Zeitlos und detailgetreu
Mancher Profi-Fotograf schießt mit seiner Digitalkamera pro Tag Hunderte oder Tausende Bilder. Der israelisch-britische Fotograf Yishay Garbasz hingegen beschränkt sich auf wenige Aufnahmen. Seine Bilder, die er mit seiner schweren, altertümlich anmutenden Holzkamera aufnimmt, strahlen eine ungewöhnliche Zeitlosigkeit und Detailtreue aus.
"Für dieses Foto stellte ich mich auf das Dach eines Hauses in Bethlehem. Dabei entdeckte mich die israelische Grenzpolizei, deren Auto man hier oben rechts im Bild hinter einem Baum sehen kann. Sie kamen auf mich zu, blieben aber glücklicherweise mit ihrem Fahrzeug im Schlamm stecken und ich konnte entkommen. Wäre ich gefasst worden, hätten sie mich wahrscheinlich zusammengeschlagen und meine Ausrüstung zertrümmert, da ich damals keine offizielle Fotoerlaubnis hatte. Was mich zu dem einen Ratschlag bringt, den ich allen jungen Fotografen geben kann: Tragt immer gute Schuhe."
In einer Berliner Galerie steht der 35-jährige israelisch-britische Fotograf Yishay Garbasz vor einem seiner Bilder. Und lacht. Galgenhumor, könnte man meinen, denn die Geschichte des Bildes wie auch der anderen Bilder laden wenig zum Lachen ein. Sie zeigen den Baubeginn der israelischen Sperranlage nach Palästina.
Wenn Garbasz von seinen Bildern spricht, so meint man gelegentlich in seinem von langen Haaren eingerahmten Gesicht einen fast kindlichen Ausdruck wahrnehmen zu können. Ansonsten wirkt er aber viel älter, gerade so, als habe er bereits viel vom Leben gesehen – und nicht immer Positives. Abgelichtet hat er sie mit einer alten Holzkamera, wie sie bereits um die vorletzte Jahrhundertwende benutzt wurde. Mit allem Zubehör wiegt sie rund 50 Kilo.
"Ich benutze diese große Kamera so gerne, eben weil sie so verflucht schwer und unhandlich ist. Mit ihr kann man eben keine 2000 Fotos pro Tag machen wie mit einer Digitalkamera, sondern nur wenige, vielleicht nur ein einziges. Und wenn du nur ein Foto am Tag machen kannst, musst du dir sehr gut überlegen, welches das sein wird."
Zur Fotografie kam Garbasz erst relativ spät. Dass sein Leben nur selten in den oft beschworenen "geordneten Bahnen" verlaufen ist, liegt in der Familiengeschichte begründet: Seine 1929 in Berlin geborene Mutter wurde als junges Mädchen zunächst nach Theresienstadt und dann nach Auschwitz deportiert. Gemeinsam mit ihren beiden Schwestern überlebte sie eine ganze Reihe von Konzentrationslagern und Todesmärschen. Ihr späterer Mann entkam ebenfalls nur knapp der Vernichtungsmaschine des NS-Regimes.
Die Traumatisierung der Eltern hat sich auch auf ihre drei Söhne ausgewirkt – eine solche extreme Erfahrung konnte kaum innerhalb einer einzigen Generation verarbeitet werden. Als Kind war Yishay aggressiv und wenig kontaktfähig.
"Ich leide unter posttraumatischem Stress, weshalb ich zwei Jahre in einem Zen-Kloster verbrachte und vier Jahre lang Therapie machte."
Zudem war der 35-Jährige dyslexisch, was zur Folge hatte, dass er nur schlecht lesen und kaum schreiben konnte. Zwar hat er als Erwachsener seine Leseschwäche in mühevoller Arbeit überwunden und sogar ein Universitätsstudium abgeschlossen, den Inhalt seiner E-Mails muss man aber auch heute noch oft erraten. All diese Dinge trugen dazu bei, dass er sich einem visuellen Medium zuwandte.
