Zuckersteuer auf Softdrinks

Großbritanniens Kampf gegen Übergewicht

Wächter vor dem Buckingham Palace in London trinken Wasser.
Wasser statt Softdrinks ... für die Wachen vor dem Buckingham Palace in London. © imago / Andy Rowland
Von Friedbert Meurer |
Die Briten lieben Softdrinks. Die Folgen: Übergewicht und Zahnschäden. Für Getränke mit hohem Zuckergehalt zahlen die Hersteller deswegen seit drei Monaten eine Abgabe. Lässt sich gesunde Ernährung wirklich staatlich lenken?
Ganz in Weiß tanzen ein Dutzend Mädchen um einen bunt geschmückten Maibaum. Die Sonne scheint auf das Stadtteilfest in Ham im Londoner Südwesten. Um den Durst zu löschen, bietet sich der Stand mit der kühlen selbstgemachten Limonade an.
"Wir haben aus dem Saft einen Sirup gemacht. Dazu frische Pfefferminz-Blätter aus dem Garten und Zitronen vom Supermarkt. Das alles kommt hier in den Krug. Das ist nicht so schwer."
Die Russell Primary School, eine Grundschule ganz in der Nähe, betreibt den Stand mit der selbstgemachten Limonade. In einem sind die Eltern sich einig: Soft Drinks oder Fizzy Drinks, wie sie hier heißen, also Fanta, Cola oder Sprite, wären zu ungesund.
"Ich persönlich versuche, auf Zucker zu verzichten. Ich will auch, dass meine Kinder gesunde Zähne haben. Ich finde deswegen die Zuckersteuer für Softdrinks gut."
"Meine Kinder trinken Wasser, ab und zu Orangensaft oder gesprudeltes Wasser mit Zitronensaft und Honig. Ich kaufe keine gezuckerten Getränke. Vielleicht mal zu besonderen Anlässen, dann ja."

"Wenn es hilft, finde ich das gut"

Die "Sugar Tax", also Zuckersteuer, auf Softdrinks finden die meisten Eltern gut. Die Steuer sende die richtige Botschaft aus.
"Die Frage ist nur, ob die Leute dann weniger davon kaufen. Aber die Botschaft finde ich gut."
"Vielleicht müssen hier drastische Maßnahmen ergriffen werden. In unserem Land wird zu viel Zucker konsumiert. Wenn es hilft, finde ich das gut."

Hersteller ersetzen Zucker durch Süßstoff

Es gibt in der Tat erste Anzeichen dafür, dass die Zuckersteuer auf Softdrinks Wirkung zeigt. Laut einer Studie des britischen Gesundheitsministeriums ist der Zuckeranteil in Softdrinks um zwölf Prozent zurückgegangen. Die Getränkehersteller weichen auf andere Süßstoffe aus. Zum Vergleich: Bei Cornflakes oder Schokoriegeln, für die die Regierung mit der Industrie lediglich freiwillige Ziele vereinbart hat, ist der Zuckeranteil gerade einmal um ein bis zwei Prozent gefallen.
Die Befürworter der "Sugar Tax" fühlen sich damit bestätigt, vor allem der britische Kochbuch-Autor Jamie Oliver. Er war einer der prominentesten Vorkämpfer für die Steuer.


"Kinder und Jugendliche konsumieren Zucker vor allem über Softdrinks. Deswegen glaube ich an die Zuckersteuer, die vielleicht eine Milliarde Pfund pro Jahr an Steuereinnahmen einbringt. Das Geld können wir für Gesundheitskampagnen ausgeben. Es ist aber auch eine symbolische Maßnahme. Wenn das Problem so schlimm geworden ist, dann müssen wir die Spielregeln ändern."
Der britische Koch Jamie Oliver kocht am 6. Dezember 2017 in Hamburg in der One Kitchen Kochschule.
Befürworter der Zuckersteuer: Starkoch Jamie Oliver.© Axel Heimken / dpa

Geschätzt 280 Millionen Euro bringt die Zuckersteuer

Die Steuer ist zweckgebunden, sie fließt in das nationale Gesundheitssystem. Aber Olivers Annahme, die "Sugar Tax" würde eine Milliarde Pfund einbringen, erweist sich wohl als zu optimistisch. Viele Hersteller ersetzen den Zucker durch Süßstoffe und umgehen so die Steuer. Experten gehen jetzt von einer Einnahme von nur noch 250 Millionen Pfund im Jahr aus, also etwa 280 Millionen Euro.

Im europäischen Vergleich zählen britische Jugendliche zu denen mit dem meisten Übergewicht. Und Zucker greift die Zähne an, warnt Sandra White vom britischen nationalen Gesundheitsamt.
"Alle zehn Minuten wird einem britischen Kind ein fauler Zahn im Krankenhaus gezogen. Es ist eine echte Tragödie. Deswegen ist die Steuer wichtig im Kampf gegen Übergewicht und gegen Zahnfäulnis."

Bevormundung des Bürgers?

Aber es gibt auch Einwände gegen die Steuer. Innerhalb der konservativen Partei gab es erheblichen Widerstand. Die Tories sind grundsätzlich gegen neue Steuern – und gegen die Bevormundung der Eltern. Der Abgeordnete Jacob Rees-Mogg erklärte im Unterhaus:
"Ich bin gegen die Zuckersteuer, weil die Regierung mir nicht sagen muss, wie viel Zucker ich meinen Kindern geben darf. Das Steuersystem ist nicht dafür da, uns vorzuschreiben, wie wir zu leben haben."
Für Rees-Mogg und gleichgesinnte Parlamentarier könnte es aber noch schlimmer kommen. Die Zuckersteuer für Getränke ist drei Monate nach ihrer Einführung weitgehend akzeptiert, obwohl Softdrinks teurer wurden: eine Cola-Dose zum Beispiel um umgerechnet etwa zehn Cent. Die Debatte geht jetzt weiter. Die Zuckersteuer könnte auch auf andere Lebensmittel ausgeweitet werden, zum Beispiel auf Schokoriegel.

Beim Sommerfest in Ham hat zum Abschluss ein Schönheitswettbewerb für Hunde begonnen. Oscar ist der Hund von Franziska Orphal, die den Stand mit der selbstgemachten Limonade organisiert hat. Orphal ist eine Deutsche, die ihren Kindern allenfalls ab und an eine Dose Sprite oder Cola erlaubt. Dann aber gibt sie schmunzelnd zu, dass auch die selbstgemachte Limonade eine wahre Zuckerbombe ist – hergestellt von einer Nachbarin.
"Sie hat sie gemacht mit 80 Zitronen und sechs Kilo Zucker. Da kann man sich ausrechnen, wie hoch der Zuckergehalt ist."
Pro Liter selbstgemachter Limonade sind das 150 Gramm Zucker – und damit eineinhalb bis doppelt so viel wie bei Limonade aus dem Supermarkt.

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