"Zukunft heißt Innovation, Bildung und Nachwuchs"

Hans-Joachim Milberg im Gespräch mit Birgit Kolkmann |
Der Innovationsberater der Bundesregierung, Prof. Hans-Joachim Milberg, hat an die Teilnehmer des morgigen Bildungsgipfels appelliert, nicht länger über Zuständigkeiten zu streiten. Bildung und Ausbildung seien die zentralen Fragen für die Entwicklung unserer Gesellschaft und unserer Volkswirtschaft, sagte Milberg. Außerdem müsse die Vernetzung von Wissenschaft und Wirtschaft verbessert werden.
Birgit Kolkmann: Bildungsgipfel morgen in Dresden. Die Bundeskanzlerin ist zu Gast im Dresdner Chipwerk, da wo innovative Technik hergestellt wird und wo sich zeigt, dass Deutschlands Zukunft an gut ausgebildeten Fachkräften hängt und innovativen Ideen. Über lebenslanges Lernen soll auf dem Bildungsgipfel diskutiert werden. Aber die deutsche Wirtschaft und viele Bildungsvereinigungen über Hochschulverband und Lehrer wie Elternvertreter meinen: Das reicht nicht, schon gar nicht angesichts der sich abzeichnenden Wirtschaftsflaute nach der Bankenkrise. Innovationsberater der Bundesregierung ist der Präsident der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (Acatech) und BMW-Aufsichtsratschef Prof. Joachim Milberg. Schönen guten Morgen in der "Ortszeit"!

Hans-Joachim Milberg: Grüß Gott, Frau Kolkmann!

Kolkmann: Prof. Milberg, welchen ganz wichtigen Akzent muss denn der Bildungsgipfel nun angesichts der aktuellen Finanzkrise setzen?

Milberg: Na ja, ich denke, wir müssen erst mal sehen, wir leben wirklich in einer sehr kritischen Situation im Moment, und ich will die auch nicht schönreden. Aber irgendwann wird, wenn ich das mal so bildhaft sagen darf, der Rauch auch weg sein und dann wird man sich fragen, wie denn das zukünftige Wachstum erreicht werden kann. Und deshalb glaube ich, dass wir auch in dieser kritischen Situation an unsere Zukunft denken müssen und Zukunft heißt nun einmal Innovation und heißt Bildung und heißt Nachwuchs.

Kolkmann: Befürchten Sie denn, dass wegen des Rettungspaketes für die Banken nun auch die Investitionen in Bildung in Gefahr sind?

Milberg: Wenn man sich die jüngsten Zahlen anschaut, ich gehe jetzt mal von F-und-E-Ausgaben aus, dann waren die in 2006 durchaus höher als in 2005, und das ist ja erfreulich. Und ich würde mir natürlich sehr wünschen, dass wir jetzt nicht in dieser kritischen Situation in einen Wendepunkt hineinlaufen, sondern ich plädiere dafür, dass wir eben unsere F-und-E-Ausgaben, und das gilt natürlich auch genauso gut für die Bildungsausgaben und für die Nachwuchsförderung, in Linie halten. Und ich meine, wenn die Situation nicht so wäre, wie sie jetzt wäre, dann würde ich sagen, wir müssen uns einfach darauf einstellen, deutlich mehr für die Zukunft auszugeben und zu investieren, Ausgaben in Richtung Bildung und natürlich auch in Forschung und Entwicklung.

Kolkmann: Es fehlt das Fachpersonal, 20.000 Ingenieure allein in der Elektrotechnik. Wie dieses gigantische Loch an Fachkräften füllen, wo würden Sie ansetzen in der Bildungspolitik?

Milberg: Na ja, man muss zunächst mal sagen, dass dieses ja nicht erst jetzt aufgetaucht ist, sondern wir sehen, wenn man mal in die Vergangenheit schaut, dass wir in den letzten zehn, 15 Jahren einfach zu wenig Absolventen in den sogenannten MINT-Fächern haben, Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik. Und wir erkennen auch trotz der großen Anstrengungen, die in der Tat in der Vergangenheit unternommen worden sind, dass die Quote nicht deutlich besser geworden ist. Deshalb ist die Frage, was tun?

