Zukunft der FDP

Wirtschaftsliberalismus reicht nicht aus

Brandenburgs ehemaliger FDP-Chef Gregor Beyer stellte 2014 in Potsdam eine Wahlkampagne der FDP vor.
Aus dem Mangel an Erfolg versuchte die FDP, etwa in Brandenburg, eine lustige Werbekampagne zu machen. Geholfen hat das der Partei bislang nicht. © picture alliance / dpa
Von Rolf Schneider · 11.02.2015
Seitdem die FDP bei der Bundestagswahl 2013 gescheitert ist, ist es um die Partei ruhig geworden. Für die Bürgerschaftswahl in Hamburg hoffen die Liberalen auf einen Neuanfang. Der Schriftsteller Rolf Schneider aber glaubt nicht daran.
Den Freidemokraten, also der liberalen Partei in Deutschland, geht es nicht gut. Im Bundestag sind sie nicht mehr vertreten und in der Mehrzahl der 16 Landtage auch nicht. Ob sich in der Zukunft daran etwas ändern wird, darf bezweifelt werden.
Es ist dies nicht die erste Krise der FDP, doch mit Sicherheit ist es die bislang schwerste. Als Erklärung wird angeboten, der Partei fehle es an charismatischen Führungspersönlichkeiten, außerdem habe sie, durch taktisches Fehlverhalten in der jüngeren Vergangenheit, ihre Misere selbst verschuldet. Das mag so zutreffen. Die ganze Wahrheit ist es nicht.
Die ganze Wahrheit ist, dass die FDP, seit sie existiert, ein ständiger Gegensatz beschwert, der mehr ist als bloße Strömungen. Der Liberalismus hatte es in Deutschland niemals leicht.
Liberalismus als bürgerliches Gewächs
Das Scheitern der Revolution von 1848 bedeutete das Scheitern des deutschen Liberalismus. Die Reichseinheit und der vorsichtige Beginn des Parlamentarismus wurden durch feudal-konservative Kräfte, der Sturz der Monarchie 1918 durch Sozialisten herbeigeführt. Anderswo war Vergleichbares das Werk von Liberalen.
Die wollten und wollen immer zweierlei: die Freiheit der Märkte und die Freiheit der Gesellschaft. Beides kann zusammenwirken, indem eines das andere bedingt und befördert, zwingend ist das nicht. Es gibt auch wirtschaftliche Freiheit ohne politische Freiheiten, Beispiele finden sich etwa in Asien, bei Ländern wie Volkschina oder Singapur.
Der Liberalismus ist ein bürgerliches Gewächs. Er wollte das Ende feudaler Fesseln und die freie Entfaltung der Ökonomie. Wo er dies durchsetzen konnte, ist er bis heute eine bestimmende politische Kraft, so in der Schweiz mit den Freisinnigen oder in den USA mit der Demokratischen Partei.
Im nachmonarchistischen Deutschland, das war die Republik von Weimar, lief der Liberalismus immer nur so mit und dies in Gestalt von gleich zwei sehr unterschiedlichen Gruppierungen: der DVP, der Deutschen Volkspartei mit Gustav Stresemann als bekanntestem Politiker, und mit der DDP, der Deutschen Demokratischen Partei von Walther Rathenau.
Der Liberalismus der DVP war halbherzig, Stresemann, ungeachtet seiner außenpolitischen Verdienste, war lebenslang ein heimlicher Monarchist. Rathenau wurde von reaktionären Paramilitärs ermordet. Seine DDP blieb immer schwächer als die DVP.
FDP läuft eigener Vergangenheit hinterher
Die FDP nach 1945 hat das Erbe beider Vorgängerorganisationen angetreten und die zwischen ihnen bestehenden Unterschiede getreulich übernommen. Theodor Heuss und Thomas Dehler waren aufrechte Liberale, aber prägend für die Partei waren gleichermaßen der Ritterkreuzträger Erich Mende und der Alt-Nazi Ewald Bucher.
Der entschiedenste Versuch, den lähmenden Ballast der Deutschen Volkspartei abzuwerfen und die Tradition der Deutschen Demokratischen Partei anzunehmen, verantworteten Generalsekretär Karl-Hermann Flach und die damalige Parteiführung um Walter Scheel.
Es begann die Zeit der sozialliberalen Koalitionen. Die FDP begriff sich als linksbürgerliche Kraft. Der alte innerparteiliche Dualismus bestand freilich weiter, das konservative Element vertrat jetzt der Graf Lambsdorf, der die sozialliberale Koalition dann auch zu Fall bringen konnte.
Sein Geist prägt fortan die Partei. Linksliberale wie Gerhart Baum, Burkhard Hirsch und Hildegard Hamm-Brücher spielen keinerlei Rolle mehr. Der große Erfolg bei den vorletzten Bundestagswahlen ebenso wie die fürchterliche Niederlage beim letzten Urnengang gründeten auf die nämlichen, ausschließlich wirtschaftsliberalen Bestrebungen.
Der Wirtschaftsliberalismus in Deutschland ist durchgesetzt. Alle im Bundestag vertretenen Parteien huldigen ihm, mehr oder weniger. Die heutige FDP läuft bloß noch ihrer eigenen Vergangenheit hinterdrein.
Rolf Schneider stammt aus Chemnitz. Er war Redakteur der kulturpolitischen Monatszeitschrift "Aufbau" in Berlin (Ost) und wurde dann freier Schriftsteller.
Wegen "groben Verstoßes gegen das Statut" wurde er im Juni 1979 aus dem DDR-Schriftstellerverband ausgeschlossen, nachdem er unter anderem in einer Resolution gegen die Zwangsausbürgerung Wolf Biermanns protestiert hatte. Veröffentlichungen u.a. "November", "Volk ohne Trauer" und "Die Sprache des Geldes". Seine politischen und künstlerischen Lebenserinnerungen fasst er in dem Buch "Schonzeiten. Ein Leben in Deutschland" (2013) zusammen.
Der ostdeutsche Schriftsteller Rolf Schneider.
Der ostdeutsche Schriftsteller Rolf Schneider.© picture alliance / dpa / Klaus Franke
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