Zeitzeuge Hans Stelzer

04.05.2009
Hans Stelzer, geboren 1. April 1929. Er war zum Kriegsende16 Jahre alt. Er lebte und lebt noch heute in Oberhaching-Deisenhofen bei München. Er machte nach dem Krieg eine Lehre als Kfz-Spengler und besaß eine große Autofachwerkstatt in München.
Erfahrungen mit der US-Armee

Die Amerikaner waren im Verhältnis schon ein bissel misstrauisch, aber sie haben das sofort gemerkt, ob man mit ihnen ehrlich umgeht oder nicht. Ich war öfters bei Amerikanern eingeladen, noch in der schlechten Zeit. Da habe ich ein paar Dolmetscherinnen gefahren. Und da hat es ja auch schon einen Offiziersclub gegeben. Und da war ich des Öfteren eingeladen. Wir hatten nie selber was nehmen dürfen. Die haben mir's angeboten. Das war in Ordnung. Aber selbst was wegzunehmen oder irgendwie, das wollten sie nicht. Also, da ist man nicht mehr eingeladen worden. Also, da haben sie schon geschaut, dass das mit rechten Dingen zugeht, dass man sich da gut verhält.

Ernährungslage

Das Wichtigste war, irgendwie was zum Essen. Es war ja jeder abgemagert, weil es hat ja ganz wenig zum Essen gegeben. Man hat sich nur mit Hilfe von Verwandten oder Beziehungen außerhalb der Großstadt irgendwie Lebensmittel verschaffen können. Man hat irgendwie beim Bauern gearbeitet oder bei einem Metzger hat man … oder irgendwie. Und da hat es immer Kleinigkeiten gegeben, dass es wieder weitergegangen ist. Dann ist viel geplündert worden. Die ganzen Warenlager, die die Deutschen gehabt haben, das Zollamt und so. Da ist wahnsinnig viel, Getränke und Lebensmittel war vorhanden, und das ist dann irgendwie ausgeplündert worden und gegenseitig hat man sich das wieder abgekauft. Und es ist immer irgendwie wieder weitergegangen. Wir waren ja auch mit sehr wenig zufrieden.

Schwarzmarkt

Vor der Währungsreform ist natürlich alles so notdürftig gemacht worden. Es waren die Mittel, die finanziellen Mittel nicht da. Auch die ganzen Materialien und so, da hat's natürlich weit gefehlt. Da hat man sehr viel improvisieren müssen. Da hat's dann die Schwarzmärkte gegeben. Wir hatten immer was kaufen können, aber hätten ja bezahlen müssen, wie normal. Freilich, Tausch, da hat's in der Mühlstraße und irgendwie hat es so ein paar zentrale Punkte gegeben, da war irgendwie Ware da. Die haben da irgendwie Geld verdient. Das war schon möglich. Aber immer mit Aufpreisen. Zum Beispiel hat eine Schachtel Zigaretten 80 Mark gekostet. Anders ist das nicht gegangen.

Beruflicher Werdegang

Dann war wichtig der Beruf. Und da hat man gesehen, dass es vorwärts geht. Und wie die Verwaltungen von den Amerikanern da waren, da ist ja wieder irgendwie ein Bürgermeister aufgestellt. Da hat es ja wieder auch Lebensmittelmarken gegeben und so. Also, da hat man schon wieder einigermaßen gut leben können.

Ich war immer schon für Auto begeistert und ich bin dann praktisch in die Autobranche gegangen und hab meine Lehre abgeschlossen. 1947 hab ich noch die Gesellenprüfung gemacht, dann war das nächste Ziel, so schnell, wie möglich, irgend sich selbständig zu machen. Da haben wir da aber wirklich viel gearbeitet. Es wurde ja mindestens 48 Stunden in der Woche gearbeitet, also einschließlich Samstag. Und es war auch gar kein Problem, da es jedem gleich gegangen ist. Also, ein Fahrrad, wenn du das gehabt hast, da warst du schon ganz gut ausgerüstet, dass man sich ein bissel bewegen hat können.

