Zimmermann: Kulturpolitik hat an Bedeutung gewonnen
Olaf Zimmermann im Gespräch mit Jürgen König · 11.08.2009
Die Kulturpolitik hat an Bedeutung gewonnen - zu diesem Schluss kommt der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, Olaf Zimmermann, nach Auswertung eines Fragenkataloges, der allen Parteien vorgelegt wurde. So hätten sich außer der Union alle dafür ausgesprochen, ein Staatsziel Kultur im Grundgesetz zu verankern.
Jürgen König: Was wollen Sie in der nächsten Legislaturperiode kulturpolitisch bewegen, welche Schwerpunkte wollen Sie setzen? Das fragte im März der Deutsche Kulturrat die im Bundestag vertretenen Parteien. Ein umfangreicher Fragenkatalog war das und die Antworten, die es gab, die stellt der Kulturrat heute vor. Am Telefon ist Olaf Zimmermann, der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrats. Herr Zimmermann, guten Morgen!
Olaf Zimmermann: Einen schönen guten Morgen!
König: Sie haben da sehr viele und sehr komplexe Themengebiete angesprochen. Hatten Sie den Eindruck, dass die Fragen auch mit der gebotenen Sorgfalt, will sagen, Ernsthaftigkeit, Konkretheit, beantwortet wurden oder doch auch mit Allgemeinplätzen und bloßen Absichtserklärungen?
Zimmermann: Na gut, ein bisschen Allgemeinplätze sind immer dabei, aber wenn ich mir so die Wahlprüfsteine – wir machen das ja schon seit vielen Bundestagswahlen –, wenn ich mir das so anschaue, ist es so ernsthaft nur ganz selten bisher beantwortet worden. Also, die Parteien haben sich wirklich viel Mühe gegeben, auch wirklich auf unsere Fragen zu antworten und nicht so auszuweichen.
König: Kann man daraus den Schluss ziehen, dass kulturelle Fragen für die Parteien wichtiger geworden sind?
Zimmermann: Ich glaube schon, ich glaube, dass ja Kulturpolitik überhaupt auf der Bundesebene an Bedeutung gewonnen hatte. Vor der letzten Bundestagswahl gab es ja nur noch eine Partei, die das in Zweifel gezogen hat, das war die Union gewesen, die noch nicht so ganz genau wusste, ob sie denn auf der Bundesebene wirklich so etwas auch haben wollte wie Kulturpolitik. Aber die hat ja nun auch ganz erfolgreich Kulturpolitik in den letzten vier Jahren betrieben, das heißt, die hat sich auch mit diesem Thema versöhnt, und so hat auch sie sich jetzt auch wirklich in die Bresche geschmissen und sich auch für Kulturpolitik auf der Bundesebene ausgesprochen.
König: Gut, aber gleichwohl, der Wahlkampf fängt ja jetzt erst langsam richtig an, aber man muss doch schon feststellen, dass die Kultur darin bisher überhaupt keine Rolle gespielt hat, auch in den Reden der Spitzenpolitiker Kultur selten bis gar nicht vorkommt.
Zimmermann: Das ist richtig. Bisher ist es nur einmal wirklich der Fall gewesen, dass Kulturpolitik so etwas ganz Entscheidendes war, das war der erste Wahlkampf unter Gerhard Schröder, wo er eben auch einen Kulturstaatsminister in sein Schattenkabinett – damals mit Michael Naumann – aufgenommen hat, der also es wirklich funkeln ließ und der auch eine Debatte ausgelöst hat, ob man denn auf der Bundesebene das überhaupt darf.
Sonst wird ja Kulturpolitik sehr oft doch ein bisschen leiser und auch im Hintergrund gemacht, und deswegen muss man sich, glaube ich, auch mehr die Zwischentöne anhören. Es sind in der Regel nicht die Spitzenpolitiker, es sind nicht die Kanzlerkandidaten, die in erster Linie die Kulturpolitik machen, sondern es sind wirklich die Fachpolitiker, die in unserem Bereich die Arbeit machen und deswegen ist es aber ganz wichtig, was die denn in der nächsten Legislaturperiode tun wollen.
