Zum Kino-Start von "Ghost in The Shell"

Wie die Cyborgs Filmgeschichte schrieben

Ausschnitt aus dem Filmplakat für "Ghost in the Shell" von Rupert Sanders mit Scarlett Johansson in der Hauptrolle
Ausschnitt aus dem Filmplakat für "Ghost in the Shell" von Rupert Sanders mit Scarlett Johansson in der Hauptrolle © imago/ZUMA Press
Von Enno Park · 30.03.2017
Halb menschliches Wesen, halb technisches Wunderwerk. Der Cyborg ist eine fantastische Figur, die im Kino seit Jahren gefeiert wird. Nun kommt das Remake "Ghost in the Shell" mit Scarlett Johansson auf die Leinwand - kann es die Vorlage toppen?
"Ghost in the Shell" – das ist die Neuverfilmung eines Manga-Bestsellers, der auch als Animationsfilm für Furore sorgte. Dieses Mal können sich die Zuschauer allerdings an echten Schauspielern und an Scarlett Johansson in der Hauptrolle erfreuen.
Aber was heißt schon "echte Personen"? Johansson stellt hier - wie schon häufig - ein Zukunftswesen dar, diesmal einen beziehungsweise eine Cyborg, also einen künstlichen Körper mit menschlichem Gehirn.
Die Filmgeschichte hat einige solcher Cyborg-Filme zu bieten. Sie sind das Leib- und Magenthema von Enno Park, der sich selbst als Cyborg bezeichnet und Vorsitzender des Cyborg e.V. in Berlin ist. Mit ihm lassen wir die Vergangenheit und Gegenwart des Cyborg-Kinos Revue passieren.
Da wären zum Beispiel:

Ghost in the Shell (1995)

Das Anime zeigt eine Megastadt der Zukunft, in der Menschen mit technischen Erweiterungen Alltag sind - zum guten wie zum schlechten. Major, eine Cyborg, an der nur noch Teile des Gehirns menschlich sind, ist hier auf der Jagd nach einem geheimnisvollen Wesen, das sich in die Gehirne von Menschen hacken kann.
Sie findet heraus, dass es sich um eine künstliche Intelligenz handelt, die aus sich selbst heraus im Internet entstanden ist. Am Ende vereinigt sie sich mit ihm und gründet eine neue posthumane Spezies.

Matrix (1999)

Die Menschen der Zukunft leben bewusstlos in einer Nährlösung in Techno-Kokons mit Implantaten an vielen Körperstellen, ihr Geist ist verbunden mit der Computer-Simulation der Matrix. Diese täuscht ein Leben um das Jahr 1999 vor. All die Anschlüsse im Körper werden brutal gezeigt, diese Cyborgs sind das Bild einer unterjochten und körperlich misshandelten Menschheit.
Allerdings nutzen einige Aktivisten um den Hacker Neo die Schnittstellen in ihren Körpern auch, um in die Matrix einzutauchen und dort an ihrer Revolution zu arbeiten. Matrix ist voller Motive aus "Ghost in the Shell".

I’m a Cyborg, But That’s OK (2006)

Eine Teenagerin wird in eine psychiatrische Klinik eingewiesen, weil sie glaubt ein Cyborg zu sein: Sie schneidet sich die Haut auf, um sich an eine Stromquelle anzuschließen, was als Selbstmordversuch interpretiert wird. Ansonsten unterhält sie sich mit Neonlampen oder Getränkeautomaten. Auf der Station verliebt sie sich in einen Schizophrenen, der vorgibt, sie reparieren zu können - und das in gewisser Hinsicht auch schafft.
Der Cyborg ist hier nicht echt und existiert nur im Selbstbild der Hauptfigur, die dadurch paradoxerweise in vielerlei Hinsicht menschlicher wirkt als die Nicht-Cyborgs um sie herum. Die Vorstellung des Mädchens, dass Zahnrädchen in ihrem Innern laufen und es allerlei Gadgets in seinem Körper eingebaut hat, wird hier eher spielerisch-leicht und märchenhaft in Pastelltönen dargestellt. Der Cyborg ist hier eine Identifikationsfigur für Menschen, die nicht recht in die Gesellschaft passen und verhilft ihnen mit dieser neuen Perspektive auf ihre Existenz zu Selbstbewusstsein.

Elysium (2013)

Max Da Costa (Matt Damon) lebt auf einer verslumten Erde, während die Reichen in der luxuriösen Raumstation Elysium im Erdorbit leben. Diese ist streng vom Rest der Weltbevölkerung abgeschottet. Elysium hat einen hohen Lebensstandard samt perfekter medizinischer Versorgung, während die Erdbewohner unter elenden Bedingungen ausgebeutet und von einer Roboter-Polizei mit KI-Justiz in Schach gehalten werden.
Schon als Kind träumt Max davon, nach Elysium zu gelangen. Dazu muss er sich technisieren. Als der Zeitpunkt gekommen ist, lässt er sich in einer Garage unter zweifelhaften hygienischen Bedingungen einige Cyborg-Erweiterungen einbauen, die ihm helfen, seinen Traum wahr zu machen. Der Cyborg-Traum, gepaart mit Hacker-Mentalität, hat sich hier verschoben zu einer Hoffnung auf Selbstermächtigung und Empowerment.

Ghost in the Shell (2017)

Das Remake mit Scarlett Johansson in der Hauptrolle benutzt bis ins Detail die gleichen Szenen und Motive wie der Vorgänger aus dem Jahr 1995, führt aber neue Figuren ein und erzählt eine vollkommen andere Geschichte: Die Hauptfigur ist im Grunde Frankensteins Braut.
Major, heute Ermittlerin für ein autoritäres Regime, erfährt, dass sie von diesem Regime gegen ihren Willen zum Cyborg gemacht wurde. Ihr wurde eine falsche Erinnerung eingepflanzt, wonach sie bei einem Terroranschlag schwer verletzt wurde. In Wahrheit war sie früher aber eine Dissidentin. Deshalb will sie ihre Erschafferin zur Rede stellen.
Der geheimnisvolle Hacker spielt hier eine untergeordnete Rolle, zur Vereinigung kommt es nicht. Das Remake reicht in vielen Details nicht an das Vorbild heran, was dessen philosophische Tiefe betrifft.
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