Zu weit vom Leben entfernt

Von Carsten Probst |
Für Sabrina van der Ley, die Künstlerische Leiterin des "Art Forums", stand schon nach dem ersten Tag fest, dass die Berliner Kunstmesse 2007 ein Erfolg ist: Besucheransturm, glückliche Gesichter bei den Galeristen und viele Verkäufe, die wachsende Aufmerksamkeit durch bedeutende Sammler, ein Zuwachs an internationalen Ausstellern.
Und vielleicht ist es ja sogar wahr, was in den letzten Tagen kolportiert wurde, dass das Art Forum seine Mutter, die "Art Cologne", im Stellenwert für den deutschen Kunstmarkt inzwischen überrundet hat. Wer über die Messe ging, konnte den Eindruck haben, dass sich das Spektrum der Positionen und Tendenzen erweitert hat, dass das Konzept der Überschaubarkeit und strengen Auslese allmählich greift.

Und dennoch kann das Art Forum auch 2007 die Notwendigkeit seiner Existenz nicht restlos zwingend belegen. Solange die Kasse und allgemeiner Trend stimmen, wird es weitermachen. Der immanente Widerspruch in seiner Grundkonzeption bleibt aber bestehen. Er besteht darin, dass diese Messe einerseits auf Qualität, andererseits auf betont junge Kunst setzt, junge Künstlerinnen und Künstler, die eine herausragende Qualität haben, aber naturgemäss selten sind. Eine ganze Messe lässt sich damit nicht bestreiten.

So kommt es, dass das Art Forum immer wieder wie ein stehender Kompromiss wirkt: Entweder jung, aber nicht wirklich aktuell . Oder man verliert sich doch wieder in den bekannten Trends und büsst damit seine Eigenheit ein. Das ganz eigene Gesicht fehlt dieser Messe nach wie vor, schon der nichtssagende Titel dieses Jahres, "About Beauty", zeigte das.

Die spielerische Ungezwungenheit, mit der manch andere Messen mitunter durchaus das Unfertige, Unsichere der heutigen Kunstkriterien ausstellen, vermisst man in Berlin. Die Kunst auf dem Art Forum ist - etwa im Vergleich mit der Londoner "Frieze" - immer noch zu weit vom Leben, von der Stadt entfernt.

Drei Dinge waren bemerkenswert an dieser Messe: Der Rückzug der sogenannten Neuen Leipziger Schule und ihrer Adepten. Selbst die Galerie eigen + art setzte eher auf romantisch-botanische Motive von Yehudith Sasportas, die derzeit mit ihren Grossformaten im Israelischen Pavillon auf der Biennale in Venedig reüssiert.

Viele Galerien scheinen ohnehin vermehrt auf hybride Bildformen zu setzen, keine reine Fotografie, Malerei, Skulptur mehr, sondern Mischformen, die erstaunlich oft mit blumigen Ornamenten versetzt sind - so als wollte diese Kunst lediglich damit kokettieren, was alles inzwischen nicht mehr geht. Ratlosigkeit macht sich breit.

Ein Gewinn war dagegen die von Ami Barak kuratierte Sonderschau "House Trip", in der nicht nur Gefälligkeiten gezeigt wurden, sondern viel neues. Eine Videoinstallation des Ägypters Wael Shawky mag dafür als bestes Beispiel dienen, in der er mit eindringlicher Stimme die Miriam/Marien-Suren aus dem Koran in einer Schweizer Barockkirche liest und den christlich geprägten Betrachter dadurch zwischen vertrauten und fremden Identitäten schwanken lässt. Vielleicht versteht es die Messe ja in Zukunft, mehr von solchen sensibleren Inhalten in den Markt zu integrieren? Ausgemacht ist das nicht.