"Ich habe viel daran gearbeitet. Meine letztjährige Fotoserie ‚My Mother’s Footsteps’ – ‚Die Spuren meiner Mutter’ wie auch mein aktuelles Projekt über Menschenhandel in Asien entspringt meinem Bedürfnis, Zeugnis zu geben. Ich kann mich sehr gut in andere traumatisierte Menschen einfühlen. Ich empfinde meine Arbeit nicht unbedingt als Spaß und wenn ich die Wahl hätte, würde ich sicher etwas anderes machen. Aber ich habe sie nicht, dies hier ist die Arbeit, die ich tun muss."
Stillstehen kann Garbasz nicht. Nachdem er den Bau der Sperranlage dokumentiert hatte, begann er, die Spuren des Leidensweges seiner Mutter in Berlin, im niederländischen Exil und in den Konzentrationslagern abzulichten. Die dabei entstandenen Fotos sind mindestens so beeindruckend wie die der Absperranlage, weil er hier nach Zeugnissen der Vergangenheit in der Gegenwart suchte.
Momentan lebt Garbasz in Thailand, aus dem einfachen Grund, dass dort der Lebensunterhalt so viel billiger ist. Denn wie den meisten jungen Künstlern fehlt auch ihm das Geld. Eine Freundin hat er nicht – obwohl er sich oft danach sehnt, wie er erzählt. Aber neben seiner Kunst gibt es augenblicklich nur wenig Platz in seinem Leben, auch für Musik und Bücher hat er nur selten Zeit. Für sein nächstes Projekt will er Porträtaufnahmen von Drogenhändlern in Burma machen. Und auch hierfür wird er sich voraussichtlich mehr als einmal in Lebensgefahr begeben.
Überleben, um nachher die Bilder zeigen zu können – für Garbasz ist seine Kunst Lebensinhalt wie Lebenshilfe, sie bringt ihn immer wieder in Gefahr und hilft ihm doch beim Überleben. Aus diesem Widerspruch entsteht eine Intensität, die man beim Betrachten seiner Fotografien deutlich verspürt. Diese Bilder helfen dem Künstler wie auch dem Betrachter, den Blick offen zu halten und sich eben nicht mit einer Mauer zu umgeben.
Hinweis: Die Ausstellung "The Fence" mit Fotografien von Yishay Garbasz ist noch bis zum 15. Januar 2007 in der Cicero Galerie für politische Fotografie in Berlin zu sehen.
In einer Berliner Galerie steht der 35-jährige israelisch-britische Fotograf Yishay Garbasz vor einem seiner Bilder. Und lacht. Galgenhumor, könnte man meinen, denn die Geschichte des Bildes wie auch der anderen Bilder laden wenig zum Lachen ein. Sie zeigen den Baubeginn der israelischen Sperranlage nach Palästina.
Wenn Garbasz von seinen Bildern spricht, so meint man gelegentlich in seinem von langen Haaren eingerahmten Gesicht einen fast kindlichen Ausdruck wahrnehmen zu können. Ansonsten wirkt er aber viel älter, gerade so, als habe er bereits viel vom Leben gesehen – und nicht immer Positives. Abgelichtet hat er sie mit einer alten Holzkamera, wie sie bereits um die vorletzte Jahrhundertwende benutzt wurde. Mit allem Zubehör wiegt sie rund 50 Kilo.
"Ich benutze diese große Kamera so gerne, eben weil sie so verflucht schwer und unhandlich ist. Mit ihr kann man eben keine 2000 Fotos pro Tag machen wie mit einer Digitalkamera, sondern nur wenige, vielleicht nur ein einziges. Und wenn du nur ein Foto am Tag machen kannst, musst du dir sehr gut überlegen, welches das sein wird."
