Zehn Jahre Berliner Prime-Time-Theater

Richtigen Sex gibt´s nur im Wedding

Aufführung des Stücks "Gutes Wedding, schlechtes Wedding" im Mai 2006 im Prime-Time-Theater im Berliner Stadtbezirk Wedding. Auf der Bühne stehen drei Schauspieler, zwei Männer, eine Frau.
Aus den Anfangszeiten: Eine Folge "Gutes Wedding, schlechtes Wedding" im Mai 2006. © picture-alliance/ dpa/dpaweb/Foto: Michael Hanschke
Von Wolf-Sören Treusch · 09.01.2014
Der Berliner Wedding verliert immer mehr sein Schmuddelimage. Künstler und junge Familien ziehen dorthin. Dass der Wedding hip ist, wissen die Theatermacher vom Prime-Time-Theater schon länger und gründeten vor zehn Jahren die private Bühne. Mit einer Jubiläumsfolge des Dauerbrenners "Gutes Wedding, schlechtes Wedding" wird jetzt Geburtstag gefeiert.
"Mitte ist schitte, Prenzlberg is Petting, Real Sex ist only Wedding."
Die Titelmelodie von "Gutes Wedding, Schlechtes Wedding". Seit zehn Jahren ist sie zu Vorstellungsbeginn zu hören. Die Botschaft ist eindeutig: wohin auch immer es die Neu-Berliner ziehen mag, die richtig guten Typen finden sie nur hier: im Wedding. Wie beispielsweise Oliver Tautorat – Theaterdirektor, Geschäftsführer und Hauptdarsteller in einem.
"Bei uns sind ja die Underdogs, die Weddinger, das sind ja die Helden. So. Und damit verraten wir diese Menschen auch nicht. Sondern wir gehen ganz liebevoll mit denen um, und dadurch gibt es schon immer wieder die Situation, dass sie sich da auch wieder erkennen."
Szene:"Also es gibt Momente im Leben eines Mannes, da brauchst du nen richtig guten Döner."
Oliver Tautorat als Taxi-Döner-Fahrer Murat – mit Auftritten wie diesen begann vor zehn Jahren die unglaubliche Erfolgsgeschichte des Prime Time Theaters. Und mit der grandiosen Idee, das Ganze als Serienformat zu entwickeln und entsprechend zu verkaufen.
"Die erste Theatersitcom der Welt. Neue Erfindung, einmalig, jetzt nur im Wedding, und rein zufällig haben wir das Winterloch erwischt Mitte Januar, wo einfach nix los ist, und dadurch wurden sehr viele auf uns aufmerksam."
Constanze Behrends hat das Prime Time Theater mit begründet. Sie schreibt und inszeniert und steht auf der Bühne. Insgesamt 111 Stücke, davon 88 Folgen "Gutes Wedding, schlechtes Wedding".
"Learning by doing. Schreiben, auf die Bühne gehen, selber spielen, merken, wo die Lacher kommen, wo sie nicht kommen, was dramaturgisch vielleicht anders sein muss, was unverständlich ist, welche Figuren funktionieren, welche nicht, es ist wie, eigentlich wie ein Stück Kohle, dass mit ganz, ganz viel Druck zu einem Diamanten geworden ist."
Szene: "Herzlich willkommen im Arbeitsamt Wedding, mein Name ist Heidemarie Schinkel, und ich unterrichte sie in meinem schönen Sprachkurs ´Sächsisch für Nichtsachsen`."
Erfolg gibt Machern recht
Manche kritisieren die Wedding-Sitcom als Trash, als eine Ansammlung von Klischees. Dennoch ist sie ein Publikumserfolg. Vor zehn Jahren starteten Oliver Tautorat und Constanze Behrends in einem Wohnzimmertheater mit 30 Plätzen. Seit vier Jahren bespielen sie ein Theater mit 230 Plätzen, die Vorstellungen sind oft ausverkauft. Längst gibt es eine eingefleischte "GWSW"-Fangemeinde, die keine Folge verpassen will. Die Stammgäste sind begeistert von Murat, dem Postboten Kalle, dem Prenzlwichser Uwe Gammerdinger oder der Arbeitsamtsleiterin Heidemarie Schinkel, die nebenbei Sächsisch für Anfänger unterrichtet.
Szene: "Zum Beispiel zwischen das A und das U schiebt sich immer auch ein O, und es ist nun ein Triphtong, ein Dreierlaut, der da heißt aou. Ja, das ist wie bei so ner Rülpsröhre: aou. Zum Beispiel im schönen Wort Baoum. – (drei Zuschauer) Baoum. – Straouch. – Straouch. – Laout – Laout. – Na wunderbar, das hört sich doch an wie der Leipziger Hauptbahnhof. Vielen herzlichen Dank."
Zu den Fans von Constanze Behrends alias Heidemarie Schinkel und dem Prime Time Theater gehört mittlerweile auch eine Schar prominenter Politiker. Zum Beispiel Eva Högl, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD im Bundestag.
"Super, großartig. Ich war gleich ganz begeistert, das ist was, was es gar nicht vergleichbar irgendwo anders gibt, also das ist nix nachgemachtes, sondern das ist was ganz eigenes, ganz spezielles, und was mir besonders gefallen hat, ist der Bezug zum Wedding. Vielleicht hat das Prime Time Theater ein klein bisschen dazu beigetragen, dass mir der Wedding so ans Herz gewachsen ist, dass ich in den Wedding gezogen bin."
In den kommenden zwei Spielzeiten fördert der Berliner Senat das Prime Time Theater mit insgesamt 240.000 Euro. Bei gleich bleibend niedrigen Eintrittspreisen zwischen acht und achtzehn Euro eine dringend notwendige Finanzspritze.
Szene: "Und zwar ne Umschulung zum Model. – Model. – Ja, und da habe ich mir gedacht, ich bewerbe mich mal bei Germanys next Topfmodel, und da wird man halt, wenn man das gewinnt, das nächste Teflongesicht."
Jetzt wird erst mal gefeiert. "Best of zehn Jahre GWSW" heißt die Jubiläumsfolge. Grund zum Feiern gibt es genug: auch im Ruhrgebiet kann man das Format mittlerweile sehen. "Gutes Essen, Schlechtes Essen" heißt der Ableger dort. Noch einmal Constanze Behrends.
"Das Ruhrgebiet hat mit dem Wedding speziell gemeinsam, dass es auch unglaublich unterschätzt ist. Diesen Underdog-Status, und das brauchts, glaube ich. Dann haben wir eben gesagt: nee egal, wir stärken das Image des Wedding, wir drehen es um und sagen ‚hey Wedding ist cool und Prenzlberg und die anderen sind vielleicht nicht so toll’, wir zeigen mal den Spiegel vor. Und das funktioniert mit dem Ruhrgebiet nämlich auch. Was hier die Prenzlwichser sind, sind dann da eben die reichen Düsseldorfer Medienfuzzis, die dann immer ankommen und aus jeder Zeche irgendwie Kunst machen wollen, und das Prinzip funktioniert halt sehr gut."
"Mitte ist schitte, Prenzlberg is Petting, Real Sex ist only Wedding."