Zensus 2022

Was will der Staat wissen und warum?

84:12 Minuten
Ein Briefumschlag mit dem Aufdruck "Zensus 2022".
Aktuell läuft die „kleine Volkszählung“. Mit den erhobenen Daten können die Bedarfe auf Gemeinde-, Länder- und Bundesebene errechnet werden. © imago images / Jürgen Ritter
Moderation: Gisela Steinhauer · 21.05.2022
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Seit dem 15. Mai wird in Deutschland gezählt. Beim Zensus 2022 werden mehr als zehn Millionen Menschen befragt zu Wohn- und Arbeitsverhältnissen, Alter und Bildungsstand. Wozu dienen die Daten? Wie sicher sind sie? Unsere Experten geben Auskunft.
Alle zehn Jahre macht Deutschland Inventur. Dann will der Staat genauer wissen, wie es um die Bürgerinnen und Bürger bestellt ist. Seit dem 15. Mai ist es wieder soweit: Der Zensus 2022, auch „kleine Volkszählung“ genannt, ist gestartet.
10,3 Millionen zufällig ausgewählte Bürger:innen werden befragt zu Wohnungsgröße, Schulabschluss, Arbeitsverhältnis u.v.m.. Politiker:innen versprechen sich durch die Daten eine verbesserte Planung. Skeptiker befürchten staatliche Schnüffelei und Missbrauch ihrer Daten.

Von Datensammeln und Datenschutz

„Wir sammeln diese Daten und werten sie aus, um für die Gemeindeebene, für die Länder und den Bund sagen zu können, welche Bedarfe haben wir? Was brauchen wir an Pflegeeinrichtungen, Kitas, Schulen, beim ÖPNV – all das, was unser Leben positiv beeinflussen kann“, sagt Katja Wilken. Die Juristin ist Gesamtprojektleiterin des Zensus beim Statistischen Bundesamt in Wiesbaden.

Etwaige Bedenken wegen mangelnden Datenschutzes versucht sie zu zerstreuen. „Alle Daten von Bürgern, die zu uns kommen, werden dieses Haus nicht mehr verlassen. Wir löschen so schnell wie möglich, wenn die Daten ausgewertet sind. Den Staat interessieren nicht Einzeldaten von Personen, sondern Gesamtergebnisse.“
Dieses „Rückspiel-Verbot“ ist auch eine Folge des wegweisenden Urteils des Bundesverfassungsgerichtes nach massiven Protesten gegen die Volkszählung 1987. Daher erwartet Katja Wilken keine erneuten Widerstände gegen die Zählung.  
Ihr Appell: „Das ist der Beitrag eines jeden, dass die Entscheidungen auf politischer Ebene so gefällt werden, dass sie auch seinen Interessen entsprechen.“ 

„Schlechte Daten kommen die Bürger teuer zu stehen“

„Gute Daten bedeuten nicht zwangsläufig eine gute Politik“, sagt Reiner Klingholz. Der Wissenschaftler war von 2003 bis 2019 Direktor des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung. „Aber umgekehrt wird ohne belastbare Daten eine gute Politik unmöglich gemacht. Sinnvoll planen kann nur, wer weiß, wie viele Menschen welchen Alters und mit welchem Bildungs- und sozialen Hintergrund in welchen Regionen des Landes leben.“
Und wie viele Menschen überhaupt in Deutschland wohnen. So habe sich beim letzten Zensus 2011 herausgestellt, dass 1,4 Millionen Menschen weniger in Deutschland leben als vorher angenommen. „Viele Kommunen hatten Karteileichen; die Menschen waren gestorben, weggezogen. Aber die Kommunen haben das Geld für diese Bürger gern genommen.“
Die Holländer seien da weiter: „Sie werten automatisch aus. Dort sind auch alle Register automatisch vernetzt; die Arbeitslosenversicherung, die Rentenversicherung – sie wissen voneinander, wer weggezogen oder verstorben ist. Jeder Bürger ist über eine anonyme Personenkennziffer auch seinen Daten zugeordnet. Fehler können sich so kaum einschleichen, und theoretisch haben die Niederlande zu jedem Zeitpunkt einen Überblick über die Lage“, so der Bevölkerungsforscher.

Seine Mahnung: „Schlechte Daten kommen die Bürger teuer zu stehen.“

Zensus 2022: Was will der Staat wissen und warum?
Darüber diskutiert Gisela Steinhauer am 21. Mai von 9.05 Uhr bis 11 Uhr mit dem Bevölkerungsforscher Reiner Klingholz und Katja Wilken vom Statistischen Bundesamt. Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter der Telefonnummer 0800 2254 2254 sowie per E-Mail unter gespraech@deutschlandfunkkultur.de.

(sus)

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