Zugezogen Maskulin: "10 Jahre Abfuck"

Kein Grund für Untergangsstimmung

09:42 Minuten
Die beiden Sänger sitzen in einem dunklen Raum mit roten Gardinen und schauen in die Kamera
Müde nach zehn Jahren, machen aber trotz Corona weiter: das Rap-Duo "Zugezogen Maskulin". © Sony Music
Grim104 und Testo im Gespräch mit Andreas Müller · 06.08.2020
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Das Rap-Duo "Zugezogen Maskulin" ist seit zehn Jahren bekannt für seine bissigen Texte. Das neue Album "10 Jahre Abfuck" drückt Ernüchterung aus. Aber verzweifeln wollen Grim104 und Testo nicht. Trotz Corona treten sie live auf.
Zehn Jahre. Schon oder erst? In der Musikbranche ist das, verglichen mit der Karriere anderer, nicht viel, aber wenn man Zugezogen Maskulin heute hört, wirkt es wie eine lange Zeit. "10 Jahre Abfuck" heißt denn auch das neue Album des Rap-Duos. Und darauf ist etwa ein Track dem Ausstieg gewidmet: "Ich träum schon lang nicht mehr vom Ruhm, nur von dir – und vom Exit", heißt es darin, und an anderer Stelle heißt es: "Ich bin so müde vom Ringen zwischen Kommerz und Kunst."
Das sei durchaus ernst gemeint, sagt Grim104. "Wenn man auf der einen Seite geile, coole Kunst machen möchte, aber sich auch die Taschen ordentlich vollmachen will, dann ist das ein ganz schöner Spagat – und Spagatmachen macht müde." Auch wenn die privaten Gewässer, der Tesla und die Villa am Stadtrand, von denen in den Lyrics die Rede ist, bislang ausgeblieben sind, machen sich die beiden Sorgen darum, dass die "Verbürgerlichung" die Kunst korrumpieren könne.

Anfangs verschenkten sie ihre Musik

Die zugezogenen Berliner haben im Jahr 2010 mit einer Gratis-EP angefangen, später gefolgt von einem Gratis-Album. Sie fielen auf mit ihren Texten, die die deutsche Hip-Hop-Szene ironisierten und sich kritisch mit gesellschaftlichen Problemen auseinandersetzten. Erst 2015 kam das offizielle Debütalbum auf den Markt.
Die Zehner-Jahre geben Anlass zum Rückblick: Wie war die vergangene Dekade? Testo sieht sie mit gemischten Gefühlen: "Wenn ich das vor Augen habe und mich damit beschäftige, neige ich zu dem Gedanken: Alles wird immer schlimmer, und wir steuern auf eine große Katastrophe zu. Aber ich sage das auch auf dem Album: Wird es immer schlimmer oder werde ich immer schlauer oder sehe ich die Dinge nur klarer? Ist es vielleicht immer schon schlimm gewesen und jetzt sind die Sachen für mich nur sichtbarer, weil ich mich damit beschäftige oder weil vieles vielleicht auch vorher unter einer Oberfläche gebrodelt hat?"

Nicht in Verbitterung abdriften

Ein Beispiel für das Brodeln in der Gesellschaft sei der Rechtsruck, die Unzufriedenheit der Menschen in Ostdeutschland, die unaufgearbeitete DDR- und Wende-Erfahrung. Die AfD habe es geschafft, sich das nutzbar zu machen.
Allerdings, sagt Testo, möge er keine Weltuntergangsfantasien. "Das ist eine ekelhafte Opferhaltung. Ich bemühe mich, da rauszukommen und zu sagen: Ja, die Sachen sind schlimm, aber wir haben es auch mit in der Hand, daran zu arbeiten, dass sich vielleicht auch Sachen verbessern." Daher wolle er nicht in Verbitterung abdriften.
Im Song "Tanz auf dem Vulkan" wird auch Antisemitismus, Rechtsterror und Coronakrise behandelt. Im Refrain heißt es: "Wenn die Schlagzeilen uns ins Mittelalter schrei’n, Armeen der Einzeltäter um die Wette knall’n, und keine Atemmaske mehr in den Regal’n, dann lass dich fall’n und tanz’ auf dem Vulkan."

Gefallen am bestuhlten Konzert

In der Coronazeit treten Zugezogen Maskulin live nur in wenigen Locations mit Hygienekonzept auf, wie etwa im Kino International in Berlin, wo es nur feste Sitzplätze und Sicherheitsabstand gibt. Darüber hinaus finden die Konzerte auch als Stream statt.
Grim104 findet das gar nicht so schlimm: "Ich habe mal über die Ramones gehört, dass sie es geliebt haben, in Japan zu spielen, weil es nur bestuhlte Säle gibt, und die Leute nur geklatscht und nicht Pogo getanzt haben. Je älter ich werde, desto mehr Gefallen finde ich an diesem Konzept."
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