Zehetmair: Start der Rechtschreibreform könnte sich verzögern
Der Vorsitzende des Rates für deutsche Rechtschreibung, Hans Zehetmair (CSU), hat sich für einen späteren gleichzeitigen Start der neuen Rechtschreibung in allen Bundesländern ausgesprochen. Es sei praktisch unmöglich, bis zum Schuljahresbeginn die nötigen Korrekturen zu erarbeiten, sagte Zehetmair.
Ricke: Die Debatte über die Rechtschreibreform hat eine Qualität erreicht, dass einem manchmal etwas schwindelig werden kann, insbesondere wenn man nicht ganz aus dem Auge verliert, dass es ja schön wäre, wenn im kommenden Schuljahr die Kinder in Deutschland dieselbe Rechtschreibung erlernten. Da gibt es nun den Beschluss der Kultusministerkonferenz zur Einführung der unstrittigen Teile zum 1. August, aber dieser scheint nicht so ganz bindend zu sein: Einige Länder scheren aus, wollen den Beschluss erst dann einführen, wenn auch die strittigen Teile geklärt sind. Dafür gibt es Argumente, aber schön wäre es eben, wenn es einheitlich wäre. Bayern beispielsweise will warten, bis der Rat der Rechtschreibung Korrekturen empfiehlt, Hessen will die Rechtschreibung jetzt erst einmal in Kraft setzen. Das vom früheren bayerischen Wissenschaftsminister Hans Zehetmair geleitete Gremium Rat der Rechtschreibung war nach heftigen Protesten an der Rechtschreibreform von der Kultusministerkonferenz eingesetzt worden. Guten Morgen!
Zehetmair: Guten Morgen!
Ricke: Könnten Sie mit Ihrem alten Chef Herrn Stoiber telefonieren und sagen, die Empfehlung schaffen wir bis zum Schulbeginn Mitte September oder bleiben die Schulkinder noch ein Jahr im Ungewissen?
Zehetmair: Es ist nicht möglich, dass der Rat die Korrekturen, die er sich vorgenommen hat, bis zum Schuljahresbeginn Bayerns schafft, im Übrigen haben die anderen Länder zum Teil früheren Schuljahresbeginn, da wäre nur noch etwa ein Monat hin, das wäre nicht realistisch.
Ricke: Heute nun telefonieren die zuständigen Staatssekretäre der unionsgeführten Länder, um eine Art gemeinsames Vorgehen hinzubekommen. Glauben Sie denn als erfahrener Politiker, dass man in der kurzen Zeit eine gemeinsame Linie finden wird, die es bisher noch nicht gibt?
Zehetmair: Ich kann es mir schon vorstellen, weil eigentlich die Kultusminister vor ihrer Entscheidung, dass sie zum 1. August die angeblich unstrittigen Teile in Kraft setzen wollen, schon überlegt hatten, ob sie nicht ein Moratorium setzen, etwa fürs kommende Schuljahr, um dann das ganze Paket der Vorschläge des Rates der deutschen Rechtschreibung zu übernehmen.
Ricke: Empfehlen Sie das den Ländern, die zum 1. August umsetzen wollen?
Zehetmair: Im Prinzip würde ich es für richtig halten, wenn die Länder gemeinsam gehen würden, und da es ja darum geht, dass man die Frage stellt: werden jetzt bestimmte Bereiche den Schülern als Fehler angerechnet oder lässt man es noch in der Schwebe bis man weiß, wie denn endgültig geschrieben wird, da würde ich zugunsten des Schülers sagen, die Lehrer ermuntern, dass sie pädagogisch diese Zeit nutzen, über den Sinn von Schreibweisen zu sprechen und lehren und nicht den Hauptakzent darauf setzen, was jetzt schon falsch ist.
Ricke: Was mich am meisten wundert: dieser Reformprozess, die Rechtschreibreform läuft seit Jahren, aber jetzt gibt es diesen erneuten Aufbruch. Das sieht doch fast ein bisschen aus, als ob ein Schüler drei Tage vor der entscheidenden Klausur feststellt, dass er sich dringend auf den Hosenboden setzen muss. Hat die Politik getrödelt?
