"Zu viele Krankenhäuser, zu viele Krankenbetten"

Gerd Billen im Gespräch mit Hanns Ostermann |
Der Vorsitzende des Bundesverbands der Verbraucherzentralen, Gerd Billen, hat sich für einen Abbau von Krankenhausbetten ausgesprochen. Deutschland habe zu viele Krankenhäuser, das System sei zu teuer, sagte Billen anlässlich der heutigen Großdemonstration zur besseren Krankenhausfinanzierung in Berlin.
Hanns Ostermann: Ärzte arbeiten 60 Stunden, Patienten sind nur noch ein Kostenfaktor, für den man zu wenig Zeit habe. Diese Kritik hört man immer wieder. Was also bleibt zu tun? Darüber möchte ich mit Gerd Billen sprechen. Er ist Vorsitzender des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen. Guten Morgen, Herr Billen!

Gerd Billen: Guten Morgen!

Ostermann: Was schlagen Sie vor, um die Lage an den Krankenhäusern grundlegend zu verbessern?

Billen: Ich glaube, es müssen zwei Dinge passieren. Zum einen brauchen wir schon eine bessere finanzielle Ausstattung der Krankenhäuser. Und das Angebot der Gesundheitsministerin finde ich deswegen auch in Ordnung. Wir können nicht ständig zulasten von Ärzten, aber auch von Patienten verfahren. Auf der anderen Seite ist das System insgesamt noch zu teuer. Wenn ich mir ansehe, wie viel Krankenhausbetten wir in Deutschland haben pro 1000 Einwohner und das in Vergleich setze zu Frankreich oder anderen Ländern, muss man sagen, wir haben zu viele Krankenhäuser, zu viele Krankenbetten und hier sind noch Einsparpotenziale, die nicht zulasten der Ärzte und auch nicht zulasten der Patienten gehen.

Ostermann: Sie gehen von einer Überversorgung aus, was die Krankenhäuser bei uns in Deutschland betrifft. Aber die Frage ist doch, ob längere Wege, insbesondere von älteren Menschen, ob die in Kauf genommen werden können?

Billen: Ich glaube, dass wir eine Versorgung brauchen, dass wir gute Krankenhäuser haben, die eine Grundversorgung leisten können und dann sicher Krankenhäuser, die sich auf bestimmte Krankheiten spezialisieren. Und ich meine, dass viele, viele Patienten und auch viele Verbraucher durchaus die Bereitschaft haben, wenn es um spezielle Dinge geht, dann auch einige Kilometer mehr auf sich zu nehmen. Hier sehe ich bei den Verbrauchern nicht das große Problem.

Ostermann: Herr Billen, trotzdem. Sind Hausärzte und ambulante Pflegedienste wirklich in der Lage, ein Krankenhaus mit seiner Infrastruktur zu ersetzen?

Billen: Sie können sie nicht in allen Dingen ersetzen. Aber wir haben ja auch gesehen, dass die Liegezeiten in Krankenhäusern bei einer ganzen Reihe von Fällen deutlich verringert werden können, ohne dass darunter die Betreuungsqualität leiden muss. Krankenhäuser brauchen wir, wir brauchen eine gute Grundversorgung. Aber es sind durchaus noch Möglichkeiten durch Zusammenlegen, durch Spezialisieren, Geld zu sparen, das Ärzten, aber auch Patienten am Ende zugute kommen kann.

Ostermann: Verstehe ich Sie richtig, dass man möglicherweise in bestimmten Kliniken eine größere Spezialisierung vornehmen sollte und von daher gesehen der Patient dann nicht mehr in verschiedene Krankenhäuser, sondern ganz gezielt in ein besonderes fahren sollte?

Billen: Wir geben insgesamt in Deutschland im Jahr 50 Milliarden Euro für Krankenhäuser aus. Und ich schätze, hier ist bestimmt ein Sparpotenzial von vier, fünf Milliarden Euro nach wie vor vorhanden, das zurzeit nicht genutzt wird, weil wir Krankenhäuser unterhalten, die teilweise zu teuer sind, die sich nicht genügend spezialisieren. Und deswegen wäre ein Weg, eine stärkere Spezialisierung bei ganz bestimmten Erkrankungen. Und auf der anderen Seite eben eine angemessene Grundversorgung zu machen. Die Ärzte, die Städte wollen ja insgesamt, dass sieben Milliarden zusätzlich ausgegeben werden für die Krankenhausfinanzierungen. Das führt zu einer deutlichen Erhöhung der Krankenversicherungsbeiträge, die wir als Verbraucher und Verbraucherinnen leisten müssen. Und ich plädiere hier nur dafür, sich ganz nüchtern anzusehen, ob man auch durch strukturelle Änderung dazu beitragen kann, dass man diesen Zuwachs einfach in Grenzen hält.

Ostermann: Gehört zu diesen strukturellen Änderungen, von denen Sie sprechen, möglicherweise gehört dazu auch der Aspekt flachere Hierarchien?

Billen: Flache Hierarchien ist ein wichtiger Punkt. Auch die Frage, ob es so sinnvoll ist, wie wir das heute haben, dass Ärzte viel mit Bürokratie beschäftigt sind, viele Formulare ausfüllen müssen, auch Krankenschwestern häufig mehr am Schreibtisch sitzen, als bei den Patienten sind. Hier sind sicher große Potentiale, Arbeitsabläufe zu vereinfachen, Dinge effizienter zu machen, Kosten zu sparen, ohne dass es auf Kosten der Qualität geht.

Ostermann: Nun sind Verbraucherzentralen dazu da, das sagt ja schon der Name, uns Verbraucher zu beraten und zu schützen. Wir Konsumenten sind aber zugleich auch Patienten. Könnte darin nicht ein gewisser Widerspruch bestehen?

Billen: Ich glaube, im Gesundheitswesen haben wir diesen Widerspruch nicht. Wir sehen ja, welche Fragen, welche Beschwerden Verbraucher an uns herantragen, die nun in Krankenhäusern waren oder Dienstleistungen in Anspruch genommen haben. Wir sind mitbeteiligt an einem Portal, in dem jeder Verbraucher, jeder Konsument gucken kann, wie ist es um die Qualität eines Krankenhauses bestellt. Es kann natürlich ein Widerspruch bestehen, dass in der Patientenrolle wir immer eine 150-prozentige Versorgung immer auf dem neuesten Stand der Technik für alle möglichen Krankheiten haben möchten. Aber es muss ja eben auch von uns in einer anderen Rolle bezahlt werden. Und hier wollen wir schon darauf achten, dass der Anstieg der Beiträge im Rahmen bleibt und nicht dann erfolgt, wenn noch Potenziale zum Einsparen, noch Effizienzpotentiale vorhanden sind.

Das Gespräch mit Gerd Billen können Sie bis zum 25. Februar 2009 in unserem Audio-on-Demand-Angebot nachhören. MP3-Audio