Zur Fotografie kam Garbasz erst relativ spät. Dass sein Leben nur selten in den oft beschworenen "geordneten Bahnen" verlaufen ist, liegt in der Familiengeschichte begründet: Seine 1929 in Berlin geborene Mutter wurde als junges Mädchen zunächst nach Theresienstadt und dann nach Auschwitz deportiert. Gemeinsam mit ihren beiden Schwestern überlebte sie eine ganze Reihe von Konzentrationslagern und Todesmärschen. Ihr späterer Mann entkam ebenfalls nur knapp der Vernichtungsmaschine des NS-Regimes.
Die Traumatisierung der Eltern hat sich auch auf ihre drei Söhne ausgewirkt – eine solche extreme Erfahrung konnte kaum innerhalb einer einzigen Generation verarbeitet werden. Als Kind war Yishay aggressiv und wenig kontaktfähig.
"Ich leide unter posttraumatischem Stress, weshalb ich zwei Jahre in einem Zen-Kloster verbrachte und vier Jahre lang Therapie machte."
Zudem war der 35-Jährige dyslexisch, was zur Folge hatte, dass er nur schlecht lesen und kaum schreiben konnte. Zwar hat er als Erwachsener seine Leseschwäche in mühevoller Arbeit überwunden und sogar ein Universitätsstudium abgeschlossen, den Inhalt seiner E-Mails muss man aber auch heute noch oft erraten. All diese Dinge trugen dazu bei, dass er sich einem visuellen Medium zuwandte.
"Ich habe viel daran gearbeitet. Meine letztjährige Fotoserie ‚My Mother’s Footsteps’ – ‚Die Spuren meiner Mutter’ wie auch mein aktuelles Projekt über Menschenhandel in Asien entspringt meinem Bedürfnis, Zeugnis zu geben. Ich kann mich sehr gut in andere traumatisierte Menschen einfühlen. Ich empfinde meine Arbeit nicht unbedingt als Spaß und wenn ich die Wahl hätte, würde ich sicher etwas anderes machen. Aber ich habe sie nicht, dies hier ist die Arbeit, die ich tun muss."
Stillstehen kann Garbasz nicht. Nachdem er den Bau der Sperranlage dokumentiert hatte, begann er, die Spuren des Leidensweges seiner Mutter in Berlin, im niederländischen Exil und in den Konzentrationslagern abzulichten. Die dabei entstandenen Fotos sind mindestens so beeindruckend wie die der Absperranlage, weil er hier nach Zeugnissen der Vergangenheit in der Gegenwart suchte.
Momentan lebt Garbasz in Thailand, aus dem einfachen Grund, dass dort der Lebensunterhalt so viel billiger ist. Denn wie den meisten jungen Künstlern fehlt auch ihm das Geld. Eine Freundin hat er nicht – obwohl er sich oft danach sehnt, wie er erzählt. Aber neben seiner Kunst gibt es augenblicklich nur wenig Platz in seinem Leben, auch für Musik und Bücher hat er nur selten Zeit. Für sein nächstes Projekt will er Porträtaufnahmen von Drogenhändlern in Burma machen. Und auch hierfür wird er sich voraussichtlich mehr als einmal in Lebensgefahr begeben.
Überleben, um nachher die Bilder zeigen zu können – für Garbasz ist seine Kunst Lebensinhalt wie Lebenshilfe, sie bringt ihn immer wieder in Gefahr und hilft ihm doch beim Überleben. Aus diesem Widerspruch entsteht eine Intensität, die man beim Betrachten seiner Fotografien deutlich verspürt. Diese Bilder helfen dem Künstler wie auch dem Betrachter, den Blick offen zu halten und sich eben nicht mit einer Mauer zu umgeben.
Hinweis: Die Ausstellung "The Fence" mit Fotografien von Yishay Garbasz ist noch bis zum 15. Januar 2007 in der Cicero Galerie für politische Fotografie in Berlin zu sehen.