Zum Prozess gegen Gina-Lisa Lohfink

"Negative Auffassung von weiblicher Sexualität"

Das Model Gina-Lisa Lohfink am 1.6.2016 im Gerichtsaal mit ihren beiden Anwälten zum Auftakt des Prozesses gegen sie wegen Falschaussage.
Das Model Gina-Lisa Lohfink am 1.6.2016 im Gerichtsaal mit ihren beiden Anwälten zum Auftakt des Prozesses gegen sie wegen Falschaussage. © picture alliance / dpa / Klaus-Dietmar Gabbert
Catherine Newmark im Gespräch mit Timo Grampes · 27.06.2016
Der Fall des mutmaßlichen Vergewaltigungsopfers Gina-Lisa Lohfink erregt heftigen Streit zwischen Feministinnen und konservativen Kommentatoren. Die Philosophin Catherine Newmark erkennt ein generelles Problem des Umgangs mit Sexualität: "Frauen sind immer im Risiko, als Schlampen beschimpft zu werden, wenn sie zu oft 'ja' sagen."
In dem Prozess, den zwei Männer zurzeit gegen das Model Gina-Lisa Lohfink führen, geht es um ein Amateurvideo aus dem Jahr 2012. Es zeigt die frühere "Germany's Next Topmodel"-Kandidatin beim Sex mit den beiden. Eine entscheidende Frage in dem Prozess ist, ob die Frau damals den Sex deutlich ablehnte und dann vergewaltigt und gefilmt wurde, obwohl sie "Nein" sagte.
Dazu hat es bereits ein erstes Verfahren gegeben. Es endete mit einem Freispruch für die Männer. Lohfink wurde wegen falscher Vorwürfe zu einer Geldstrafe von 24.000 Euro verurteilt, legte aber Einspruch ein.
Längst ist der Fall zum Politikum geworden. Konservative wie Spiegel-Kommentator Jan Fleischhauer wettern gegen Feministinnen und sprechen von "Affektjustiz". Manche Feministinnen halten Lohfink dagegen für eine Heldin.

Vom Dummchen zur Ikone des Feminismus

Die Philosophin und Journalistin Catherine Newmark hat das Sex-Video gesehen. Darauf sage die scheinbar "völlig weggetretene" Frau immer wieder "Hör auf, hör auf".
"Das wird offensichtlich vom Gericht nicht als genügender Beweis für eine Vergewaltigung anerkannt", schlussfolgert Newmark. Der Fall mache daher vielen Frauen Angst, selbst angezeigt zu werden, wenn sie eine Vergewaltigung zur Anzeige bringen würden.
Der Fall erregt internationales Aufsehen. Obwohl Gina-Lisa Lohfink zunächst von der Öffentlichkeit kaum ernst genommen wurde, gilt sie, etwa dem "Hollywood Reporter" und manchen Frauenrechtlerinnen, als "Ikone des Feminismus".
Für Catherine Newmark ist diese Wirkung erstaunlich. Schließlich sei sie als ehemalige Teilnehmerin von "Germany's Next Topmodel", die darin die Rolle des blonden Dummchens ausfüllen sollte, erstmal alles andere als eine emanzipierte Frauenfigur.

Weniger glaubwürdig, weil sexuell aktiv?

"Vielleicht wurde sie gerade deswegen zur feministischen Ikone, weil sie eben all diesen Maßgaben nicht entspricht. Wenn ein unschuldiges junges Mädchen vergewaltigt wird, dann ist die Sympathie sofort da. Bei Gina-Lisa Lohfink ist es eben so, dass es der Fall ist von einer sehr welterfahrenen Frau, die offensichtlich eine aktive Sexualität hat. Und da scheint es plötzlich so zu sein, dass, wenn sie eine Vergewaltigung anzeigt, ihr nicht geglaubt wird. Und das ist der feministische Punkt."
Catherine Newmark kritisiert den noch immer herrschenden diskriminierenden Blick auf bestimmte Frauen. Insbesondere bei Vergewaltigungsverfahren werde "einer Frau, die selbst sexy ist, weniger Glauben geschenkt als einer Frau, die keusch ist".
Der Fall Lohfink sei ein Katalysator für eine Verschärfung des Sexualstrafrechts. Denn mittlerweile könne sich auch der Justizminister Heiko Maas eine "Nein heißt Nein"-Lösung vorstellen. Das würde bedeuten, dass das Wort einer Frau Gültigkeit hätte und man sie nicht so behandeln könne, als wolle sie nur länger zum Sex gebeten werden.
Der Fall verdeutliche den Umgang in der Gesellschaft mit der Sexualität von Frauen generell, sagt Newmark:
"Wir haben eine negative Auffassung von weiblicher Sexualität und gehen nicht davon aus, dass sie selbst aktiv sein kann."
Andererseits gebe es mittlerweile die verbreitete Vorstellung, dass Männer und Frauen sich begegnen und einander offen sagen, ob sie Lust hätten oder nicht. Man müsse sich fragen, welchem gesellschaftlichen Modell man sich anschließen wolle - dem alten oder dem moderneren.

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