König: Lässt sich zusammenfassend denn sagen, worin sich die Parteien in ihren kulturpolitischen Vorstellungen grundsätzlich voneinander unterscheiden?
Zimmermann: Ich glaube, man kann schon feststellen, dass es in bestimmten Bereichen deutliche Unterscheidungen gibt, also, nimmt man zum Beispiel den Bereich der kulturellen Bildung, da sagt die Union zum Beispiel sehr klar: Das ist eigentlich gar nicht Sache des Bundes, das ist weiterhin Sache der Länder. Alle anderen Parteien sind da deutlich anderer Meinung.
Oder nimmt man zum Beispiel das Staatsziel Kultur, da haben wir ja in den letzten Monaten heftig drum gekämpft, dass im Grundgesetz quasi eine Aufforderung hineingeschrieben wird, dass wir einen Kulturstaat haben und dass man die Kultur besonders schützen und fördern muss. Da sagt nur noch die Union, dass sie das Staatsziel Kultur nicht haben will. Alle anderen Parteien – ohne Ausnahme – sagen, in der nächsten Legislaturperiode wollen wir das Staatsziel Kultur im Grundgesetz haben.
König: Was ja auch schon einigermaßen bemerkenswert ist, dass nur noch die Union dagegen ist.
Zimmermann: Wäre dieser Sinneswandel ein paar Wochen früher da gewesen, dann hätten wir jetzt schon das Staatsziel Kultur im Grundgesetz, weil nämlich diese Parteien die Dreiviertelmehrheit zusammenbekommen hätten, die sie notwendigerweise für eine Grundgesetzänderung gebraucht haben. Aber so ist das eben im Wahlkampf, aber wir werden die Parteien natürlich in der nächsten Legislaturperiode kräftig daran erinnern, dass sie jetzt gesagt haben, wir wollen ein Staatsziel Kultur, und nur die Union die einzige ist, die letztendlich nicht mitmachen will.
König: Sie haben das Amt des Kulturstaatsministers angesprochen, Sie fragen auch in Ihrer Umfrage danach. Soll dieses Amt beibehalten werden oder soll ein Bundeskulturministerium eingerichtet werden? Wie stehen die Parteien dazu?
Zimmermann: Ja, erst mal sagen alle Parteien, dass dieses Amt beibehalten werden soll, also, keiner will mehr in die Zeit zurück, wie wir auf der Bundesebene überhaupt keine kulturpolitische Struktur in der Regierung gehabt haben. Aber es ist so, dass die FDP, die Linken und auch die SPD sich vorstellen könnten, dass diese Person Kabinettsrang hätte. Das könnte so weit gehen, dass man auch ein eigenes Bundeskulturministerium schaffen würde. Dieses wird nur – und zwar ganz grundsätzlich – von Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt.
König: Nebenbei gefragt: Welche Erfahrung, Herr Zimmermann, haben Sie eigentlich gemacht mit diesem Amt? Ist der Kulturstaatsminister ein wirklicher Ansprechpartner geworden oder wird im Zweifelsfalle doch gern darauf verwiesen, dass Kultur ja doch Ländersache sei?
Zimmermann: Ich glaube, dass dieses Amt wirklich ein sehr erfolgreiches Amt ist, die zehn Jahre, in denen es jetzt dieses Amt gibt, hat sich also auch die Struktur sehr positiv entwickelt. Er ist der Ansprechpartner im Bundeskanzleramt mit unmittelbarem Draht entweder zum Kanzler oder zur Kanzlerin, und es hat sich schon gezeigt, dass es eigentlich für uns eine unverzichtbare Struktur ist. Die Frage stellt sich auch für uns wirklich überhaupt nicht, ob wir auf dieses Amt verzichten könnten, sondern es ist absolut notwendig.
Für uns stellt sich vielmehr die Frage: Reicht es aus? Und da wäre ich schon sehr zweifelnd. Ich glaube, dass wir in der Zukunft viele Aufgaben zu bewältigen haben, die man mit deutlicherer Stärke, auch in der Bundesregierung, nur anpacken kann. Da muss man auch auf Augenhöhe mit den anderen Ministern, mit dem Justizminister, mit dem Innenminister, mit dem Wirtschaftsminister verhandeln können, und dafür wäre es sehr, sehr positiv, wenn die Kultur auch wirklich Kabinettsrang hätte.