Man hat ja fleißig sein müssen, dass du Geld verdienst. Wir haben nicht nur normale Arbeitszeit gearbeitet, sondern wir haben ja dann am Samstag oder noch zusätzlich was gemacht. Das hab ich dann schon wieder irgendwie privat oder wie, irgendwie ein schönes Abendessen zusätzlich kaufen können. Mit Fleiß hat man da viel erreicht - war möglich. Das Bestreben hat jeder gehabt, dass er irgendwie vorwärts kommt. Es waren ja die Kriegsjahre da und nach dem Krieg, da waren die Leute schon motiviert. Da hat ja jeder, hat was probiert, wo er vorwärts kommt und wo er ein neues Geschäft anfängt und wo er sich irgendwie weiterbilden kann. Die anderen sind nachher in die Schule gegangen. Das hat sich dann auch wieder normalisiert. Also, da hat man eigentlich dann ab 48 immer einen Aufstieg gehabt und die Möglichkeiten, sich zu verbessern oder dass man für das späteres Leben irgendwie vorsorgt, nicht wahr.

Folgen der Währungsreform

Also, ich muss sagen, dass ganz kurz nach der Währungsreform, 48 haben wir schon die D-Mark verdient, und da haben wir einen großen Sprung nach vorne gemacht - in allen Bereichen. Da hat man sich schon bissel Kleidung kaufen können. Das erste Auto hab ich mir gekauft, irgendwie Kleinwagen oder irgendwie, aber es war ein Fortbewegungsmittel. Man hat gemerkt, dass man mit Fleiß weiterkommt und dass einfach eine wesentliche Verbesserung von der Freizeit oder ob man irgendwie zum Abendessen gegangen ist oder ob man schon so kurze Badereisen oder… Urlaub hat's wenig gegeben, 8 bis 14 Tage. Also, die waren ziemlich schnell verbraucht. Mehr hat man nicht gekriegt. Aber die hat man genossen. Die Möglichkeit war vorhanden.

Wiederaufbau

Wenn Sie sich heute noch erinnern, wie die Augustenstraße, das Schwabing zum Teil, dann die Neuhauserstraße, da sind ja teilweise bloß noch zwei, drei Häuser gestanden, die nicht beschädigt waren. Da war natürlich ein ganz großer Nachholbedarf. Dann ab der Währungsreform 48 da war natürlich in der Baubranche ein Riesenboom, mit eingeschlossen für die ganzen Handwerker, ob das Dachspengler waren oder Schlosser waren oder Installateure waren, da hat man schon irgendwie wieder den Aufwärtstrend gesehen. Da hat man schon, wenn man dabei war, Geld verdienen können. Und da hat's ja auch dann, bekannte Firmen, die haben sich immer mehr entwickelt. Die schlecht gewirtschaftet haben, sind wieder eingegangen. Da hat man schon irgendwie den Fortschritt gemerkt. Das war also, wie gesagt, ein großer Nachholbedarf da.

Die neue D-Mark

Zur Währungsreform hab ich vielleicht 10.000 Mark gehabt und die sind abgewertet worden und da hab ich 1.000 Mark bekommen. Mein erster Lohn in D-Mark war in der Woche 35 DM. Was man da kaufen konnte? Ja, da hast mit leben können. Da hat ein Bier 50 Pfennig gekostet und der Schweinsbraten 2 Mark. Man hat leben können. Sie können sich gar nicht vorstellen, was der Mensch alles leisten kann und mit wie wenig, dass er auskommt. Und komischerweise hat's nach der Währungsreform, das wurde ja, 1:10 hast du nur mehr bekommen, also, hat es plötzlich alles gegeben am Markt, war alles da. Von heut auf morgen waren die Lager voll, die Geschäfte voll. Die Konserven, die haben sie schon alle gehabt. Da hat sich die Zeit wieder etwas normalisiert. Es war Ware da. Es waren Konserven da. Bei den Metzgern, die haben ja schon immer zurückgehalten und haben auf den Tag gewartet, bis es die Währungsreform gibt. Es war komischerweise alles da.