Zehetmair: Ich bin als früherer Politiker gebeten worden, den Vorsitz dieses Rates zu übernehmen. Wann die Politik diese Erkenntnis hatte, und ob diese richtig war oder ob sie zu spät war, das will ich dahingestellt lassen. Auf jeden Fall ist es noch ein bisschen kurz vor zwölf richtig gewesen, die in der Bevölkerung zu Irritation führenden Situationen doch noch zu beheben, und darum ist dieser Rat bemüht, der ja sehr heterogen zusammengesetzt ist, aber natürlich schon fachkompetent. Ich hoffe, dass dann diese Aufgeregtheiten, die unserem Land nicht gut tun (und allen deutschsprachigen Ländern) doch mal im Laufe des Jahres zu Ende geführt werden.
Ricke: Diese Irritationen wurden vielleicht nicht ausgelöst, so aber doch sehr stark verstärkt, als einige Medien zur alten Rechtschreibung zurückgehrten, die "Frankfurter Allgemeine" sei genannt, der "Spiegel", der Axel Springer Verlag. Da hat man sich quasi anarchistisch der Reform entzogen. Schreibt denn in Zukunft jeder wie er will?
Zehetmair: Das gilt es zu verhindern, denn das ist ein so wichtiges Kulturinstrument für den deutschsprachigen Menschen, dass wir das nicht zulassen sollten. Das ist ja eigentlich das Problem, dass Gefahr besteht, die Schule lehrt das eine, das Verhalten der Öffentlichkeit einschließlich der genannten Medien und der Literaten ist dann anders, und da driftet auseinander, was nicht auseinanderdriften soll. Deutschland hat schon genug Probleme, zusammenzufinden, die Rechtschreibung, sowohl die geschriebene wie auch die gelesene Sprache, sollten nicht auch noch auseinander fallen.
Ricke: Wenn man sich die Debatte über die Rechtschreibreform ansieht der vergangenen Wochen, Monate, auch Jahre, dann könnte man zu dem Ergebnis kommen, dass es eben nicht so sehr um Getrennt- und Zusammenschreibung geht, Worttrennung am Zeilenende und Interpunktion, sondern auch um Populismus, geschürt zum Beispiel von der "Bild"-Zeitung, die ja eine Kampagne gegen die so genannte Schlechtschreibreform führt. Kann es sein, dass hier populistischer Wahlkampf auf dem Rücken unserer Kinder gemacht wird?
Zehetmair: Da ja dieser Populismus, den man nicht in Abrede stellen kann, schon einige Zeit währt (ich erinnere an letzten Sommer) ist natürlich schon klar: Es wird von verschiedenen auch genutzt, dass in der Bevölkerung ein Unbehagen ist, auch wenn die Leute oft nicht wissen, was nun wirklich Sache ist, da wird verunsichert, und das verleitet gleichzeitig dazu, damit Stimmung zu machen. Mir wäre es natürlich sehr recht, wenn wir die Thematik nicht auch noch in den Wahlkampf ziehen würden. Wir haben andere Sorgen.
Zehetmair: Guten Morgen!
Ricke: Könnten Sie mit Ihrem alten Chef Herrn Stoiber telefonieren und sagen, die Empfehlung schaffen wir bis zum Schulbeginn Mitte September oder bleiben die Schulkinder noch ein Jahr im Ungewissen?
Zehetmair: Es ist nicht möglich, dass der Rat die Korrekturen, die er sich vorgenommen hat, bis zum Schuljahresbeginn Bayerns schafft, im Übrigen haben die anderen Länder zum Teil früheren Schuljahresbeginn, da wäre nur noch etwa ein Monat hin, das wäre nicht realistisch.
Ricke: Heute nun telefonieren die zuständigen Staatssekretäre der unionsgeführten Länder, um eine Art gemeinsames Vorgehen hinzubekommen. Glauben Sie denn als erfahrener Politiker, dass man in der kurzen Zeit eine gemeinsame Linie finden wird, die es bisher noch nicht gibt?
Zehetmair: Ich kann es mir schon vorstellen, weil eigentlich die Kultusminister vor ihrer Entscheidung, dass sie zum 1. August die angeblich unstrittigen Teile in Kraft setzen wollen, schon überlegt hatten, ob sie nicht ein Moratorium setzen, etwa fürs kommende Schuljahr, um dann das ganze Paket der Vorschläge des Rates der deutschen Rechtschreibung zu übernehmen.
