„Ziviler Notstand“ in der Ewigen Stadt
Roms Bürgermeister möchte die Stadt zur europäischen Kulturmetropole Nummer eins machen. Er will neue Museen eröffnen und eine Messe für zeitgenössische Kunst. Aufgaben wie Straßenerneuerung, Grünflächenpflege oder ein funktionierendes System des öffentlichen Verkehrs bleiben dabei zum Ärger der Bevölkerung auf der Strecke.
Mit einem öffentlichen Verkehrsmittel durch Rom. Durch Roms historisches Zentrum. Die Buslinie 64 fährt auch durch die Via Nazionale. Eine der Hauptverkehrsadern von Rom. Fahrgäste haben das Gefühl, als ob das Verkehrsmittel über einen Acker fahren würde: der Bus holpert hin und her und kämpft gegen die zahlreichen Löcher im Apshalt und im Kopfsteinpflaster.
Mediziner raten, wegen der vielen Straßenlöcher, schwangeren Frauen im dritten Monat vom Fahren mit einem Moped und auch mit einem Linienbus ab, um keinen ungewollten Schwangerschaftsabbruch zu riskieren. In Rom, meint die Architektin Gae Aulenti, kümmere man sich um alles Mögliche, aber nicht um die konkreten Probleme:
" Das gilt auch für Mailand. Schauen wir doch nach Paris oder London. Das sind Metropolen, wo die Dinge besser funktionieren. Städte, die genau so groß sind wie Rom. Wieso wird dort etwas unternommen und hier nicht? "
Wieso, fragt die international bekannte Architektin, wird in der italienischen Hauptstadt immer nur geredet und geredet und die Straßen, um bei diesem Beispiel zu bleiben, sind so schlecht, das jede Fahrt mit dem Bus oder dem PKW zu einer unvergesslichen Wackeltour wird – lebensgefährlich für Fahrrad- und Mopedfahrer.
Gae Aulenti: " Praktisches Handeln sollte doch eigentlich der Alltag sein in der Kommunalpolitik. Restaurieren, Pflegen Instandhalten – wenn das nicht geschieht, dann wird hier doch alles zerstört, dann zerstört sich alles selbst. "
Roms Bürgermeister Walter Veltroni sieht das sicherlich auch so, aber er scheint Wichtigeres im Sinn zu haben als ordinäre Straßenlöcher, nicht funktionierende öffentliche Verkehrsmittel und andere Probleme. Veltroni geht es um das Image seiner Stadt, erklärt er uns in seinem Büro mit Blick auf das Forum Romanum, und da ist ihm nichts zu teuer und zu aufwendig:
" Ich glaube, dass ich für meine Stadt eine Menge getan habe, als Kulturminister und als Bürgermeister. Ich habe Museen wiedereröffnet, die geschlossen waren: Galeria Borghese, den Palazzo Altemps und den Palazzo Massimo. Ich habe möglich gemacht, dass Römer und Touristen über die römischen Foren bummeln können, alles mit nur einer Eintrittskarte. Ich habe verschiedene Kinos wiedereröffnet und eine Kaserne in ein Museum für moderne Kunst umgewandelt. Ich glaube also schon, dass ich meiner Stadt gezeigt habe, wie konkret ich arbeiten kann. "
Soweit Walter Veltroni. Doch die Realität sieht ein wenig anders aus. Sicherlich, der linke Bürgermeister tut viel für die Kultur, doch wird man den Eindruck nicht los, dass er sich um konkrete Probleme wie zum Beispiel die Situation der Straßen nur wenig kümmert. Veltroni scheint sich mehr für Filmfestivals und neue Aufsehen erregende Bauten zu interessieren – für die seine Stadtverwaltung viele Millionen Euro locker macht.
Bauten, wie die von ihm angesprochene Ex-Kaserne, die seit Jahren von der Architektin Zara Hadid in ein Museum umgebaut wird. Hadid erklärte bereits, dass sie nie wieder in Rom bauen werde, denn noch nie habe sich wegen des aufwendigen bürokratischen Prozedere ein Projekt so lange hingezogen. Auch Norman Forster, der ein neues Museum für den Ara Pacis-Friedensaltar entwarf, erklärte, dass er aus diesem Grund nie mehr ein römisches Projekt annehmen werde.