Ich glaube, wir müssen es schaffen, das Thema Technik, Naturwissenschaft noch stärker in unserer Gesellschaft als positive Chance auch für Berufswege zu verankern. Und ich denke, wir müssen weiterhin erkennen, dass wir möglicherweise viel früher in der Bildungskette anfangen müssen, Begeisterung für Technik zu wecken. Und ein dritter Punkt mag sein, es ist ja ein vielschichtiges Thema, dass es uns gelingen muss, mehr Frauen auch für technische und naturwissenschaftliche Studienrichtungen zu gewinnen.

Kolkmann: Man hat ja den Eindruck, dass sich in all diesen Fragen Bund und Länder in Bildungsfragen gegenseitig blockieren. Befürchten Sie das jetzt auch?

Milberg: Ich habe eine Bitte, die dahingeht, dass wir vor dem Hintergrund der Situation, dass letztlich Bildung und Ausbildung und Nachwuchs eine zentrale Frage für die Entwicklung unserer Gesellschaft und unserer Volkswirtschaft ist, dass wir nicht lange über Zuständigkeiten streiten, sondern uns aufraffen, wenn ich so sagen darf, zu einer gemeinsamen Aktion, mehr zu tun für Bildung und Nachwuchs.

Kolkmann: Acatech gibt es seit fünf Jahren und seit diesem Jahr sind Sie auch nationale Akademie der Technikwissenschaften, nun auch unter der Schirmherrschaft des Bundespräsidenten. Was, glauben Sie, haben Sie in den letzten Jahren schon zum Positiven aus Ihrer Sicht bewegen können? Hat sich ein Umdenken eingestellt auch in der Politik?

Milberg: Das ist natürlich eine Frage, die man besser von außen beantwortet als von innen, wenn ich das mal so sagen darf. Aber gleichwohl habe ich den Eindruck, dass unser Motto, das uns ja von Anfang an begleitet hat, nämlich dafür einzutreten, nachhaltiges Wachstum durch Innovationen möglich zu machen. Und vielleicht darf ich auch noch mal sagen, eine ganz wichtige gedankliche Kette besteht ja darin, deutlich zu machen, dass Wohlstand letztlich Beschäftigung braucht. Und Beschäftigung braucht Innovation und Innovation braucht Bildung. Und diese Kette und die besondere Bedeutung der Innovation für die zukünftige Entwicklung unseres Landes darzustellen, glaube ich, hat Acatech einen wichtigen Beitrag leisten können. Ich glaube, dass unsere Arbeiten mit dazu beigetragen haben, dass doch das Thema Innovation in den vergangenen Jahren wieder zu einem A-Thema geworden ist.

Kolkmann: Hat es auch dazu beigetragen, dass Wirtschaft und Wissenschaft, aber auch die Politik schließlich mit als Geldgeber besser zusammenarbeiten, sich vernetzt haben?

Milberg: Das ist natürlich ein ganz wichtiger Punkt, den Sie ansprechen, um das mal kurz zu sagen. Innovationen bedeuten ja erfolgreiche Umsetzung einer Idee, erfolgreiche Umsetzung in Form eines marktgängigen Produktes. Das heißt, der Begriff Innovation hängt schon ganz eindeutig damit zusammen, dass Wissenschaft und Wirtschaft zusammenarbeiten, die Idee, die Grundsatzidee, die Grundlagenidee aus der Wissenschaft und die Umsetzung in ein marktfähiges Produkt dann in der Wirtschaft, in der Industrie und am Markt.

Es ist eine permanente Aufgabe von uns allen, auch von Acatech, diese Vernetzung zu verbessern, weil sie letztlich noch sehr viel Potenzial hat und ich glaube, wir haben einiges dazu beitragen können und das ist ja auch ein Alleinstellungsmerkmal von Acatech, nämlich die Brücke zwischen Wissenschaft und Wirtschaft zu bilden und auch zu verbessern. Aber ich glaube auch, wenn wir in die Zukunft schauen, steckt hier noch eine Menge Potenzial.
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