Zentralafrikanische Republik

Jagd nach Beweisen

Jean-Pierre Bemba wird als Befehlshaber der kongolesischen Rebellen vor dem Internationalen Strafgerichtshof im Fall Zentralafrikanische Republik angeklagt.
Jean-Pierre Bemba vor dem Internationalen Gerichtshof: In dieser Woche werden die Plädoyers der Ankläger und der Verteidiger in Den Haag gehört, dann folgt das Urteil. © IStGH
Von Sonja Heizmann · 10.11.2014
Gloria Atiba-Davies ist Ermittlerin am Internationalen Strafgerichtshof. Für den Prozess gegen den kongolesischen Ex-Befehlshaber Jean-Pierre Bemba in Den Haag wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit hat sie in der Zentralafrikanischen Republik mit Zeugen gesprochen.
Gloria: "That may look so peaceful but 2002 October to March 2003 this was a busy, busy route."
Vom Balkon ihres Hotelzimmers sieht Gloria Atiba-Davies direkt auf den schwerfällig fließenden Ubangui. Der Fluss ist hier fast einen Kilometer breit. Auf der anderen Seite liegt die Demokratische Republik Kongo. Von dort kamen Ende 2002 die Rebellen in die Zentralafrikanische Republik - plünderten, mordeten, vergewaltigten.
Gloria ist heute mit dem Übernachtflug aus Paris angereist.
"My bible is something that keeps me going, the sleeping bag that I need, my hot chocolates to drink at night before I go to bed and of course my gloves because before I settle down, I try to do a wipe-down with Dettol."
Im Gepäck: die Bibel, ein dünner Schlafsack, Kakao und Einmalhandschuhe, um den Tisch im Hotelzimmer zu desinfizieren.
Im Fall Zentralafrikanische Republik liegen viele Beweise bereits vor. Ziel von Glorias Einsatz ist es Zeugen zu treffen, die in Den Haag aussagen sollen. Mit dabei eine Psychologin und die psychosoziale Expertin, die Gloria in Den Haag von dem Mädchen mit der Kopfverletzung erzählt hatte.
"We have thirteen witnesses to assess during this mission. And I would ask that you pay particular attention to their behaviour because we need your feedback on what your observations were. So, the information provided in this assessment will be very vital in determining how vulnerable they are."
13 Zeugen werden sie treffen. Ihre Kolleginnen sollen besonders auf deren Verhalten achten. Sie müssen herausfinden, ob die Zeugen physisch und psychisch stabil genug sind, um vor Gericht auszusagen und worauf der Gerichtshof bei den einzelnen Personen besonders achten muss.
Manche Befragungen dauern Tage
An einem geheimen Treffpunkt bereitet sich das Team auf das Gespräch mit der ersten Zeugin vor. Hinter zugezogenen Gardinen platzieren sie Laptops, Formulare, Getränke auf dem langen Holztisch. Im Vorraum, gleich neben der Klimaanlage, steht ein Sofa. Manche Befragungen brauchen Stunden, andere Tage.
"You have to ensure that you do a security assessment about where the person will be coming from, the possible means of transportation available, where the interview sight is located should be accessible but not very exposed. You also have to think of the team composition. If it is a female witness does the person want to talk to a team that includes either male investigators or male interpreter."
Bei jedem Zeugen wird genau überlegt, welche Sicherheitsvorkehrungen notwendig sind. Wie der Zeuge zum Treffpunkt kommt und welcher Ort geeignet ist. Erreichbar muss er sein, aber nicht zu exponiert und auch nicht so versteckt, dass andere neugierig werden.
Gloria - kahl rasierter Schädel, Trekking-Hose und kurzärmeliges Hemd - sitzt auf der einen Seite des Tisches, auf der anderen die Zeugin, in buntem traditionellen Kleid und Flip-Flops. Die Haare mit einem Tuch zusammengebunden. Daneben Psychologin und Übersetzer. Um Zeugin und Übersetzer zu schützen, tauchen ihre Stimmen hier nicht auf.
"My name is Gloria Atiba Davies. I am the head of the unit that focuses on victims’ issues, especially on women and children.
So, we need to make sure that the witnesses, they are psychologically and physically fit to go to court and testify."
Gloria übergibt an die Psychologin.
Sprecherin1 (Psychologin):"Kommen wir zu dem Ereignis. Was ist damals passiert, woran können Sie sich erinnern?"
Sprecherin 2 (Zeugin): "Sie kamen in unser Haus. Es waren drei Männer. Zwei von ihnen drückten meinen Mann auf den Boden und bedrohten ihn mit ihren Waffen. Der Dritte hat mich vergewaltigt. Als alles vorbei war, hatte ich große Schmerzen im Unterleib. Es ging mir sehr schlecht."
Sprecherin 1 (Psychologin):"Haben Sie immer noch Bilder davon vor Augen?"
Sprecherin 2: (Zeugin): "Wenn ich zur Ruhe komme, mich hinsetze, dann sehe ich alles wieder vor mir."
Manche Zeugen haben ihr Dorf noch nie verlassen
In der Zentralafrikanischen Republik wurde sexuelle Gewalt gezielt als Kriegswaffe eingesetzt. Die Täter sind systematisch vorgegangen, von Haus zu Haus. Frauen, Männer und Kinder wurden vor ihren Familien von mehreren Männern vergewaltigt, manchmal stundenlang. Die damit verbundene Scham und Stigmatisierung zerstört Familien und ganze Gemeinschaften.
Sprecherin 1 (Psychologin): "Haben Sie Bedenken auszusagen?"
Sprecherin 2: (Zeugin): "Nein."
Sprecherin 1 (Psychologin): "Haben Sie Angst davor, dass sich jemand an Ihnen rächen könnte?"
Sprecherin 2: (Zeugin): "Nein, ich habe niemandem von unseren Treffen erzählt."
Sprecherin 1 (Psychologin): "Der Gerichtshof hat die Aufgabe Sie zu schützen."
Gloria: "In everything that we do, we have to always bear in mind the concerns, the needs and the welfare of victims. Some of them they have never travelled out of their villages, if they have traveled out of their villages, they haven’t travelled out of their region or out of their country, so what will they be exposed to? And also in court, having this witness recount his or her testimony again, will the person retraumatized?"
Das Wohlbefinden, die Nöte und Bedenken der Zeugen haben immer Priorität, sagt Gloria. Manche von ihnen haben ihr Dorf noch nie verlassen. Welche Folgen wird die Reise in diese andere, 5000 km entfernte Welt für sie haben? Und was heißt es, die Aussage vor Richtern und Anwälten in dunklen Roben noch einmal zu wiederholen?
Gloria und ihr Team müssen auch die Erwartungen der Opfer dämpfen. Ihnen sagen, dass nicht die Täter, sondern ihre Befehlshaber angeklagt werden, dass es nicht in der Macht des Gerichtshofs steht, Konflikte zu beenden, dass juristische Prozesse Jahre dauern können und Angeklagte am Ende manchmal doch freigesprochen werden.
Sprecherin 1 (Psychologin): "Trauen Sie sich die Reise zu?"
Sprecherin 2: (Zeugin): "Gehen wir zu Fuß?"
Sprecherin 1 (Psychologin): "Nein, wir werden fliegen."
Diese Zeugin wird wohl nach Den Haag reisen. Gute Zeugen, sagt Gloria, behalten die Fassung und lassen sich von den Fragen der Verteidigung nicht irritieren, zeigen aber trotzdem all die Emotionen, die sie zum Zeitpunkt der Tat hatten und auch heute noch haben.
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