Zollitsch: Katholische Kirche verzichtet auf Entlassungen

Robert Zollitsch im Gespräch mit Leonie March |
Die katholische Kirche will trotz der Wirtschaftskrise und den zurückgehenden Kirchensteuereinnahmen keine Mitarbeiter entlassen. Einsparungen müssten auf anderen Ebenen erzielt werden, sagte Erzbischof Robert Zollitsch zum Abschluss der Bischofskonferenz.
Leonie March: Mit einer gemeinsamen Erklärung haben die deutschen Bischöfe auf die Verunsicherung und die öffentliche Kritik reagiert. Sie verurteilen die umstrittenen Positionen der Pius-Bruderschaft, Holocaust-Leugnung und Antisemitismus, und fordern sie auf, sich ernsthaft davon zu distanzieren. Das sei bislang nicht geschehen, hieß es zum Abschluss der Frühjahrstagung in Hamburg. Am Telefon begrüße ich jetzt den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, den Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch. Guten Morgen!

Robert Zollitsch: Guten Morgen!

March: Vor der Konferenz haben Sie vor einem Riss in der Katholischen Kirche in Deutschland gewarnt. Werden Sie diesen Riss mit der gemeinsamen Erklärung verhindern können?

Zollitsch: Wir deutschen Bischöfe sind uns einig in dieser Sicht und auch in der Beurteilung der Situation, denn für uns ist ganz klar, dass das, was etwa Bischof Williamson oder auch Herr Schmidberger zum Holocaust gesagt haben oder zur Stellung zu den Juden, für uns unannehmbar ist, und wir sind uns in dieser Beurteilung völlig einig, wir deutschen Bischöfe. Wir sind uns auch einig, dass es kein Zurück geben wird hinter das Zweite Vatikanische Konzil, und wir haben deswegen auch die Gläubigen eingeladen, gemeinsam den Weg nach vorne gehen und auf der Grundlage des Zweiten Vatikanischen Konzils dann die Kirche weiter zu erneuern und auch in die Gesellschaft hineinzuwirken. Das ist das positive Signal, das wir den Gläubigen geben, und wir haben diese Erklärung einstimmig verabschiedet.

March: Das Hauptthema der Bischofskonferenz war aber ja nicht die Kirchen-, sondern die Wirtschaftskrise. Sie haben eine Neuordnung angeregt nach dem Vorbild der sozialen Marktwirtschaft. Ist das eher ein Wunsch oder eine realistische Forderung?

Zollitsch: Wir sehen ja, wie viele betroffen sind von der Wirtschaftskrise und welche Ängste da sind, und wir haben jetzt alle erfahren müssen, dass die reine Marktwirtschaft etwa nach amerikanischem Muster oder wie sie auch Margaret Thatcher in England vertreten hat, dass die nun nicht nur an ihre Grenze, sondern an das Ende gekommen ist, denn das Ganze ist implodiert, und wir werden die eigentlichen Folgen ja erst bis im Sommer so richtig überschauen können.

Wir brauchen die Marktwirtschaft, wir brauchen Freiheit, wir brauchen auch Gewinne. Ohne Gewinne kann es keine Arbeitsplätze, keine Sicherung, keine neuen Arbeitsplätze geben. Aber wir brauchen auch Leitplanken, denn Freiheit braucht Ordnung, und Ordnung braucht Werte. Wir sind der festen Überzeugung, dass das, was wir in Deutschland im Sinne der sozialen Marktwirtschaft entwickelt haben, diesen Forderungen entspricht, auch wenn die soziale Marktwirtschaft stets neu gestaltet werden muss.

Denn was in der freien, reinen Marktwirtschaft fehlt, das ist etwa der Blick auf den Nächsten, denn ich muss auch stets daran denken: Es kann nicht nur so gehen, dass ich Gewinne machen will, der, der etwa 15 oder 25 Prozent Rendite erwartet, muss ja überlegen, woher das kommt; ich muss auch an den denken, der das bezahlen muss. So ist es wichtig, dass wir neu entdecken, dass nicht nur Eigentum, wie es im Grundgesetz heißt, sozialpflichtig ist, sondern auch Geld, das ich habe, und dass jeder, der finanzielle Mittel hat, dann auch überlegen muss, wie er sie verantwortlich einsetzt.

Da ist dann stets auch an den zu denken, der weniger hat. Es ist hier an die Solidarität mit dem Ganzen zu denken und an die gesellschaftlichen Auswirkungen, die solche Aktionen dann haben. Darum meinen wir, dass es wichtig ist – und ich hoffe auch, dass der G20-Gipfel in London das schaffen wird -, dass es Leitplanken gibt für die Finanzströme, für den Einsatz des Geldes, und dass dann Weltbank, Weltwährungsfonds und die verschiedenen Institutionen, die wir schon haben, dann es fertig bringen, nicht nur Leitplanken zu setzen, sondern auch das System ein Stück weit dann auch zu beobachten, ja in mancher Beziehung zu überwachen. Wir brauchen da jetzt eine neue Weltwirtschaftsordnung.