Walter Veltroni plant weitere Museen. Ein komplettes ehemaliges Fabrikviertel im Süden der Stadt soll Europas größte Baustelle innerhalb eines Stadtzentrums werden. Geplant sind neue städtische Verwaltungsbauten und Museen und bald soll es auch eine neue Messe für zeitgenössische Kunst geben. Bürgermeister Veltroni will seine Stadt, nach eigenen Worten, zur europäischen Kulturmetropole Nummer eins machen. Dafür will er einen Großteil aller Gelder ausgeben, die ihm zur Verfügung stehen:
" Der große Vorteil von Rom ist, dass wir hier alles haben: von den Bauten Kaiser Trajans bis hin zur zeitgenössischen Malerei. Diese Größe müssen wir hervorheben und zu unserem Markenzeichen machen. "
Fragt man römische Bürger was sie von diesem kulturpolitischen Hyperaktivismus halten und von einem Bürgermeister, der sich gar nicht mehr für die ganz normale Kommunalpolitik mit ihren unangenehmen Themen wie zum Beispiel Straßenerneuerung und Pflege der heruntergekommenen Grünflächen, um ein funktionstüchtiges System öffentlicher Verkehrsmittel und eine effizientere Verkehrspolitik zu kümmern scheint, stößt man immer öfter auf Kritik:
" Hier kümmert sich jeder nur um seinen eigenen Kram, und wir Bürger tragen unsere Wut mit uns herum. Wir leben hier in einem permanenten zivilen Notstand.“
Das ist in keiner Weise übertrieben. Eine Umfrage ergab, dass über 50 Prozent aller Römer Veltronis Kulturinitiativen zwar gut finden, es aber besser fänden, wenn Roms Bürgermeister sich mehr um die konkreten Probleme seiner Stadt kümmern würde.
Wie bereits unter Veltronis Vorgänger, dem heutigen italienischen Kulturminister und Vize-Ministerpräsident Francesco Rutelli, versprechen Roms Bürgermeister immer dann ganz viele kulturpolitische Großprojekte, wenn sie den Sprung in die nationale Politik machen wollen. Rutelli versprach in der zweiten Hälfte seiner Amtszeit als römischer Bürgermeister 100 neu gestaltete Plätze. Verwirklicht wurden nur knapp 30.
Sein Nachfolger Veltroni – der nur zu gern bald schon neuer italienischer Regierungschef oder zumindest Sekretär der neuen demokratischen Partei werden möchte – verspricht immer neue Kulturprojekte und modernste Architektur. Schon beschwört er Rom als europäische Hauptstadt der zeitgenössischen Bauwerke.
Viele schöne Worte aber wenig Fakten, meint auch der römische Stararchitekt Massimiliano Fuksas. Er entwarf ein neues Kongresszentrum, das schon vor zwei Jahren fertig gestellt sein sollte – und mit dessen Bau noch gar nicht begonnen wurde. Während Roms erste Bürger tolle Ideen haben, leiden die Römer an kommunalen Infrastrukturen, die die hohe Politik nicht zu interessieren scheint.
Mediziner raten, wegen der vielen Straßenlöcher, schwangeren Frauen im dritten Monat vom Fahren mit einem Moped und auch mit einem Linienbus ab, um keinen ungewollten Schwangerschaftsabbruch zu riskieren. In Rom, meint die Architektin Gae Aulenti, kümmere man sich um alles Mögliche, aber nicht um die konkreten Probleme:
" Das gilt auch für Mailand. Schauen wir doch nach Paris oder London. Das sind Metropolen, wo die Dinge besser funktionieren. Städte, die genau so groß sind wie Rom. Wieso wird dort etwas unternommen und hier nicht? "
Wieso, fragt die international bekannte Architektin, wird in der italienischen Hauptstadt immer nur geredet und geredet und die Straßen, um bei diesem Beispiel zu bleiben, sind so schlecht, das jede Fahrt mit dem Bus oder dem PKW zu einer unvergesslichen Wackeltour wird – lebensgefährlich für Fahrrad- und Mopedfahrer.