König: Gehen wir noch mal auf einige Details Ihrer, wie Sie es nennen, Wahlprüfsteine zur Bundestagswahl 2009 ein. Über das Urheberrecht zum Beispiel wurde in den letzten Monaten sehr viel gestritten und diskutiert. Wie schlägt sich das in den Programmen der Parteien nieder?
Zimmermann: Also, erst mal sagen alle Parteien, dass die Digitalisierung, vor der wir ja alle stehen – das heißt, dass unsere Kulturgüter immer mehr und immer öfter im Internet gehandelt werden und dort entweder gegen Geld verkauft werden, aber auch sehr oft leider eben nicht gegen Geld, sondern illegal quasi verschoben werden –, dass das eines der brennenden Themen ist, mit denen sich die Politik in der nächsten Legislaturperiode beschäftigen muss.
Das ist sehr positiv, dass man also auch sieht, dass die Rahmenbedingungen in diesem Bereich unbedingt angepasst werden müssen an die Entwicklung, und dafür gibt es natürlich auch verschiedene Modelle. Eines dieser Modelle ist die sogenannte Kulturflatrate, also, dass man sagen würde, die Nutzer des Internets bezahlen eine bestimmte Gebühr, einmal im Monat, einmal im Jahr oder wie auch immer, und dafür dürfen sie dann auf eine bestimmte Anzahl von kulturellen Inhalten zugreifen und dürfen sie auch ohne weitere Bezahlung quasi nutzen.
Und das ist ganz spannend, da sagen zum Beispiel die Grünen: Genau eine solche Kulturflatrate, die wollen wir. Die Linken und die SPD sagen, das muss jetzt sehr genau geprüft werden aber sie sind nicht grundsätzlich ablehnend, was diese Kulturflatrate angeht. Die FDP und die CDU/CSU sind da eindeutig dagegen und sagen, die Kulturflatrate kommt mit uns überhaupt nicht in Frage.
Also, das heißt, dort gibt es – und das ist mir auch noch mal ganz wichtig, weil man immer so sagt, ja, in der Kulturpolitik, gibt es denn da wirklich eigentlich Unterschiede? Ja, die gibt es, gerade bei so einem wichtigen Thema wie der Kulturflatrate, da kann man es sehen. Es ist ein Unterschied, ob man sich für oder gegen die Kulturflatrate ausspricht, also ob man zum Beispiel noch nicht einmal die Kulturflatrate prüfen will. Das, finde ich, ist schon eine Frage, die die Kulturschaffenden und die Kulturwirtschaft interessieren muss, weil wir natürlich für die Zukunft auch Möglichkeiten haben müssen, dass mit der Verwertung unserer kulturellen Güter auch im Internet noch der ein oder andere Euro zu verdienen ist.
König: Aber sind diese Unterschiede so gravierend, dass einzelne Parteien wirklich die Möglichkeit haben, sich mit kulturpolitischen Themen ein eigenes Profil zu schaffen? Und wenn ja, welche Partei ist Ihrer Meinung nach die, die das in Ihrem Sinne beste kulturpolitische Profil hat?
Zimmermann: Die zweite Frage, die kann ich so nicht beantworten und zwar nicht, weil ich nicht persönlich vielleicht einen Favoriten hätte, sondern weil das einfach der Rolle des Kulturrates überhaupt nicht entsprechen würde. Wir sind da wirklich überparteilich, wir legen das als Information vor und sagen, bitte alle, die sich für Kultur interessieren, schaut euch das an und bildet euch selbst eine Meinung, ob ihr das eine oder die andere Partei besser findet, wen ihr denn wählen wollt. Natürlich …
König: Wobei ich nicht gefragt habe, wen Sie wählen werden, sondern welche Partei das in Ihrem Sinne beste kulturpolitische Profil hat.
