Zufälle und Kettenreaktionen

Von Christian Berndt · 12.08.2012
Der brasilianische Regisseur Fernando Meirelles wurde 2002 schlagartig weltberühmt: mit "City of God", der von kriminellen Jugendlichen in einem Elendsviertel erzählt. Sein neues Werk "360", das nächste Woche in die Kinos kommt, ist ein Liebesfilm - inspiriert von Arthur Schnitzlers "Reigen".
"Hey, Michael, hier sind Sie. Wir haben Sie schon gesucht. – Wirklich"

Ausgerechnet jetzt trifft Michael den deutschen Geschäftsmann wieder. Michael ist auf Geschäftsreise in Wien, und gerade wollte er sich hier im Café mit einer Prostituierten treffen. Die Verabredung platzt, der schmierige Deutsche, gespielt von Moritz Bleibtreu, bekommt Wind davon und erpresst ihn. Irritiert ruft Michael seine Frau in London an. Seine zärtliche Nachricht auf ihrer Mailbox hat ungeahnte Folgen, denn Rose, die eine leidenschaftliche Affäre mit einem jungen Brasilianer begonnen hat, trifft eine Entscheidung:

"Hi. – Ich habe Dich vermisst. – Rui… - Mh? (küsst sie) - Ich muss mit Dir reden. – (weiterküssend) Ja? – Wir, wir müssen aufhören, es geht nicht, wir müssen aufhören. Kannst Du bitte was anziehen, bitte. - Was? (lacht) Ist nicht das erste Mal, dass Du ihn siehst, oder? – Wir haben keine Zukunft."

Rose beendet die Affäre, und als Michael wieder zurück in London ist, beginnt sich das entfremdete Paar wieder anzunähern.

"Gestern Abend habe ich Deine Nachrichten gehört. Du hast einsam geklungen. – Wirklich? – Ich habe gleich versucht, Dich anzurufen, aber es kam nur Deine Mailbox. Jedenfalls, ich fand sehr schön, was Du gesagt hast. – Was habe ich denn gesagt? – Dass Du Dir wünschst, ich wäre da. – Stimmt, das war so. – Das ist schön."

In Fernando Meirelles’ Film "360" sind es pure Zufälle, wie Michaels geplatzte Verabredung mit der Prostituierten, die das Leben der Figuren verändern. Und diese Zufälle lösen Kettenreaktionen aus, die wiederum Folgen für andere haben. Als Laura von der Affäre ihres Freundes Rui mit Rose erfährt, kehrt sie nach Brasilien zurück. Im Flugzeug trifft sie einen Mann, gespielt von Anthony Hopkins, dessen Tochter verschwunden ist:

"Darf ich fragen, warum? – Warum sie weggelaufen ist? – Ja. – Also, meine Tochter und ich haben dieselben Initialen, J. Eines Tages öffnete sie den falschen Brief und fand heraus, dass ich eine Affäre hatte. Sagte, wenn ich nicht Schluss mache, verriete sie es ihrer Mutter. Ich versprach natürlich Schluss zu machen, aber tat es nicht."

Eine fatale Entscheidung, die Tochter verschwand - und ist wahrscheinlich tot. Auch für Laura und den alten Mann wird diese Begegnung vieles verändern. Am Schluss ist wieder Wien der Schauplatz, der Kreis schließt sich, aber nichts ist mehr wie vorher.

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Linktipp:
Filmhomepage "360"