Und da haben natürlich diese Bäcker und die Metzger oder die Konserven gehabt haben, also, die so Güter gehabt haben, die der Verbraucher brauchte, damals viel Geld verdient. Und diese gewissen Geschäftsleute, die haben sich da eigentlich da in der Nymphenburger Straße oder in Obermenzing und so schon die ersten Häuser gekauft. Die haben ja nichts gekostet. Aber die haben die Chancen gehabt und haben schon so viel Geld verdient, alles bar eingenommen. Und wenn einer da bissel sparsam war und hat irgendwie schon ein bissel die Augen offen gehabt, der hat sich schon irgendwie was schaffen können.

Politik und Teilung

Also, ich war von der Familie so erzogen, dass wir keine Freunde waren vom Adolf-Hitler-Regime. Und 48/ 49, ja, das war ja dann unter Adenauer. Ja, da war die CSU, die CDU, die war stark. Die SPD hat's auch gegeben. Aber die Politik hat uns eigentlich - sagen wir, als normale Bürger - weniger interessiert. Die haben wir so nebenbei wahrgenommen. Es war einfach das Allerwichtigste, dass man selber vorwärts kommt. Politik war eine Begleiterscheinung.

Man hat das wahrgenommen und man hat das gewusst, dass Deutschland geteilt ist. Und wir haben auch gewusst, dass Deutschland, wie es ein Gesamtdeutschland gegeben hat, ein großer Staat war. Aber die Politik und die Medien, die waren im Radio und in der Presse so zu verstehen, dass das einfach geteilt ist, dass die einen durch den Krieg, wo wir verloren haben, die mehr im Osten und russisches Gebiet umgewandelt wurde. Und wir haben das Glück gehabt, dass wir bei den Amerikanern waren. Wir haben uns ja viel schneller durch Hilfe durch den Marshall-Plan und durch die Hilfe der Amerikaner viel schneller entwickelt. Das war damals schon eine große Stütze für uns. Und das darf man, wenn man da heute zurückblickt, nicht vergessen. Das war schon für Westdeutschland eine gute Sache, nicht wahr, oder eine Glückssache.

Kenntnisse über NS-Verbrechen

Wir haben gewusst, dass das Dachau gibt. Das haben wir gewusst. Ich hab ein paar Freunde gehabt, einen von der SS und einen, der bei der NSDAP war. Die haben aber nix erzählt. Selbst, wo ich mit denen befreundet war. Die haben alles mit mir besprochen und dass sie da draußen sind, aber diesbezüglich haben sie taube Ohren gehabt. Und das glaubt man heute nicht, dass das Volk nicht gewusst hat, was da eigentlich passiert. Dass die Gegner eingesperrt werden. Aber diese Behandlung und das manche mit Gas vergiftet worden ist, das ist ja, glaube ich, nicht in Dachau passiert, sondern in den anderen Lagern, was man heute mittlerweile weiß. Das war nicht bekannt. Da ist komischerweise nichts an die Öffentlichkeit gekommen. Das haben nur Insider gewusst, dass so viele Leute tatsächlich durch Gas und sonstige Machenschaften von der Partei, dass Leute erschossen worden sind und eingegangen, das hat man dann gleich kurz nach dem Krieg alles erfahren. Und da haben die Medien und die Journalisten, die haben natürlich schon gesorgt, was tatsächlich passiert ist. Es sind ja dann aus diesen Lagern verschiedene Leute gekommen, die das erzählt haben. Da ist man natürlich erst einmal richtig dahinter gekommen, was da gelaufen ist.