Zimmermann: Ja, aber das ist schwierig zu sagen. Sie finden das, wenn Sie sich die Antworten auf unsere Fragen anschauen, da gibt es Parteien, die gerade im Bereich der Sozialpolitik Sachen machen, wo ich sagen würde, super, die dann aber im Bereich des Urheberrechtes möglicherweise Positionen haben, wo ich sagen würde, na ja, finde ich nicht so unbedingt auf der Höhe der Zeit, oder im Bereich der kulturellen Bildung wieder anders dasteht.
Man muss das wirklich – gerade auch bei der Kulturpolitik der Parteien – sehr differenziert sehen. Man muss sich das anschauen. Sicherlich ist das nicht eines der Hauptpunkte für die Parteien auf der Bundesebene, aber ich finde, was wirklich sichtbar wird, ist, dass es von zunehmender Bedeutung für die Partei ist, wie sie sich in diesem – eher kleineren, aber für uns sehr wichtigen Bereich – positionieren.
König: Alles zusammengenommen scheinen Sie ganz zufrieden zu sein mit den Ergebnissen Ihrer Umfrage?
Zimmermann: Ja, weil ich natürlich schon – das ist ja auch meine Aufgabe – über die Wahl hinaus gucken muss. Das heißt, für uns ist es ja die Aufgabe – wie auch immer die Konstellation in der nächsten Bundesregierung sein wird, also wer mit wem eine Koalition abschließen muss –, wir wollen ja schauen, dass die Kultur geschützt wird und dass es dort auch eine Weiterentwicklung bei den Rahmenbedingungen gibt.
Und jetzt habe ich, wenn Sie so wollen, einen ganzen Baukasten zur Verfügung, wo ich also einzelne Punkte herausnehmen kann und kann – egal, wie die Koalition auch immer zusammengestellt wird in der nächsten Bundesregierung – den verschiedenen Parteien sagen: Aber ihr habt das doch gesagt oder ihr habt jenes doch gesagt oder ihr habt dem Deutschen Kulturrat doch dieses versprochen, jetzt könnt ihr doch dann nicht mehr zurückgehen. Und ich hoffe natürlich, dass die eine oder andere positive Äußerung, die man bei den Antworten auf unsere Wahlprüfsteine findet, man nachher auch im Koalitionsvertrag wird nachlesen können.
König: Was die Parteien kulturpolitisch bewegen wollen, hat der Deutsche Kulturrat untersucht. Die Ergebnisse sind nachzulesen ab heute auf der Internetseite www.kulturrat.de. Ich sprach mit dem Geschäftsführer des Deutschen Kulturrats Olaf Zimmermann, ich danke Ihnen!
Olaf Zimmermann: Einen schönen guten Morgen!
König: Sie haben da sehr viele und sehr komplexe Themengebiete angesprochen. Hatten Sie den Eindruck, dass die Fragen auch mit der gebotenen Sorgfalt, will sagen, Ernsthaftigkeit, Konkretheit, beantwortet wurden oder doch auch mit Allgemeinplätzen und bloßen Absichtserklärungen?
Zimmermann: Na gut, ein bisschen Allgemeinplätze sind immer dabei, aber wenn ich mir so die Wahlprüfsteine – wir machen das ja schon seit vielen Bundestagswahlen –, wenn ich mir das so anschaue, ist es so ernsthaft nur ganz selten bisher beantwortet worden. Also, die Parteien haben sich wirklich viel Mühe gegeben, auch wirklich auf unsere Fragen zu antworten und nicht so auszuweichen.
König: Kann man daraus den Schluss ziehen, dass kulturelle Fragen für die Parteien wichtiger geworden sind?
Zimmermann: Ich glaube schon, ich glaube, dass ja Kulturpolitik überhaupt auf der Bundesebene an Bedeutung gewonnen hatte. Vor der letzten Bundestagswahl gab es ja nur noch eine Partei, die das in Zweifel gezogen hat, das war die Union gewesen, die noch nicht so ganz genau wusste, ob sie denn auf der Bundesebene wirklich so etwas auch haben wollte wie Kulturpolitik. Aber die hat ja nun auch ganz erfolgreich Kulturpolitik in den letzten vier Jahren betrieben, das heißt, die hat sich auch mit diesem Thema versöhnt, und so hat auch sie sich jetzt auch wirklich in die Bresche geschmissen und sich auch für Kulturpolitik auf der Bundesebene ausgesprochen.
