Zum hundertsten Todestag von Erik Satie

Musikalischer Humor mit Scharf

28:44 Minuten
Porträt der französischen Komponisten Erik Satie in schwarz-weiß.
Leiser Anarchist, ein lebenslang Fragender und auch Missverstandener: Der französische Komponist Erik Satie. © IMAGO / imagebroker / IMAGO / imageBROKER / Heinz-Dieter Falkens
Von: Matthias Nöther |
Vor hundert Jahren starb mit Erik Satie ein Revolutionär der Musik. Er nahm den pompösen Musikgeschmack der alten bürgerlichen Eliten aufs Korn. Im Gespräch spürt der Satie-Biograph Oliver Vogel der Musik und dem revolutionären Künstlertum Saties nach.
Satie war ein leiser Anarchist, ein lebenslang Fragender und auch Missverstandener. Was sollte man mit Stücken wie einer "Möbelmusik" anfangen? Seine "Gnossiennes" und "Gymnopédies" werden heute gerne unter "Easy Listening" einsortiert, während ihre Einfachheit einst so provokant war, dass sie dem Komponisten den Vorwurf des Dilettantismus einbrachte.

Kult der Armut in der Musik

Satie war in der Künstlerszene des Montmartre zuhause, der damals noch vor den Toren von Paris lag. Dort kultivierte er einen Habitus der Armut, zunächst in seinem äußeren Auftreten. Mit einem Freund zum Beispiel teilte er sich einen Anzug – was bedeutete, dass nur einer von beiden jeweils die gemeinsame Wohnung verlassen konnte.
Doch der Habitus der Armut fand ebenso in Saties frühen Kompositionen Eingang. Satie strebte in der Harmonik seiner Klavierstücke längere Zeit danach, eben nicht jenes reiche Beziehungsgeflecht von Akkorden zu entwickeln, aus denen zu seiner Zeit riesige musikalische Gedankengebäude erwuchsen. Satie ließ einzelne Akkorde einfach stehen, arm und anmutig. Er wollte durch diesen Habitus einer musikalischen Armut gleichzeitig ihren Eigenwert deutlich machen – und etwas, das jenseits der klassisch-romantischen Musiktradition zu suchen war.

Musikalische Bausteine

Das, was nach außen hin oft nach Beliebigkeit aussah, hatte sein Fundament in Saties sogenannter Katalogmethode. In diesem Katalog hielt Satie kurze musikalische Bausteine fest – Musikschnipsel, die nur aus einem bis drei Takten bestanden. Die Musikschnipsel konnten sich immer zu neuen Werken verbinden, ohne sich wirklich aufeinander zu beziehen – ohne auch zueinander in irgendeinem Spannungsverhältnis zu stehen. So zum Beispiel in den "Gotischen Tänzen" von 1892.

Späte Karriere

Die späte Karriere von Erik Satie begann mit dem Ballett „Parade“ – ein von dem Dichter Jean Cocteau angeregtes und von dem Kult-Impresario Sergej Diaghilew mit seinen Ballets Russes produziertes Tanzstück, das in den Feuilletons dem Kubismus zugeordnet wurde.
Ein schwieriger Erfolg 1917, denn das Publikum verwarf in dieser Kriegszeit das Sujet des lauten Zirkusgenres. Zwei Jahre später wurde das Stück besser aufgenommen. Oliver Vogel:

Das Entscheidende ist aber, dass Satie mit „Parade“ international sichtbar wurde. Die Ballets Russes haben ja getourt. Die waren in Spanien, die waren in Großbritannien, in Deutschland nicht, aber die sind in der ganzen Welt herumgereist und haben dieses Ballett bekannt gemacht und den Namen Saties.

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