Zeitungen wollen stärker ins Internet investieren

Von Michael Meyer |
Den deutschen Zeitungen geht es nach Jahren sinkender Auflagenzahlen weiterhin nicht gut, zog der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) eine Bilanz. Um dem Abwärtstrend entgegenzuwirken, wollen die Verlage stärker in neue Produkte und Geschäftsfelder wie das Internet investieren.
Trotz ihres Zweckoptimismus wirken sie nicht glücklich, die deutschen Zeitungsverleger: Über 50 Punkte umfasst die Liste, die ihnen Sorgen bereitet. Sie umfasst so unterschiedliche Punkte wie die geplante Besteuerung der Nacht und Sonntagszuschläge bis hin zur Vereinfachung des noch immer nicht verabschiedeten Pressefusionsgesetzes. Mit dieser Forderungsliste will man nach der Wahl im Herbst bei Regierung und Opposition vorstellig werden. Doch diese Liste ist nur eine Zusammenfassung von Nebenschauplätzen.

Der wichtigste Trend ist noch immer der schleichende Rückgang der Auflagenzahlen. Zwar fällt die Kurve nicht mehr so stark wie in den vergangenen Jahren, Tatsache ist aber: Die Deutschen greifen immer weniger zur Zeitung. 3,2 Prozent betrug der Rückgang im letzten Jahr, bei den Sonntagszeitungen sogar 8 Prozent. Für diese Entwicklung gebe es eine ganze Reihe von Gründen, meint der Geschäftsführer des BDZV, Dietmar Wolff:

" Beginnen sollte man sicherlich mit dem Hinweis auf die schlechte allgemeine Wirtschaftslage, wir haben eine hohe Arbeitslosenzahl derzeit, dass heißt, dass die Menschen immer weniger Geld im Portemonnaie haben, und wenn das der Fall ist, ist leider auch der Zeitungsmarkt davon betroffen. Die Menschen haben nur ein bestimmtes Medienbudget zur Verfügung, sie schauen, wie sie nachher damit zurechtkommen, das hat dann nachher den Effekt, dass weniger Zeitungen dann gekauft werden, aber genauso viel Zeitungen gelesen werden, dass heißt die Zeitung wird weitergereicht. Es gibt zum Teil Gemeinschaftsabos, wo eine Zeitung gemeinsam gelesen wird. Die Zeitung ist nach wie vor ein wichtiges Medium in den Köpfen der Menschen, aber die Menschen haben halt weniger finanzielle Mittel, um die Zeitung kaufen zu können. "

Ebenso Sorge bereitet den Verlegern der Trend, dass immer mehr Jugendliche meinen, auf die Zeitung verzichten zu können. In der Altersgruppe bis 30 liest zwar immerhin jeder Zweite regelmäßig eine Zeitung, das Interesse erlahmt aber spürbar in den jüngeren Altersgruppen. Laut einer kürzlich veröffentlichten europäischen Studie liegen bei den Jugendlichen Fernsehen, Radio und Internet weit vorn im Medienkonsum. Genau aus diesem Grund wollen und müssen die Verlage sich noch stärker im Internet engagieren, meint Hans- Joachim Fuhrmann, Leiter Kommunikation und Multimedia im BDZV:

" Wenn man heute junge Leute erreichen will mit Informationen, sie irgendwann einmal erreichen kann mit der gedruckten Zeitung, aber erst einmal geht es darum, sie zu erreichen, dann kommt man am Internet und auch an der Übermittlung von Informationen aufs Handy per SMS oder künftig auch per UMTS, komme ich überhaupt nicht vorbei, und das ist eigentlich, es mag noch das eine oder andere Verlagshaus geben, wo das nicht Strategie ist, aber das ist eigentlich die Strategie in jedem Zeitungshaus, auch in lokalen Zeitungshäusern, wo man sagt: Ich muss meine Leser, meine Nutzer auf allen Kanälen erreichen, ob das Papier ist, ob das ein Bildschirm ist, oder ob das das Handy ist, das ist im Grunde genommen von sekundärer Natur. "

Doch was erst einmal überzeugend klingt, erweist sich in der Realität als schwierig: Noch immer gilt das Internet als „Geldvernichtungsmedium“, denn die Einnahmen aus der Internetwerbung sind nach wie vor nur marginal. Auch die Strategie vieler Verlage, ihre Zeitungen als sogenanntes „E-Paper“ anzubieten, also eine 1:1 – genaue Abbildung der gedruckten Zeitung, hat sich nicht als Verkaufsschlager erwiesen. Bei der „Süddeutschen Zeitung“ etwa haben sich bislang gerade einmal rund 3000 zahlungswillige Leser für das „E-Paper“ gefunden, das mit immerhin 15 € pro Monat das Medienbudget der Haushalte belastet.

Da der Kostendruck auf die Verlage immer weiter wächst, und auf der anderen Seite die Einnahmen aus Werbe- und Stellenanzeigen nur ganz leicht wieder anziehen, engagieren sich die Zeitungshäuser notgedrungen in anderen Bereichen. In südlichen Ländern wie Italien oder Spanien gibt es bereits seit Jahren den Trend zu Zusatzgeschäften mit CDs, DVDs und Büchern, aber auch Reisen und Veranstaltungen. Diese Geschäftsfelder werden in den nächsten Jahren noch stärker beackert werden, meint Hans-Joachim Fuhrmann:

" Ich denke, in Zukunft werden sich die Verlage aus vielen Erlösquellen speisen, wobei jeder Kanal nicht vergleichbar ist mit den Dimensionen wie früher. Man macht ein Stück Umsatz im Bereich Bücher, DVDs, CDs, man macht einen Teilumsatz mit der Postzustellung. Nehmen wir die Wochenzeitung „DIE ZEIT“, die machen tolle Geschichten im Bereich Reisen, sowohl im Marketing, als auch von den Umsätzen her, das sind alles Erlöspotenziale – in der Summe ist es wichtig, und trägt es. Bei den derzeit laufenden Buchgeschichten bei den Verlagen, man spricht da von Umsatzgrößen, wenn es denn ausgebaut ist, in Richtung 5 Prozent des Umsatzes gehen, über solche Zahlen sprechen wir dabei. "

Ein weiteres Feld sind die Gratiszeitungen, die bereits in fast allen Industrieländern produziert werden. Die Gratismentalität – also Journalismus zum Nulltarif – ist für das Gewerbe eine Horrorvision und man versucht, sich diese Konkurrenz vom Leib zu halten. Branchenintern rechnet man aber damit, dass bereits im nächsten Jahr sich in den Großstädten Gratiszeitungen etablieren, diese kämen dann genau richtig zur Fußballweltmeisterschaft. Von der WM versprechen sich auch die Zeitungsverleger einiges, allerdings wünschen sie sich frühere Anstoßzeiten. Denn viele Spiele werden nach jetzigem Stand erst um 21 Uhr angepfiffen – für viele Tageszeitungen zu spät für ihre Berichterstattung.