König: Gut, aber gleichwohl, der Wahlkampf fängt ja jetzt erst langsam richtig an, aber man muss doch schon feststellen, dass die Kultur darin bisher überhaupt keine Rolle gespielt hat, auch in den Reden der Spitzenpolitiker Kultur selten bis gar nicht vorkommt.
Zimmermann: Das ist richtig. Bisher ist es nur einmal wirklich der Fall gewesen, dass Kulturpolitik so etwas ganz Entscheidendes war, das war der erste Wahlkampf unter Gerhard Schröder, wo er eben auch einen Kulturstaatsminister in sein Schattenkabinett – damals mit Michael Naumann – aufgenommen hat, der also es wirklich funkeln ließ und der auch eine Debatte ausgelöst hat, ob man denn auf der Bundesebene das überhaupt darf.
Sonst wird ja Kulturpolitik sehr oft doch ein bisschen leiser und auch im Hintergrund gemacht, und deswegen muss man sich, glaube ich, auch mehr die Zwischentöne anhören. Es sind in der Regel nicht die Spitzenpolitiker, es sind nicht die Kanzlerkandidaten, die in erster Linie die Kulturpolitik machen, sondern es sind wirklich die Fachpolitiker, die in unserem Bereich die Arbeit machen und deswegen ist es aber ganz wichtig, was die denn in der nächsten Legislaturperiode tun wollen.
König: Lässt sich zusammenfassend denn sagen, worin sich die Parteien in ihren kulturpolitischen Vorstellungen grundsätzlich voneinander unterscheiden?
Zimmermann: Ich glaube, man kann schon feststellen, dass es in bestimmten Bereichen deutliche Unterscheidungen gibt, also, nimmt man zum Beispiel den Bereich der kulturellen Bildung, da sagt die Union zum Beispiel sehr klar: Das ist eigentlich gar nicht Sache des Bundes, das ist weiterhin Sache der Länder. Alle anderen Parteien sind da deutlich anderer Meinung.
Oder nimmt man zum Beispiel das Staatsziel Kultur, da haben wir ja in den letzten Monaten heftig drum gekämpft, dass im Grundgesetz quasi eine Aufforderung hineingeschrieben wird, dass wir einen Kulturstaat haben und dass man die Kultur besonders schützen und fördern muss. Da sagt nur noch die Union, dass sie das Staatsziel Kultur nicht haben will. Alle anderen Parteien – ohne Ausnahme – sagen, in der nächsten Legislaturperiode wollen wir das Staatsziel Kultur im Grundgesetz haben.
König: Was ja auch schon einigermaßen bemerkenswert ist, dass nur noch die Union dagegen ist.
Zimmermann: Wäre dieser Sinneswandel ein paar Wochen früher da gewesen, dann hätten wir jetzt schon das Staatsziel Kultur im Grundgesetz, weil nämlich diese Parteien die Dreiviertelmehrheit zusammenbekommen hätten, die sie notwendigerweise für eine Grundgesetzänderung gebraucht haben. Aber so ist das eben im Wahlkampf, aber wir werden die Parteien natürlich in der nächsten Legislaturperiode kräftig daran erinnern, dass sie jetzt gesagt haben, wir wollen ein Staatsziel Kultur, und nur die Union die einzige ist, die letztendlich nicht mitmachen will.
König: Sie haben das Amt des Kulturstaatsministers angesprochen, Sie fragen auch in Ihrer Umfrage danach. Soll dieses Amt beibehalten werden oder soll ein Bundeskulturministerium eingerichtet werden? Wie stehen die Parteien dazu?
Zimmermann: Ja, erst mal sagen alle Parteien, dass dieses Amt beibehalten werden soll, also, keiner will mehr in die Zeit zurück, wie wir auf der Bundesebene überhaupt keine kulturpolitische Struktur in der Regierung gehabt haben. Aber es ist so, dass die FDP, die Linken und auch die SPD sich vorstellen könnten, dass diese Person Kabinettsrang hätte. Das könnte so weit gehen, dass man auch ein eigenes Bundeskulturministerium schaffen würde. Dieses wird nur – und zwar ganz grundsätzlich – von Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt.
