Zerstörerische Liebe
Der amerikanische Schriftsteller Henry James zeigt in "Wie alles kam" die Möglichkeiten von Machtentfaltung, Beeinflussung und Manipulation in der Liebe. Die fünf Kurzgeschichten des Erzählbandes erscheinen zum ersten Mal auf Deutsch.
Eine Beziehung birgt Möglichkeiten der Machtentfaltung, Beeinflussung und Manipulation - das zumindest hat die höhere Tochter Giorgina Gressie perfekt durchschaut und weiß es noch perfekter zu praktizieren. Gegen den Willen ihrer Familie unterhält sie eine Liebelei mit dem herzensguten, jedoch vollkommen mittellosen Marineoffizier Mr. Benyon, der als Ehemann selbstverständlich nicht in Frage käme.
Giorgina, eine "Schönheit aus Eisen und Ton", bringt es fertig, diesen wackeren jungen Mann heimlich zu heiraten und stellt die Bedingungen: absolutes Stillschweigen, Benyon darf sich nicht zu ihr bekennen, beide leben weiterhin so, als seien sie unverheiratet. Am Ende entpuppt sie sich als wahre Machiavellistin der Ehe.
"Wie alles kam" heißt ein neuer Erzählungsband des amerikanischen Schriftstellers Henry James (1843-1916) mit fünf Kurzgeschichten, die alle zum ersten Mal in deutscher Sprache erscheinen. Wie gut sich James auf die Demontage nach außen hin makelloser Persönlichkeiten versteht, stellt er auch in einer anderen Geschichte unter Beweis. Hier willigt eine früh verwaiste junge Amerikanerin in die Verlobung mit einem wohlhabenden Müßiggänger ein, was vor allem eine Idee seiner Mutter zu sein scheint.
Dieser Herr, ein gewisser Harold Staine, fühlt sich zum Künstler berufen, hat aber wenig Lust auf die große Mühe, die diese Berufung kostet. Nachdem seine Verlobte ihn bei vielerlei Anstrengungen über die Schulter geschaut hat, gibt sie ihm den Auftrag, ein Porträt von ihr anzufertigen.
In dem angemieteten Pariser Atelier taucht unvermutet ein tatsächlicher Maler auf, ein abgerissener Typ, doch genial und voller Schaffensdrang. Erst als dieser mit großem Furor beginnt, die Dame zu porträtieren, wird ihr auf einen Schlag das Mittelmaß und die Engherzigkeit ihres zukünftigen Gatten bewusst.
Die Erzählungen belegen eindrucksvoll die Qualitäten des amerikanischen Schriftstellers, der hierzulande immer noch nicht die Prominenz besitzt, die ihm eigentlich gebührt. Denn James ist ein glänzender Analytiker, geschickter Konstrukteur und herausragender Stilist.
Ehe und Eheanbahnungsaktivitäten sind seine bevorzugten Forschungsfelder, denn hier kommen die sozialen Gepflogenheiten gesellschaftlicher Gruppen besonders markant zum Ausdruck. Die zahllosen Überlegungen zu einer guten Partie, dem angemessenen Ehepartner oder der finanziellen Ausstattung eines Paares mögen auf den ersten Blick demodé wirken - tatsächlich lässt sich daran der Zustand des Individuums wie unter einem Vergrößerungsglas erkennen.
James, seit seiner Jugend in Europa ansässig, eingefleischter Junggeselle und in privaten Angelegenheiten äußerst diskret, fühlte sich auf dem Beobachterposten am wohlsten und lässt auch das Unausgesprochene in seine Erzählungen mit einfließen. Taktik in Gefühlsdingen, manipulatives Verhalten, Überlegungen zum Marktwert von Schönheit und ein allgemeiner kruder Materialismus sind schließlich hochaktuell.
Besprochen von Maike Albath
Henry James: Wie alles kam
Erzählungen, aus dem Englischen übersetzt von Ingrid Rein, Manesse Verlag Zürich, München 2012, 477 Seiten, 22,95 Euro
Giorgina, eine "Schönheit aus Eisen und Ton", bringt es fertig, diesen wackeren jungen Mann heimlich zu heiraten und stellt die Bedingungen: absolutes Stillschweigen, Benyon darf sich nicht zu ihr bekennen, beide leben weiterhin so, als seien sie unverheiratet. Am Ende entpuppt sie sich als wahre Machiavellistin der Ehe.
"Wie alles kam" heißt ein neuer Erzählungsband des amerikanischen Schriftstellers Henry James (1843-1916) mit fünf Kurzgeschichten, die alle zum ersten Mal in deutscher Sprache erscheinen. Wie gut sich James auf die Demontage nach außen hin makelloser Persönlichkeiten versteht, stellt er auch in einer anderen Geschichte unter Beweis. Hier willigt eine früh verwaiste junge Amerikanerin in die Verlobung mit einem wohlhabenden Müßiggänger ein, was vor allem eine Idee seiner Mutter zu sein scheint.
Dieser Herr, ein gewisser Harold Staine, fühlt sich zum Künstler berufen, hat aber wenig Lust auf die große Mühe, die diese Berufung kostet. Nachdem seine Verlobte ihn bei vielerlei Anstrengungen über die Schulter geschaut hat, gibt sie ihm den Auftrag, ein Porträt von ihr anzufertigen.
In dem angemieteten Pariser Atelier taucht unvermutet ein tatsächlicher Maler auf, ein abgerissener Typ, doch genial und voller Schaffensdrang. Erst als dieser mit großem Furor beginnt, die Dame zu porträtieren, wird ihr auf einen Schlag das Mittelmaß und die Engherzigkeit ihres zukünftigen Gatten bewusst.
Die Erzählungen belegen eindrucksvoll die Qualitäten des amerikanischen Schriftstellers, der hierzulande immer noch nicht die Prominenz besitzt, die ihm eigentlich gebührt. Denn James ist ein glänzender Analytiker, geschickter Konstrukteur und herausragender Stilist.
Ehe und Eheanbahnungsaktivitäten sind seine bevorzugten Forschungsfelder, denn hier kommen die sozialen Gepflogenheiten gesellschaftlicher Gruppen besonders markant zum Ausdruck. Die zahllosen Überlegungen zu einer guten Partie, dem angemessenen Ehepartner oder der finanziellen Ausstattung eines Paares mögen auf den ersten Blick demodé wirken - tatsächlich lässt sich daran der Zustand des Individuums wie unter einem Vergrößerungsglas erkennen.
James, seit seiner Jugend in Europa ansässig, eingefleischter Junggeselle und in privaten Angelegenheiten äußerst diskret, fühlte sich auf dem Beobachterposten am wohlsten und lässt auch das Unausgesprochene in seine Erzählungen mit einfließen. Taktik in Gefühlsdingen, manipulatives Verhalten, Überlegungen zum Marktwert von Schönheit und ein allgemeiner kruder Materialismus sind schließlich hochaktuell.
Besprochen von Maike Albath
Henry James: Wie alles kam
Erzählungen, aus dem Englischen übersetzt von Ingrid Rein, Manesse Verlag Zürich, München 2012, 477 Seiten, 22,95 Euro