Fleischesser Vincent Klink und der bekannte Berufsnörgler Wiglaf Droste halten uns in ihrem überaus gelungenen Gemeinschaftswerk die Wurst brühwarm und lustbetont vor die Nase. Zum Reinbeißen:
Alles hat ein Ende, die Wurst sogar zwei.
"Wo noch Wurst ist, da ist noch Leben. Und solange noch Leben ist, solange ist noch Hoffnung - Hoffnung auf Wurst und immer noch mehr Wurst. Denn die Wurst stirbt zuletzt."
Besprochen von Sigrid Menzinger
Wiglaf Droste, Vincent Klink: Wurst
Regie: Renate Kampmann
WordArt Verlag - 1 CD
75 Minuten, 14,99 Euro
So verscheuchte die resolute Haushälterin Agathe den naschhaften Opa Vinz einst vom Wurstkessel. Einmal im Jahr wurde bei den Großeltern "die Sau" geschlachtet. Für Enkel Vincent Klink, der später Metzger werden sollte - "ich bin in der Metzelsuppe geboren" - und noch später ein berühmter Koch, war dieser Schlachttag in der Waschküche der Klinks ein unvergessliches, genussvolles Erlebnis. Und wie er das in literarische Form gießt und die wiederum in sein weiches Schwäbisch bettet, ist Hörgenuss pur.
""Metzgers-Done" hatte das Vieh auf einen plattfüßigen Schubkarren gewuchtet. Es saß darin wie ein Dickbauchbuddha in der Rikscha. Mit der schweren Last, die immer umzukippen drohte, stürzte er mehr, als er wankte. Die schmalen Schnellmastschweine waren damals völlig unbekannt. Eine Sau war annähernde doppelt so schwer wie die EU-Schweine von heute, die aussehen, als hätten sie im Windkanal trainiert."
Es waren, sagt Klink, noch die Zeiten ungehemmter Fleischeslust, die jedoch einhergingen mit großer Rücksicht für die getötete Kreatur.
Und dann:
"Harz wurde auf die Seiten des Delinquenten gestreut, die gröbsten Borsten abgekratzt und eine Kette unter dem Leib durchgezogen, welche hin und her gezogen, die gröbsten Haare und die oberste Hautschicht abschabte. Dann wurde unter dauerndem Messerwetzen rasiert. Mit fast zeremoniellem Ernst wurde die Nassrasur betrieben und frisches Wasser über die immer blankere Haut gegossen. Endlich lag die Sau in Frieden da, hell, rein, wie neugeboren."
Vincent Klink begegnet dem geschlachteten Tier mit Respekt und mit Sorgfalt, allem, was man daraus zubereitet. So hat er‘s gelernt:
"Mit Zwiebeln und Lorbeer versehen wallten die ersten Fleischstücke und taumelten zwischen Nelken und Pfefferkörnern, immer bestrebt, in ruhigerem Wellengang am Rande des Kessels dem zarten Durchgaren entgegenzudümpeln."
Einige Kapitel von Vincent Klink aus dem Buch, vor allem die mit den äußerst appetitanregenden Rezepten, fehlen in der Hörbuch-Version. Natürlich, sie eignen sich nicht für das gesprochene Wort. Was uns Vincent Klink jedoch erzählt und vor allem wie er das tut - ist unverfälscht und fein mit Humor gewürzt.
Dagegen der scharfzüngige Satiriker und geübte "Vorleser" Wiglaf Droste.
Er rückt der Wurst naturgemäß ganz anders auf die Pelle:
"Aus den Schulteröffnungen des ärmellosen Kittels ragten die Arme der Fleischfachverkäuferin. Ihre Oberarme waren gewaltig: Fleisch im sommersprossigen, leberfleckigen, welken Saitling. Unglaublich viel weiches, schmulliges Fleisch war in diesen männerwadenstark gewordenen Oberarmen. Ich sah, und dachte ich müsste Vegetarier werden."
Wurde Droste offensichtlich nicht, wie das folgende Gedicht beweist:
"Es trank eine schreibende Eselswurst
Beim Schreiben gewaltig über den Durst.
Sie wurde euphorisch, die I-A-Salami;
Und hielt sich für Haruki Murakami."
Wir werden zudem Ohrenzeugen, dass auch schon vor Wiglaf Droste die Wurst durchaus geeignetes Objekt der Dichtkunst war:
"Eine Wurst soll von Umglänzheit blitzen;
die Haut muss das Fleisch stramm umsitzen" (Robert Walser)
Wir dürfen uns außerdem darüber freuen, wie Droste sattsam bekannte Literaturzitate durch den Fleischwolf dreht:
"Ali Baba und die 40 Würste
Kleine Wurst, was nun?
Mein wunderbarer Wurstsalon
"Mehr Wurst!" Johann Wolfgang von Goethe
"Zur Wurst fällt mir nichts ein" Karl Kraus"
Die Wurst als Universum und Kulturgut: Der bekennende Fleischesser Vincent Klink und der bekannte Berufsnörgler Wiglaf Droste halten uns in ihrem überaus gelungenen Gemeinschaftswerk die Wurst brühwarm und lustbetont vor die Nase. Zum Reinbeißen:
Alles hat ein Ende, die Wurst sogar zwei.
"Wo noch Wurst ist, da ist noch Leben. Und solange noch Leben ist, solange ist noch Hoffnung - Hoffnung auf Wurst und immer noch mehr Wurst. Denn die Wurst stirbt zuletzt."
Besprochen von Sigrid Menzinger
Wiglaf Droste, Vincent Klink: Wurst
Regie: Renate Kampmann
WordArt Verlag - 1 CD
75 Minuten, 14,99 Euro