König: Nebenbei gefragt: Welche Erfahrung, Herr Zimmermann, haben Sie eigentlich gemacht mit diesem Amt? Ist der Kulturstaatsminister ein wirklicher Ansprechpartner geworden oder wird im Zweifelsfalle doch gern darauf verwiesen, dass Kultur ja doch Ländersache sei?
Zimmermann: Ich glaube, dass dieses Amt wirklich ein sehr erfolgreiches Amt ist, die zehn Jahre, in denen es jetzt dieses Amt gibt, hat sich also auch die Struktur sehr positiv entwickelt. Er ist der Ansprechpartner im Bundeskanzleramt mit unmittelbarem Draht entweder zum Kanzler oder zur Kanzlerin, und es hat sich schon gezeigt, dass es eigentlich für uns eine unverzichtbare Struktur ist. Die Frage stellt sich auch für uns wirklich überhaupt nicht, ob wir auf dieses Amt verzichten könnten, sondern es ist absolut notwendig.
Für uns stellt sich vielmehr die Frage: Reicht es aus? Und da wäre ich schon sehr zweifelnd. Ich glaube, dass wir in der Zukunft viele Aufgaben zu bewältigen haben, die man mit deutlicherer Stärke, auch in der Bundesregierung, nur anpacken kann. Da muss man auch auf Augenhöhe mit den anderen Ministern, mit dem Justizminister, mit dem Innenminister, mit dem Wirtschaftsminister verhandeln können, und dafür wäre es sehr, sehr positiv, wenn die Kultur auch wirklich Kabinettsrang hätte.
König: Gehen wir noch mal auf einige Details Ihrer, wie Sie es nennen, Wahlprüfsteine zur Bundestagswahl 2009 ein. Über das Urheberrecht zum Beispiel wurde in den letzten Monaten sehr viel gestritten und diskutiert. Wie schlägt sich das in den Programmen der Parteien nieder?
Zimmermann: Also, erst mal sagen alle Parteien, dass die Digitalisierung, vor der wir ja alle stehen – das heißt, dass unsere Kulturgüter immer mehr und immer öfter im Internet gehandelt werden und dort entweder gegen Geld verkauft werden, aber auch sehr oft leider eben nicht gegen Geld, sondern illegal quasi verschoben werden –, dass das eines der brennenden Themen ist, mit denen sich die Politik in der nächsten Legislaturperiode beschäftigen muss.
Das ist sehr positiv, dass man also auch sieht, dass die Rahmenbedingungen in diesem Bereich unbedingt angepasst werden müssen an die Entwicklung, und dafür gibt es natürlich auch verschiedene Modelle. Eines dieser Modelle ist die sogenannte Kulturflatrate, also, dass man sagen würde, die Nutzer des Internets bezahlen eine bestimmte Gebühr, einmal im Monat, einmal im Jahr oder wie auch immer, und dafür dürfen sie dann auf eine bestimmte Anzahl von kulturellen Inhalten zugreifen und dürfen sie auch ohne weitere Bezahlung quasi nutzen.
Und das ist ganz spannend, da sagen zum Beispiel die Grünen: Genau eine solche Kulturflatrate, die wollen wir. Die Linken und die SPD sagen, das muss jetzt sehr genau geprüft werden aber sie sind nicht grundsätzlich ablehnend, was diese Kulturflatrate angeht. Die FDP und die CDU/CSU sind da eindeutig dagegen und sagen, die Kulturflatrate kommt mit uns überhaupt nicht in Frage.
