Zeitgeschichten

Von Katharina Döbler · 27.06.2005
Prinzessin Diana und Erich Honecker waren Personen des öffentlichen Lebens. Patricia Görg nimmt ihre Geschichte als Vorlage für eine literarische Collage, zusammengesetzt aus Elementen der klassischen Reportage, Witzen, Ortsbesichtigungen und biographischen Schnipseln.
Prinzessin Diana, Francois Mitterand, Erich Honecker und Nicolae Ceausescu haben drei Dinge gemeinsam: Sie waren Personen des öffentlichen Lebens, sie sind tot, und sie kommen in dem neuesten Buch von Patricia Görg vor.

Warum es gerade diese drei historischen Gestalten sind, an denen Patricia Görg erzählend ihre eigenwilligen Verfremdungseffekte demonstriert, kann man sich denken: diese Biografien besitzen - moralisch wertfrei formuliert - eine Qualität des Irrealen, beinahe schon Grotesken. Dieses Irreale hat nur teilweise damit zu tun, dass es sich um "öffentliche Personen" handelt, die stets in Überlebensgröße erscheinen.

Und alle vier hatten einen Apparat zur Verfügung, der die Größe ermöglichte: Staatsbeamte, Medien und andere Personen von ähnlichem Öffentlichkeitswert und ähnlicher Statur. Patricia Görg zeigt diese Personen inmitten des politisch-sozialen Kontexts – aber so, dass man die Stelzen sieht, auf denen sie stehen, das Gerüst, das sie zum Popanz macht.

Am besten ist ihr das in der ersten "Zeitgeschichte" gelungen: Am 11. Dezember 1981 trafen sich Bundeskanzler Schmidt und Erich Honecker zu Gesprächen am Döllnsee in Brandenburg, anschließend fuhren sie gemeinsam in die Kleinstadt Güstrow, die für diesen Tag zu einer Geisterstadt wurde. Niemand außer den Mitarbeitern der Staatsorgane durfte sie betreten, die Bewohner hatten ihre Häuser nicht zu verlassen.

Patricia Görg nimmt das historische Ereignis als Vorlage für eine literarische Collage, zusammengesetzt aus Elementen der klassischen Reportage, alten DDR-Witzen, Ortsbesichtigungen und biographischen Schnipseln. Ganz selten nur mischt sie fiktionale Fragmente in diesen Text – nur gerade genug, um Fragen nach der geistigen und emotionalen Verfassung der beiden Politiker aufzuwerfen.

Ganz anders funktioniert die Hommage an Prinzessin Diana: Das Leben und Treiben der Queen of England und der ganzen Familie Windsor präsentiert Patricia Görg als absurdes Theaterstück, zusammengefügt aus assoziativen Wortkaskaden und Anspielungen. Im Stakkato einer hochproduktiven Metaphorik mischen sich bekannte Fernsehbilder mit poetischen Preziosen, flapsige Randbemerkungen mit steilen Lyrismen. Das Ergebnis ist ein sprachlicher Overkill, dem das erzählerische Projekt letztlich zum Opfer fällt.

Überzeugend sind die Geschichten nur dann, wenn sich Patricia Görg diszipliniert und ihre beachtliche sprachliche Fantasie in den Dienst der Figuren stellt. Manchmal gelingt ihr das atemberaubend gut, wie passagenweise in der Charakterskizze des alten und todkranken Francois Mitterrand; doch sobald die Begeisterung am poetischen Eigenleben der Wörter Oberhand gewinnt, werden ihre schönen Formulierungen zum Selbstzweck, zum überflüssigen Ornament. Patricia Görgs Annäherung an historische Persönlichkeiten ist ungewöhnlich und literarisch wagemutig, doch das Experiment ist – noch? – nicht ganz gelungen.

Patricia Görg: Tote Bekannte. Zeitgeschichten. Berlin Verlag, 2005. 18 Euro
Prinzessin Diana †
Prinzessin Diana© AP