Zauber des Banalen
"Rohlfs im Norden" nennen die Kunsthalle Kiel und das Ernst Barlach Haus Hamburg ihr Projekt, in dessen Rahmen sie den Maler Christian Rohlfs vorstellen. Während Kiel den bekannten expressiven Rohlfs mit seinem ab 1900 entstandenen Spätwerk zeigt, widmet sich das Barlach Haus mit seiner Ausstellung "Zauber des Banalen" erstmals dem vor 1900 entstandenen Werk des Malers - und präsentiert damit ausgesprochen Überraschendes.
Eine Obstplantage im März: Die kahlen Bäume triefen vor Nässe, durch ihre Reihen führt ein schmaler, matschiger Weg, das Gras ist fahl, der Himmel bewölkt - alles Grau in Grau.
Christian Rohlfs malte das großformatige Bild 1889. In einer Zeit, in der man - wenn überhaupt - eine liebliche und schön komponierte Landschaft erwartet, zeigt er einen völlig unspektakulären Blick auf einige nasse Bäume.
Dieser Blick ist typisch für das vor 1900 entstandene Werk Rohlfs, das jetzt erstmals in einer Ausstellung zu sehen ist: Die 50 chronologisch gehängten Gemälde aus den Jahren zwischen 1880 und 1900 zeigen immer wieder solche scheinbar-unscheinbaren Motive, die Rohlfs Zeitgenossen empörten.
Berühmt wurde Christian Rohlfs erst mit seinem Spätwerk, mit den lyrisch-farbigen und expressionistischen Bildern, die nach 1900 entstanden. Mit ihnen gilt er als einer der Wegbereiter der modernen Malerei in Deutschland, sie werden immer wieder gezeigt, sie bestimmen das kunstgeschichtliche Bild von Rohlfs.
Das Frühwerk hingegen wurde schon zu seiner Entstehungszeit wieder vergessen: matschige Wege, altes Mauerwerk, verfallene Schuppen - solche ungeschönten Blicke auf die Wirklichkeit mochten die bürgerlichen Herrschaften nicht, sie verlangten für ihre Salons das, was an den Akademien gelehrt wurde - und was auch Rohlfs lernen musste.
Barlach-Haus-Leiter Sebastian Giesen: "Natürlich gehörte zum üblichen Kanon das Zeichnen nach antikem Vorbild, Historiengemälde, maximal vielleicht ein paar Genregemälde. Das heißt also: Die Malerei musste einen Inhalt haben, ein Motiv haben, dass sich auf irgendeine Weise zumindest auf ein historisches Ereignis, auf eine antike Sage oder dergleichen bezogen hat."
All dies interessierte Rohlfs jedoch nicht. Er ging seinen ganz eigenen künstlerischen Weg.
Rohlfs, 1849 als Sohn eines Kleinbauern in Holstein geboren, kam durch einen schweren Unfall zur Malerei: Als Jugendlicher stürzte er von einem Baum, musste zwei Jahre im Bett verbringen und begann zu zeichnen. Ein Arzt entdeckte sein Talent, vermittelte ihn später nach Weimar, wo er Mitte der 70er Jahre sein Studium begann und danach als freier Künstler lebte. Doch statt nun historische oder symbolistische Themen zu malen, beschäftigte sich Rohlfs mit den französischen Realisten, vor allem mit Courbet, und der Bauernsohn ging in die Natur.
"Und das ist das ganz Außergewöhnliche an Christian Rohlfs, und hier setzt im Grunde auch unsere Ausstellung ein: Er malt eigentlich Motive, die in den Augen der Akademie sowieso aber auch der anderen vollkommen bildunwürdig sind. Man kann auch sagen "banal". Er wählt sich aus: matschige Feldwege, verlassene Katen, Bretterstapel, eine Mühle."
Wie Rohlfs diese scheinbar banalen Versatzstücke von Wirklichkeit auf die Leinwand bringt, ist unglaublich: Ganz anders als die ihm bekannten Impressionisten interessiert ihn gerade nicht das Atmosphärische der Natur, sondern der Materialcharakter, das Wirkliche, das Harte und Ungeschönte. Um dies einfangen zu können, zeigt er oft ungewöhnlich nahe Bildausschnitte: die Wand eines verlassenen Steinbruchs, einen Brückenbogen, den Blick ins Unterholz, altes Mauerwerk. Diesem realistischen und "materiellen" Blick entsprechend bringt Rohlfs die Farben auf die Leinwand.
"Er fügt immer wieder Farbe hinzu, teilweise enorm pastos, schiebt dann mit dem Pinsel oder dem Pinselstil oder dem Spachtel einzelne Farbflächen herum, schält dann aus dieser pastosen Malerei einzelne Details heraus, wie Baumstämme oder ein Blätterwerk, gibt neue Farbe hinzu, nimmt sie wieder hinweg, das ist also ein Malvorgang, den wir eigentlich erst von Malern der Moderne kennen oder sogar der 50er oder 60er Jahre, wo geradezu haptisch gemalt wird."
Mit dieser völlig neuen und kraftvollen Malweise stand Rohlfs allein. Seine Zeitgenossen empfanden sie als "dreckig" und "unkünstlerisch", seine Arbeit wurde angefeindet, noch mit 50 Jahren hatte er kaum Bilder verkauft, lebte von der Hand in den Mund.
Sebastian Giesen: "Wir haben Berichte von seinen Malerkollegen, dass er dann gelegentlich vor Hunger vor der Leinwand zusammengebrochen ist. Wie viel das dann Legende ist - das arme Künstlerschicksal - lassen wir mal dahingestellt, zeigt aber doch, dass diese Frühphase seiner Malerei bis 1900 zur damaligen Zeit natürlich überhaupt nicht anerkannt war. "
Erst als Rohlfs um 1900 beginnt, nach neuen Formen zu suchen, sich mit den Pointilisten und van Gogh beschäftigt, seine Bilder farbiger und lieblicher werden, wird er entdeckt, gefördert und ausgestellt. Ein Mäzen bietet ihm in Hagen ein Atelier und finanzielle Sicherheit. In den 20er Jahren - Rohlfs ist in den 70ern - ist er berühmt.