Ricke: Empfehlen Sie das den Ländern, die zum 1. August umsetzen wollen?
Zehetmair: Im Prinzip würde ich es für richtig halten, wenn die Länder gemeinsam gehen würden, und da es ja darum geht, dass man die Frage stellt: werden jetzt bestimmte Bereiche den Schülern als Fehler angerechnet oder lässt man es noch in der Schwebe bis man weiß, wie denn endgültig geschrieben wird, da würde ich zugunsten des Schülers sagen, die Lehrer ermuntern, dass sie pädagogisch diese Zeit nutzen, über den Sinn von Schreibweisen zu sprechen und lehren und nicht den Hauptakzent darauf setzen, was jetzt schon falsch ist.
Ricke: Was mich am meisten wundert: dieser Reformprozess, die Rechtschreibreform läuft seit Jahren, aber jetzt gibt es diesen erneuten Aufbruch. Das sieht doch fast ein bisschen aus, als ob ein Schüler drei Tage vor der entscheidenden Klausur feststellt, dass er sich dringend auf den Hosenboden setzen muss. Hat die Politik getrödelt?
Zehetmair: Ich bin als früherer Politiker gebeten worden, den Vorsitz dieses Rates zu übernehmen. Wann die Politik diese Erkenntnis hatte, und ob diese richtig war oder ob sie zu spät war, das will ich dahingestellt lassen. Auf jeden Fall ist es noch ein bisschen kurz vor zwölf richtig gewesen, die in der Bevölkerung zu Irritation führenden Situationen doch noch zu beheben, und darum ist dieser Rat bemüht, der ja sehr heterogen zusammengesetzt ist, aber natürlich schon fachkompetent. Ich hoffe, dass dann diese Aufgeregtheiten, die unserem Land nicht gut tun (und allen deutschsprachigen Ländern) doch mal im Laufe des Jahres zu Ende geführt werden.
Ricke: Diese Irritationen wurden vielleicht nicht ausgelöst, so aber doch sehr stark verstärkt, als einige Medien zur alten Rechtschreibung zurückgehrten, die "Frankfurter Allgemeine" sei genannt, der "Spiegel", der Axel Springer Verlag. Da hat man sich quasi anarchistisch der Reform entzogen. Schreibt denn in Zukunft jeder wie er will?
Zehetmair: Das gilt es zu verhindern, denn das ist ein so wichtiges Kulturinstrument für den deutschsprachigen Menschen, dass wir das nicht zulassen sollten. Das ist ja eigentlich das Problem, dass Gefahr besteht, die Schule lehrt das eine, das Verhalten der Öffentlichkeit einschließlich der genannten Medien und der Literaten ist dann anders, und da driftet auseinander, was nicht auseinanderdriften soll. Deutschland hat schon genug Probleme, zusammenzufinden, die Rechtschreibung, sowohl die geschriebene wie auch die gelesene Sprache, sollten nicht auch noch auseinander fallen.
Ricke: Wenn man sich die Debatte über die Rechtschreibreform ansieht der vergangenen Wochen, Monate, auch Jahre, dann könnte man zu dem Ergebnis kommen, dass es eben nicht so sehr um Getrennt- und Zusammenschreibung geht, Worttrennung am Zeilenende und Interpunktion, sondern auch um Populismus, geschürt zum Beispiel von der "Bild"-Zeitung, die ja eine Kampagne gegen die so genannte Schlechtschreibreform führt. Kann es sein, dass hier populistischer Wahlkampf auf dem Rücken unserer Kinder gemacht wird?
Zehetmair: Da ja dieser Populismus, den man nicht in Abrede stellen kann, schon einige Zeit währt (ich erinnere an letzten Sommer) ist natürlich schon klar: Es wird von verschiedenen auch genutzt, dass in der Bevölkerung ein Unbehagen ist, auch wenn die Leute oft nicht wissen, was nun wirklich Sache ist, da wird verunsichert, und das verleitet gleichzeitig dazu, damit Stimmung zu machen. Mir wäre es natürlich sehr recht, wenn wir die Thematik nicht auch noch in den Wahlkampf ziehen würden. Wir haben andere Sorgen.