Also, das heißt, dort gibt es – und das ist mir auch noch mal ganz wichtig, weil man immer so sagt, ja, in der Kulturpolitik, gibt es denn da wirklich eigentlich Unterschiede? Ja, die gibt es, gerade bei so einem wichtigen Thema wie der Kulturflatrate, da kann man es sehen. Es ist ein Unterschied, ob man sich für oder gegen die Kulturflatrate ausspricht, also ob man zum Beispiel noch nicht einmal die Kulturflatrate prüfen will. Das, finde ich, ist schon eine Frage, die die Kulturschaffenden und die Kulturwirtschaft interessieren muss, weil wir natürlich für die Zukunft auch Möglichkeiten haben müssen, dass mit der Verwertung unserer kulturellen Güter auch im Internet noch der ein oder andere Euro zu verdienen ist.
König: Aber sind diese Unterschiede so gravierend, dass einzelne Parteien wirklich die Möglichkeit haben, sich mit kulturpolitischen Themen ein eigenes Profil zu schaffen? Und wenn ja, welche Partei ist Ihrer Meinung nach die, die das in Ihrem Sinne beste kulturpolitische Profil hat?
Zimmermann: Die zweite Frage, die kann ich so nicht beantworten und zwar nicht, weil ich nicht persönlich vielleicht einen Favoriten hätte, sondern weil das einfach der Rolle des Kulturrates überhaupt nicht entsprechen würde. Wir sind da wirklich überparteilich, wir legen das als Information vor und sagen, bitte alle, die sich für Kultur interessieren, schaut euch das an und bildet euch selbst eine Meinung, ob ihr das eine oder die andere Partei besser findet, wen ihr denn wählen wollt. Natürlich …
König: Wobei ich nicht gefragt habe, wen Sie wählen werden, sondern welche Partei das in Ihrem Sinne beste kulturpolitische Profil hat.
Zimmermann: Ja, aber das ist schwierig zu sagen. Sie finden das, wenn Sie sich die Antworten auf unsere Fragen anschauen, da gibt es Parteien, die gerade im Bereich der Sozialpolitik Sachen machen, wo ich sagen würde, super, die dann aber im Bereich des Urheberrechtes möglicherweise Positionen haben, wo ich sagen würde, na ja, finde ich nicht so unbedingt auf der Höhe der Zeit, oder im Bereich der kulturellen Bildung wieder anders dasteht.
Man muss das wirklich – gerade auch bei der Kulturpolitik der Parteien – sehr differenziert sehen. Man muss sich das anschauen. Sicherlich ist das nicht eines der Hauptpunkte für die Parteien auf der Bundesebene, aber ich finde, was wirklich sichtbar wird, ist, dass es von zunehmender Bedeutung für die Partei ist, wie sie sich in diesem – eher kleineren, aber für uns sehr wichtigen Bereich – positionieren.
König: Alles zusammengenommen scheinen Sie ganz zufrieden zu sein mit den Ergebnissen Ihrer Umfrage?
Zimmermann: Ja, weil ich natürlich schon – das ist ja auch meine Aufgabe – über die Wahl hinaus gucken muss. Das heißt, für uns ist es ja die Aufgabe – wie auch immer die Konstellation in der nächsten Bundesregierung sein wird, also wer mit wem eine Koalition abschließen muss –, wir wollen ja schauen, dass die Kultur geschützt wird und dass es dort auch eine Weiterentwicklung bei den Rahmenbedingungen gibt.
Und jetzt habe ich, wenn Sie so wollen, einen ganzen Baukasten zur Verfügung, wo ich also einzelne Punkte herausnehmen kann und kann – egal, wie die Koalition auch immer zusammengestellt wird in der nächsten Bundesregierung – den verschiedenen Parteien sagen: Aber ihr habt das doch gesagt oder ihr habt jenes doch gesagt oder ihr habt dem Deutschen Kulturrat doch dieses versprochen, jetzt könnt ihr doch dann nicht mehr zurückgehen. Und ich hoffe natürlich, dass die eine oder andere positive Äußerung, die man bei den Antworten auf unsere Wahlprüfsteine findet, man nachher auch im Koalitionsvertrag wird nachlesen können.
König: Was die Parteien kulturpolitisch bewegen wollen, hat der Deutsche Kulturrat untersucht. Die Ergebnisse sind nachzulesen ab heute auf der Internetseite www.kulturrat.de. Ich sprach mit dem Geschäftsführer des Deutschen Kulturrats Olaf Zimmermann, ich danke Ihnen!