Zu früh gefreut

Von Andreas Kolbe, Deutschlandfunk |
Am 9. Dezember wird der Euro gerettet, wieder einmal! Denn dann steht das nächste Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs in Brüssel an. Und es darf schon jetzt darauf gewettet werden, dass auch auf diesem Gipfel die Schuldenkrise wieder ganz oben auf der Agenda steht.
Wie schon bei allen anderen Zusammenkünften dieser Art in diesem Jahr. Denn die Ergebnisse des nächtlichen Verhandlungsmarathons sind zwar ein Schritt in die richtige Richtung. Von einem Durchbruch in Sachen Schuldenkrise kann allerdings nicht die Rede sein.

Wieder einmal haben Merkel, Sarkozy und Co. vor allem an den Symptomen und Folgen der Krise herumgedoktert, mit dem Schuldenschnitt für Griechenland, mit der Stärkung der Banken und der Hebelung des Euro-Rettungsfonds. Beim eigentlichen Kernproblem, der enormen Verschuldung der meisten öffentlichen Haushalte in Europa, gab es jedoch wieder nur zaghafte Vorstöße und – insbesondere mit Blick auf Schuldenschwergewicht Italien – wage Versprechungen, deren Einlösung so sicher ist, wie die Rückzahlung der italienischen Staatsschulden selbst: nämlich gar nicht.

Der Euro muss nicht in Brüssel gerettet werden und nicht in Athen, sondern in Rom. Kippt Italien, dann wird auch die Billion nicht mehr reichen, auf die der Rettungsschirm nun aufgepumpt wird, heißt es aus dem Umfeld der Bundesbank. Doch die Regierung Berlusconi ist sich der Tragweite ihres Handelns offenbar nicht bewusst. Schon die Frage nach einer Anhebung des Rentenalters hat die Koalition fast zerrissen. Zu glauben, dass die jetzt von Berlusconi in Aussicht gestellten Strukturreformen auf dem Arbeitsmarkt oder die angedachten Privatisierungen jemals Wirklichkeit werden, ist eine Illusion.

Mit den Gipfelbeschlüssen von Brüssel haben sich die Euro-Staaten also wieder einmal Zeit erkauft. Zeit, die sie nutzen müssen, um den Druck auf Italien und andere kriselnde Euro-Länder weiter zu erhöhen. Steuerreformen sind dringend nötig, um die Staatsfinanzen zu sanieren. Die Länder müssen die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Wirtschaft verbessern und in Infrastrukturprojekte und Bildung investieren.

Nur mit solchen konkreten wirtschafts- und finanzpolitischen Maßnahmen können die europäischen Regierungen das verlorengegangene Vertrauen der Kreditgeber langfristig zurückgewinnen. Pensionskassen, Staatsfonds und Versicherer weltweit sitzen auf Milliardenbeträgen, die sie vor allem gern sicher anlegen wollen. Trotz Teilkaskoversicherung aus dem Euro-Rettungsschirm werden sie dabei um Wackelkandidaten wie Italien vermutlich weiter einen großen Bogen machen. Das Risiko, eines Tages doch wie in Griechenland Opfer eines Schuldenschnitts zu werden, bleibt zu groß.

So wird der gehebelte Rettungsfonds vor allem jene Investoren anlocken, die selbst gern mit Hebel arbeiten: Investmentbanken, Hedgefonds und Spekulanten. Das Geld dieser kurzfristig orientierten Anleger mag die Situation jetzt beruhigen, wie erste Jubelreaktionen von der Börse zeigen. Ob die Beruhigung aber anhält bis zum nächsten Euro-Rettungs-Gipfel im Dezember? Wetten darauf können ab sofort abgegeben werden.

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