Zehn Gründe, warum Herrn P.s Herz für die Bundeswehr schlägt

Von Klaus Pokatzky |
Ein Kriegsdienstverweigerer, der dennoch gebeten wurde, die Presseoffiziere der Bundeswehr im Umgang mit den Medien auszubilden, listet in dieser Glosse seine positiven Erfahrungen auf. Herr P. stimmt ein Loblieb auf den letzten Hort zivilisierter Umgangsformen an.
Erstens schlägt Herrn Ps. Herz für die Bundeswehr, weil die Bundeswehr des Jahres 2005 nicht die Bundeswehr des Jahres 1972 ist - in dem Herr P. sich auf Artikel vier, Absatz drei des Grundgesetzes berief, den Kriegsdienst verweigerte, nach einer inquisitorischen Gewissenprüfung als staatlich geprüfter Pazifist anerkannt und dem Zivildienst übergeben wurde.

Zweitens schlägt Herrn P.s Herz für die Bundeswehr, weil diese ihn - den anerkannten Kriegsdienstverweigerer - vor mehr als zehn Jahren bat, ihre Presseoffiziere in möglichst freundlichem und denkbar offenem Umgang mit den Medien auszubilden: was der Beginn einer wunderbaren Zusammenarbeit war und dazu führte, dass Herr P. heute ein Drittel seiner Arbeitszeit bei der Bundeswehr verbringt.

Drittens schlägt Herrn P.s Herz für die Bundeswehr, weil seine inzwischen mehr als 3000 medialen Auszubildenden in Uniform – vom Gefreiten bis zum General – dabei eine Motivation an den Tag legten, eine Fähigkeit zur selbstkritischen Betrachtung etwa bei Interviewübungen und eine Bereitschaft, sich von Herrn P. als ihrem Ausbilder (gelegentlich auch heftig) kritisieren zu lassen – die Herr P. aus dem intellektuellen und oft ja nur pseudo-intellektuellen Journalistenmilieu nicht gewohnt ist.

Herrn P.s Herz schlägt, viertens, für die Bundeswehr, weil deren Soldaten nicht nur die beherzte Geselligkeit beherrschen, sondern auch über eine einzigartige Streitkultur – bei der über so gut wie jedes Thema aufs Heftigste und Energischste gestritten werden kann und am nächsten Morgen bei zunehmender Nüchternheit (ohne jedes Nachtragen und Nachkarten) selbst die übelsten Sätze vergessen sind, die man zu fortgeschrittener Stunde jemandem an den Kopf geworfen hatte beziehungsweise von diesem an den Kopf geworfen bekam.

Fünftens schlägt Herrn P.s Herz für die Bundeswehr, weil er ihre hochprofessionelle und so gar nicht martialische Beteiligung an den Auslandseinsätzen etwa auf dem Balkan schätzt: und Herr P. zu jenen zivilisierten Mitteleuropäern gehörte, die während des Bosnienkrieges dreieinhalb Jahre lang allabendlich vor dem Fernseher Platz nahmen, um sich die Zerstörung des einstigen multiethnischen Kleinods Sarajevo anzusehen und die alle von Srebrenica wissen konnten – und keinen Finger rührten, zu keiner Demonstration aufriefen, kein Protesttelegramm an die tatenlose UNO schickten.

Sechstens schlägt Herrn P.s Herz für die Bundeswehr, weil sie eine Wehpflichtarmee ist und eine allgemeine Dienstpflicht zumindest für junge Männer eine letzte Bastion gegen die völlige Ego-Gesellschaft ist, und ein letzter sozialer Schmelztiegel, in dem während der Allgemeinen Grundausbildung in der berühmten Vier- oder Sechs-Mann-Stube der Milliardärssohn zwischen Arbeiter- und Hartz-Vier-Söhnen untergebracht ist.

Und, siebtens, auch ein letzter Hort zivilisierter Umgangsformen, wo das Grüßen der Mitmenschen mit als Allererstes in der Grundausbildung gelernt und gelehrt wird, was Herr P. sich auch gerne für sein Journalistenmilieu wünscht - der ohnehin mit zunehmendem Alter die berühmten preußischen Sekundärtugenden wie Zuverlässigkeit und Rücksichtnahme, Disziplin und Fleiß, Pünktlichkeit und Pflichtbewusstsein als soziale Primärtugenden begreift, ohne die eine Gemeinschaft von Menschen als Dschungel-Camp im Big Brother-Container enden muss.

Herrn P.s Herz schlägt, achtens, für die Bundeswehr, weil sonst nur noch seine katholische Kirche so schön und feierlich, melancholisch und mit allem Tschingderassabumm identitätsstiftende Rituale zelebrieren kann: das feierliche Gelöbnis, den großen Zapfenstreich, die Flaggenparade.
Und dabei, neuntens, sich der Moderne nicht verschließt. Die Bundeswehr in ihrem 50. Jahr ist der einzige Arbeitgeber in diesem Lande, bei dem Mobbing und Diskriminierung von Schwulen und Lesben nicht nur verboten sind, sondern auch disziplinarisch bestraft werden können.

Zehntens schlägt Herrn P.s Herz für die Bundeswehr, weil er selber gar kein anerkannter Kriegsdienstverweigerer mehr ist. Herr P. hat nämlich vor drei Jahren, 28 Jahre nach Ableistung seines Zivildienstes, förmlich seinen Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer aus dem Mai 1972 zurückgezogen und sich und seine Akten freiwillig und ohne Not dem Kreiswehrersatzamt Berlin unterstellt. Nun lebt Herr P. völlig im Reinen mit sich. Und feiert 50 Jahre Bundeswehr. Seine Bundeswehr. Unsere Bundeswehr.