Zum deutsch-polnischen Verhältnis

Von Michael Groth |
In der kommenden Woche macht Polens neuer Ministerpräsident Donald Tusk seinen Antrittsbesuch bei der Kanzlerin. Wer die Probleme im deutsch-polnischen Verhältnis nicht nur beklagen, sondern auch lösen will, der ist auf Offenheit und Vertrauen angewiesen.
Das Aufatmen, das zumindest einer der Brüder Kaczynski in Warschau nicht mehr den Ton angibt, ist spätestens seit heute auch in Berlin zu spüren.

Das deutsch-polnische Klima war - und ist - stets reizbar. Wer glaubte, die Lage habe sich nach dem Fall des eisernen Vorhangs, nach den damit verbundenen Festreden wesentlich verbessert, der musste sich nicht erst zum Amtsantritt der Kaczynskis vom Gegenteil überzeugen lassen.

Daran ändert auch die Tatsache nichts, das Berlin und Warschau nun als EU-Partner in Brüssel agieren. Das halbautoritäre Gehabe einiger polnischer Parteien, und die nationalistischen Untertöne hinterließen ihre Wirkung. Der Versuch der Regierungen Schröder und Merkel, die Kontakte dennoch so zu pflegen, wie es sich für große Nachbarn gehört, war aller Ehren Wert – eingebracht hat er – mit Blick auf die bilateralen Beziehungen- wenig.

Natürlich sind immer beide Seiten beteiligt. Schröders Kuscheln mit Putin, die russisch-deutsche Gaspipeline, die Polen außen vor lässt, nicht zuletzt das vor allem von den Vertriebenenverbänden propagierte "Zentrum gegen Vertreibung" in Berlin, all das schürt Ängste in Polen.

Ängste, die zwar rational kaum zu begründen sind, emotional aber umso schwerer wiegen. Noch vor einem Jahr hat Radoslaw Sikorski das Pipelinegeschäft als, wörtlich, "Ribbentrop-Molotow-Pakt" bezeichnet. Als neuer Außenminister will Sikorski nun ein, abermals Zitat, "neues Kapitel in den Beziehungen" öffnen. Skepsis bleibt da angebracht.

Immerhin, die Gelegenheit wäre da. In der kommenden Woche macht Sikorskis Chef, Polens neuer Ministerpräsident Tusk, seinen Antrittsbesuch bei der Kanzlerin. Wer die Probleme nicht nur beklagen, sondern auch lösen will, der ist auf Offenheit und Vertrauen angewiesen. Charakterzüge, die Ministerpräsident Kaczynski offenkundig fremd waren. Wenn der Eindruck nicht täuscht, werden Tusk und Angela Merkel hier eher gemeinsamen Boden finden.

Es hilft, dass die deutsche Regierung in diesem Zusammenhang bekräftigt, dass sie Entschädigungsforderungen nicht unterstützt, wie sie etwa die "Preußische Treuhand" im Namen von Vertriebenen erhebt. Werden hier letzte Zweifel beseitigt, könnte ein mögliches Vertriebenenzentrum die Rolle des permanenten Störfaktors verlieren. Auch wenn die Entscheidung über das Zentrum eine deutsche bleibt: Warschau sollte mitreden dürfen, der polnischen Kriegsopfer sollte hierzulande ebenfalls gedacht werden.

Schließlich muss der Streit über deutsches Kulturgut, das nach 1945 in Polen geblieben ist, endlich behoben werden. Die deutsche Forderung nach Rückgabe aller Berliner Bestände ist juristisch zwar möglich, politisch durchsetzbar ist sie nicht. Auch Polen hat Kulturgut verloren, nicht zuletzt durch die deutsche Besatzung. Hier ist Raum, aufeinander zuzugehen.

Letzteres ist entscheidend, falls Berlin und Warschau wirklich eine von Komplexen weniger belastete Beziehung wünschen, als dies bislang der Fall war. Dabei wird sich, zunächst auf polnischer Seite, vor allem der Stil ändern: am deutschen Geschick und an der Beharrlichkeit der Bundesregierung wird es liegen, ob sich schließlich auch der Kurs ändert. Die Chance ist da.