Gae Aulenti: " Praktisches Handeln sollte doch eigentlich der Alltag sein in der Kommunalpolitik. Restaurieren, Pflegen Instandhalten – wenn das nicht geschieht, dann wird hier doch alles zerstört, dann zerstört sich alles selbst. "
Roms Bürgermeister Walter Veltroni sieht das sicherlich auch so, aber er scheint Wichtigeres im Sinn zu haben als ordinäre Straßenlöcher, nicht funktionierende öffentliche Verkehrsmittel und andere Probleme. Veltroni geht es um das Image seiner Stadt, erklärt er uns in seinem Büro mit Blick auf das Forum Romanum, und da ist ihm nichts zu teuer und zu aufwendig:
" Ich glaube, dass ich für meine Stadt eine Menge getan habe, als Kulturminister und als Bürgermeister. Ich habe Museen wiedereröffnet, die geschlossen waren: Galeria Borghese, den Palazzo Altemps und den Palazzo Massimo. Ich habe möglich gemacht, dass Römer und Touristen über die römischen Foren bummeln können, alles mit nur einer Eintrittskarte. Ich habe verschiedene Kinos wiedereröffnet und eine Kaserne in ein Museum für moderne Kunst umgewandelt. Ich glaube also schon, dass ich meiner Stadt gezeigt habe, wie konkret ich arbeiten kann. "
Soweit Walter Veltroni. Doch die Realität sieht ein wenig anders aus. Sicherlich, der linke Bürgermeister tut viel für die Kultur, doch wird man den Eindruck nicht los, dass er sich um konkrete Probleme wie zum Beispiel die Situation der Straßen nur wenig kümmert. Veltroni scheint sich mehr für Filmfestivals und neue Aufsehen erregende Bauten zu interessieren – für die seine Stadtverwaltung viele Millionen Euro locker macht.
Bauten, wie die von ihm angesprochene Ex-Kaserne, die seit Jahren von der Architektin Zara Hadid in ein Museum umgebaut wird. Hadid erklärte bereits, dass sie nie wieder in Rom bauen werde, denn noch nie habe sich wegen des aufwendigen bürokratischen Prozedere ein Projekt so lange hingezogen. Auch Norman Forster, der ein neues Museum für den Ara Pacis-Friedensaltar entwarf, erklärte, dass er aus diesem Grund nie mehr ein römisches Projekt annehmen werde.
Walter Veltroni plant weitere Museen. Ein komplettes ehemaliges Fabrikviertel im Süden der Stadt soll Europas größte Baustelle innerhalb eines Stadtzentrums werden. Geplant sind neue städtische Verwaltungsbauten und Museen und bald soll es auch eine neue Messe für zeitgenössische Kunst geben. Bürgermeister Veltroni will seine Stadt, nach eigenen Worten, zur europäischen Kulturmetropole Nummer eins machen. Dafür will er einen Großteil aller Gelder ausgeben, die ihm zur Verfügung stehen:
" Der große Vorteil von Rom ist, dass wir hier alles haben: von den Bauten Kaiser Trajans bis hin zur zeitgenössischen Malerei. Diese Größe müssen wir hervorheben und zu unserem Markenzeichen machen. "
Fragt man römische Bürger was sie von diesem kulturpolitischen Hyperaktivismus halten und von einem Bürgermeister, der sich gar nicht mehr für die ganz normale Kommunalpolitik mit ihren unangenehmen Themen wie zum Beispiel Straßenerneuerung und Pflege der heruntergekommenen Grünflächen, um ein funktionstüchtiges System öffentlicher Verkehrsmittel und eine effizientere Verkehrspolitik zu kümmern scheint, stößt man immer öfter auf Kritik:
" Hier kümmert sich jeder nur um seinen eigenen Kram, und wir Bürger tragen unsere Wut mit uns herum. Wir leben hier in einem permanenten zivilen Notstand.“
Das ist in keiner Weise übertrieben. Eine Umfrage ergab, dass über 50 Prozent aller Römer Veltronis Kulturinitiativen zwar gut finden, es aber besser fänden, wenn Roms Bürgermeister sich mehr um die konkreten Probleme seiner Stadt kümmern würde.
Wie bereits unter Veltronis Vorgänger, dem heutigen italienischen Kulturminister und Vize-Ministerpräsident Francesco Rutelli, versprechen Roms Bürgermeister immer dann ganz viele kulturpolitische Großprojekte, wenn sie den Sprung in die nationale Politik machen wollen. Rutelli versprach in der zweiten Hälfte seiner Amtszeit als römischer Bürgermeister 100 neu gestaltete Plätze. Verwirklicht wurden nur knapp 30.
Sein Nachfolger Veltroni – der nur zu gern bald schon neuer italienischer Regierungschef oder zumindest Sekretär der neuen demokratischen Partei werden möchte – verspricht immer neue Kulturprojekte und modernste Architektur. Schon beschwört er Rom als europäische Hauptstadt der zeitgenössischen Bauwerke.
Viele schöne Worte aber wenig Fakten, meint auch der römische Stararchitekt Massimiliano Fuksas. Er entwarf ein neues Kongresszentrum, das schon vor zwei Jahren fertig gestellt sein sollte – und mit dessen Bau noch gar nicht begonnen wurde. Während Roms erste Bürger tolle Ideen haben, leiden die Römer an kommunalen Infrastrukturen, die die hohe Politik nicht zu interessieren scheint.