Zum 70. Geburtstag des Gitarristen

Mr. Blues Abi Wallenstein

Abi Wallenstein
Der Musiker Abi Wallenstein © imago/Hoch Zwei Stock/Angerer
Von Rebecca Hillauer  · 11.12.2015
Gitarrist Abraham Wallenstein, von allen aber nur Abi genannt, tourte mit Musikergrößen wie Axel Zwingenberger, Joe Cocker und Fats Domino. Dass auch immer wieder junge Menschen zu seinen Konzerten kommen, freut ihn am meisten. Kürzlich feierte "Abi" seinen 70. Geburtstag.
"Ja, ich werde oft gefragt, ob ich eher Deutschland oder Israel als meine Heimat sehe. Ich würde sagen, wenn ich in Israel bin, fühle ich mich zuhause. Und wenn ich in Hamburg bin oder an irgendeinem Ort, wo ich Musik mache, und wo diese besondere Atmosphäre entsteht – da fühle ich mich auch zuhause."
Abraham – kurz Abi – Wallenstein kommt am 8. Dezember 1945 in Jerusalem zur Welt. Seine Eltern, ein Arzt und eine Zahnarzthelferin, waren 1933 vor den Nazis nach Palästina geflüchtet. 1958 kehrt die Familie zurück, nach Neuss am Rhein. Sohn Abi spielt auf der Gitarre Rockmusik, bis ihm im Musikunterricht ein gewisser Louis Armstrong mit seinem "2:19"-Blues Herz und Ohren öffnet. Abi spielt nun Traditional Jazz, später Songs von den Stones und den Beatles. Mitte der 60er-Jahre geht er zum Soziologie-Studium nach Hamburg – gerade rechtzeitig. Denn dort schießen gerade überall Musikclubs aus dem Boden.
Abi schmeißt sein Studium, wird Siebdrucker und entscheidet sich schließlich ganz für seine Leidenschaft – mit und von der Musik zu leben. Weder als Musiker noch in der Schule in Neuss am Rhein, sagt Abi Wallenstein, hätte er am eigenen Leib Antisemitismus erfahren. Viel eher das Gegenteil:
"Das heißt, dass einige der Lehrer sich entschuldigt haben – also nicht entschuldigt haben, sondern sie haben gesagt, sie haben nicht gewusst, was damals passiert ist. Oder wenn sie es gewusst haben, dann haben Sie auf jeden Fall zu den Waggons Wasser gebracht für die Transporte. Und ich hatte immer in der Klasse eine besondere Stellung, weil man wurde auf so eine Art Podest erhoben. Es gab wirklich aus der damaligen Zeit bei mir keine Erinnerungen an offenen Antisemitismus, es war eher dieses leicht philosemitische, schlechte Gewissen."
Spenden für ein friedliches Zusammenleben in Palästina
Anlässlich seines 70. Geburtstag hat Abi Wallenstein zu einer großen öffentlichen Feier eingeladen. Seine Gäste hat er gebeten, anstelle von Geschenken Geld zu spenden – für ein Projekt in Israel, in dem Juden und Muslime gemeinsam Kindergarten bis zum Abitur durchlaufen.
"Also mir ist es sehr wichtig, dass Projekte und Gedanken unterstützt und gefördert werden, die auf ein friedliches Zusammenleben von Palästinensern mit einem eigenen Staat, wenn das im Mittelpunkt steht. Ich glaube, dass die Musik, die ich in Israel gehört habe – das war auch viel arabische Musik –, dass die eine große Rolle gespielt hat in meiner Empfänglichkeit für den Blues. Weil die Melodielinien, die Sprünge, die Intervalle finden sich auch im Blues wieder."
Bei allem Erfolg hat Abi Wallenstein sich seine persönliche Bescheidenheit und auf der Bühne eine natürliche Gelassenheit bewahrt. Am meisten freut ihn, dass er auf seinen Tourneen im Publikum immer weder auch ganz junge Gesichter entdeckt, und junge Musiker ihn nach bestimmten Gitarrengriffen fragen.
"Also die Blues-Fackel wird irgendwie weiter getragen, ich weiß auch nicht, wieso. Also es scheint so zu sein, dass der Blues immer wieder Leute auch heute berühren kann."
Für seine Musik hat Abi Wallenstein viele Preise erhalten. Zuletzt wurde er im September beim Lahnsteiner Blues-Festival mit dem "Blues Louis" geehrt. "Can't be satisfied" heißt ein Song seines Vorbilds Muddy Waters. So wie er ist Abi Wallenstein noch immer hungrig nach neuen Erlebnissen in der Musik.
"So eine Auszeichnung ist dann immer ein Moment, wo man so die ganzen Jahrzehnte zurückdenkt und rekapituliert. Und im Grunde tiefe Dankbarkeit empfindet, dass es einem gegönnt war, eben diesen Beruf, diesen Hobbyberuf, Berufung ausüben zu können – so lange und so intensiv. Und Blues ist zum Glück ja eine Musik, die man, ohne dass es peinlich wirkt, auch im Alter weitermachen kann. Also ich habe für mich den schönsten Beruf, den es überhaupt gibt."