March: Das heißt, Sie fordern nicht nur eine systemische, sondern auch eine moralische Erneuerung in der Finanz- und Wirtschaftswelt. Inwiefern kann die Politik denn auch hier die Weichen stellen für die moralische Erneuerung?

Zollitsch: Es ist ja interessant, dass wir jetzt tatsächlich im Zusammenhang mit der Finanzmarktkrise dann etwas entdeckt haben, an das man früher wenig dachte, nämlich dass die Wirtschaft auch von Vertrauen lebt, dass sie vom Vertrauen lebt, das eine Bank zur anderen hat, und vom Vertrauen zu den Mitarbeitern, und das eigentliche Kapital dann ja auch der Mensch ist und nicht nur das Geld.

Die Politik kann insofern mithelfen, dass sie nun versucht, etwa auf Weltebene, auf dem Gipfel der G20, dann tatsächlich solche Leitplanken aufzustellen, Vorgaben zu machen und auch dafür zu sorgen, ja es zu sichern, dass dann diese Vorgaben auch eingehalten werden. Darum ist die Politik gefordert, die Politik selber. Es sind nicht diejenigen, die dann auch selber wirtschaftliche Unternehmungen leiten, aber sie haben die Ordnung vorzugeben und haben darauf zu achten, dass diese Ordnung eingehalten wird.

March: Sehen Sie dafür die entsprechenden Anzeichen?

Zollitsch: Ich bin froh, dass die Bundeskanzlerin auch da die Initiative ergriffen hat und dass sie selber nun sich dafür aktiv einsetzt, und ich hoffe, dass jetzt die neue Regierung in den USA dann auch hier jetzt entdeckt hat, in welche Katastrophe sie uns geführt haben, und dass sie dann entdeckt hat, dass es diese Leitplanken braucht, auch ein Stück Ordnungspolitik. Und wenn es uns gelingt, dass neben der Europäischen Union die USA und vor allem auch China mitziehen, dann, glaube ich, sind wir ein gutes Stück vorangekommen.

March: In Krisenzeiten wie diesen suchen die Menschen ja Unterstützung, auch bei den Kirchen. Was können sie denn zur Bewältigung der Finanz- und Wirtschaftskrise beitragen?

Zollitsch: Wir können einerseits daran erinnern, worauf es entscheidend ankommt, und auch an den Menschen erinnern. Und wenn wir sagen, dass der Mensch im Mittelpunkt des Ganzen stehen muss, dann ist das schon mal eine entscheidende Aussage. Und dann müssen wir daran erinnern, dass eben nicht über den Menschen hinweg das Geld ausgegeben werden kann oder gewirtschaftet werden kann, dass immer auf den Menschen geachtet werden muss und auch auf das, wie sich das Wirtschaften und alles Unternehmertum auswirkt auf die gesamte Gesellschaft. Da haben wir eine Mahnfunktion, eine Wächterfunktion, und wir haben uns natürlich auch um die Menschen zu kümmern, die etwa dann von Arbeitslosigkeit betroffen sind, und diese Sorge geht da sehr stark durch unser Land.

March: Sie haben bereits in Hamburg gesagt, dass die Wirtschaftskrise auch finanzielle Auswirkungen auf die katholische Kirche haben wird. Sie rechnen mit weniger Kirchensteuereinnahmen. Welche weiteren Konsequenzen gibt es?

Zollitsch: Wir überblicken das Ganze natürlich noch nicht, aber wir müssen leider davon ausgehen, dass die Zahl der Arbeitslosen zunimmt und die Kirchensteuereinnahmen, die hängen ja nun an der Einkommens- und Körperschaftssteuer, so dass wir davon ausgehen müssen, dass die zurückgehen. Wir können das noch nicht genau überschauen. Das wird aber im Sommer der Fall sein.

Wir stellen uns innerlich darauf ein, dass wir unseren Haushalt dann so gestalten, dass wir nicht Menschen entlassen müssen, die bei uns im Dienst sind, sondern dass wir die dann notwendigen Sparmaßnahmen auf anderen Ebenen, etwa im Bereich der Immobilien und dieser Elemente, vornehmen, damit nicht wir das falsche Signal setzen, als würden wir uns nicht um die Menschen kümmern.

March: Der Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch. Er ist der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz. Ich danke Ihnen für das Interview!

Zollitsch: Ich danke auch. Einen schönen Tag.