Zukunft der Medizintechnik

Organe aus dem 3D-Drucker

Einen 3D-Drucker, der zum Beispiel zum Konstruieren von Blutgefäßen aus gezüchteten körpereigenen Zellen dient, stellt ein Unternehmen auf der Doppelmesse Biotechnica/Labvolution 2015 in Hannover vor.
Ein 3D-Drucker zum Konstruieren von Blutgefäßen aus gezüchteten körpereigenen Zellen. © picture alliance / dpa / Holger Hollemann
Von Anke Petermann · 20.05.2017
Hüftimplantate oder Schulterimplantate aus dem 3D-Drucker – im Operationssaal ist die Technologie schon längst angekommen. Wie realistisch auch irgendwann künstliche Organe wie Herz oder Lunge sind, das ist Thema auf einem Medizinkongress in Mainz.
Ein 3D-Drucker groß wie ein Kleiderschrank. Hinter einer Scheibe Lichtpunkte auf einer grauen Schicht. Wo sie auftreffen, staubt es ein wenig. Stephan Zeidler vom fränkischen Anlagen-Hersteller Concept Laser deutet auf den sogenannten Bauraum mit Schutzgas-Atmosphäre.
"In dem Fall sehen Sie einen Laser, der arbeitet und das Metallpulver, das vorher aufgetragen wurde, selektiv ausschmilzt."
Schichtweise entstehen so metallische Bauteile wie Zahn-Implantate,
"…Hüftimplantate, Schulterimplantate."
"3D-Druck - längst im Operationssaal angekommen", sagt Professor Bilal Al-Nawas, Leitender Oberarzt für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie der Unimedizin Mainz und Kongress-Präsident.
"Also, die Unfallchirurgen zum Beispiel bauen da bei einer Hüftkopf-Fraktur individuell gedruckte Ersatzmaterialien ein. Wir im Gesicht – also bei einem Pferdehuftritt kann man die gesunde Seite spiegeln und das wieder sehr schön rekonstruieren mit Hilfe individueller Titanplatten. Der Orthopäde, der vielleicht eine Kniegelenk-Prothese ersetzt, der nimmt die nicht mehr von der Stange und passt den Patienten an, sondern der nutzt den 3D-Druck, um eine individuelle Prothese an den Patienten zu bringen."

Hydrogel und lebende Zellen

Noch besser wäre, Material zu haben, das Knochen- oder auch Organgewebe ähnlich ist. Andreas Blaeser, Biomaterialforscher an der Uniklinik RWTH Aachen, hat eine Art Tintenstrahldrucker entwickelt, mit speziellen Kartuschen, versehen mit einer ultrafeinen Düse,
"…die es erlaubt, Einzeltropfen im Nano-Literbereich präzise abzusetzen. Wir laden in diese Kartuschen eine Biotinte hinein, im wesentlichen eine Mischung aus einem hoch wasserhaltigen Polymer-Netzwerk, einem sogenannten Hydrogel und lebenden Zellen, die wir aus humanen Nabelschnüren isolieren können, und dann in diese Kartuschen zusammen mit dem Hydrogel einbringen, um diese dann dreidimensional aufzubauen und verschiedene gewebeähnliche Strukturen nachzubilden."
Die Zellen brauchen so ein Hydrogel-Gerüst, so Martin Heller, Biologe und wissenschaftlicher Programm-Koordinator des Kongresses,
"um darauf wachsen zu können. Und das sind die Ansätze, die jetzt schon existieren. Das heißt, man hat Gerüste von einem Gefäßbaum und besiedelt diese mit Zellen, teilweise druckt man diese Strukturen auch schon zusammen mit den Zellen, und kann daraus die ersten Ansätze von z.B. Blutgefäßen sehen."

Begriff "Drucken" vereinfacht komplexe Produktion

Wie ein Nano-Gefäß auf einer Nano-Töpferscheibe wachsen sie. Ein schichtweiser Aufbau in sogenannter additiver Fertigung entsteht beim "Bioprinting". Der Begriff "Drucken" vereinfacht die komplexe Produktion grob. "Mit den Gefäßen sind wir in Tierversuchen schon weit", bilanziert der Mainzer Mediziner Bilal Al-Nawas, auch kleine Gewebe-Abschnitte von Muskeln könnten in den kommenden Jahren nachgebildet werden, glaubt der Kongress-Präsident. US-Wissenschaftler haben schon funktionsfähige Eierstöcke für Mäuse entwickelt. Der russische Forscher Vladimir Mironov testet eine gedruckte Schilddrüse in Versuchen mit Mäusen.
Al-Nawas: "Und jetzt haben wir natürlich ein bisschen Angst, dass jeder erwartet, dass wir morgen ein Herz drucken, und enttäuscht ist, wenn das nicht in zwei Jahren am Patienten ist."
Und Bedenken, so Al-Nawas, dass die neue Technologie tot gesagt wird, wenn sie Jahrzehnte braucht, um komplexe Organe wie Herz, Leber und Niere hervorzubringen. Pionier Mironov glaubt, dass mehr Geld investiert werden müsste, um diese Forschung zu beschleunigen. "20 Menschen in Europa sterben täglich", betont er auf dem Mainzer Kongress, "weil es kein Spender-Organ für sie gibt." In Deutschland sind es drei pro Tag.
Mehr zum Thema