"Er wird mit Ehrenprofessuren überhäuft, wird Ehrenbürger der Stadt Hagen etc., etc. Das war natürlich für ihn bitter zu sehen, dass dieselben Menschen, die ihn so geehrt haben, dann einige Jahre später nach der Machtergreifung von ihm nichts mehr wissen wollten und dann die Gemälde wieder aus den Museen entfernt worden sind."
1938, im Alter von 89 Jahren, stirbt Christian Rohlfs. In Erinnerung bleiben ausschließlich seine expressionistischen Arbeiten.
67 Jahre nach seinem Tod zeigt nun erstmals eine Ausstellung, dass es noch einen anderen Rohlfs gibt, mit einem in sich geschlossenen Frühwerk, das in seiner thematischen wie malerischen Radikalität noch gewagter und innovativer ist, als sein Spätwerk. Dem Barlach-Haus ist damit eine wirkliche Entdeckung gelungen.
Christian Rohlfs malte das großformatige Bild 1889. In einer Zeit, in der man - wenn überhaupt - eine liebliche und schön komponierte Landschaft erwartet, zeigt er einen völlig unspektakulären Blick auf einige nasse Bäume.
Dieser Blick ist typisch für das vor 1900 entstandene Werk Rohlfs, das jetzt erstmals in einer Ausstellung zu sehen ist: Die 50 chronologisch gehängten Gemälde aus den Jahren zwischen 1880 und 1900 zeigen immer wieder solche scheinbar-unscheinbaren Motive, die Rohlfs Zeitgenossen empörten.
Berühmt wurde Christian Rohlfs erst mit seinem Spätwerk, mit den lyrisch-farbigen und expressionistischen Bildern, die nach 1900 entstanden. Mit ihnen gilt er als einer der Wegbereiter der modernen Malerei in Deutschland, sie werden immer wieder gezeigt, sie bestimmen das kunstgeschichtliche Bild von Rohlfs.
Das Frühwerk hingegen wurde schon zu seiner Entstehungszeit wieder vergessen: matschige Wege, altes Mauerwerk, verfallene Schuppen - solche ungeschönten Blicke auf die Wirklichkeit mochten die bürgerlichen Herrschaften nicht, sie verlangten für ihre Salons das, was an den Akademien gelehrt wurde - und was auch Rohlfs lernen musste.
Barlach-Haus-Leiter Sebastian Giesen: "Natürlich gehörte zum üblichen Kanon das Zeichnen nach antikem Vorbild, Historiengemälde, maximal vielleicht ein paar Genregemälde. Das heißt also: Die Malerei musste einen Inhalt haben, ein Motiv haben, dass sich auf irgendeine Weise zumindest auf ein historisches Ereignis, auf eine antike Sage oder dergleichen bezogen hat."
All dies interessierte Rohlfs jedoch nicht. Er ging seinen ganz eigenen künstlerischen Weg.
Rohlfs, 1849 als Sohn eines Kleinbauern in Holstein geboren, kam durch einen schweren Unfall zur Malerei: Als Jugendlicher stürzte er von einem Baum, musste zwei Jahre im Bett verbringen und begann zu zeichnen. Ein Arzt entdeckte sein Talent, vermittelte ihn später nach Weimar, wo er Mitte der 70er Jahre sein Studium begann und danach als freier Künstler lebte. Doch statt nun historische oder symbolistische Themen zu malen, beschäftigte sich Rohlfs mit den französischen Realisten, vor allem mit Courbet, und der Bauernsohn ging in die Natur.
"Und das ist das ganz Außergewöhnliche an Christian Rohlfs, und hier setzt im Grunde auch unsere Ausstellung ein: Er malt eigentlich Motive, die in den Augen der Akademie sowieso aber auch der anderen vollkommen bildunwürdig sind. Man kann auch sagen "banal". Er wählt sich aus: matschige Feldwege, verlassene Katen, Bretterstapel, eine Mühle."
Wie Rohlfs diese scheinbar banalen Versatzstücke von Wirklichkeit auf die Leinwand bringt, ist unglaublich: Ganz anders als die ihm bekannten Impressionisten interessiert ihn gerade nicht das Atmosphärische der Natur, sondern der Materialcharakter, das Wirkliche, das Harte und Ungeschönte. Um dies einfangen zu können, zeigt er oft ungewöhnlich nahe Bildausschnitte: die Wand eines verlassenen Steinbruchs, einen Brückenbogen, den Blick ins Unterholz, altes Mauerwerk. Diesem realistischen und "materiellen" Blick entsprechend bringt Rohlfs die Farben auf die Leinwand.
"Er fügt immer wieder Farbe hinzu, teilweise enorm pastos, schiebt dann mit dem Pinsel oder dem Pinselstil oder dem Spachtel einzelne Farbflächen herum, schält dann aus dieser pastosen Malerei einzelne Details heraus, wie Baumstämme oder ein Blätterwerk, gibt neue Farbe hinzu, nimmt sie wieder hinweg, das ist also ein Malvorgang, den wir eigentlich erst von Malern der Moderne kennen oder sogar der 50er oder 60er Jahre, wo geradezu haptisch gemalt wird."
Mit dieser völlig neuen und kraftvollen Malweise stand Rohlfs allein. Seine Zeitgenossen empfanden sie als "dreckig" und "unkünstlerisch", seine Arbeit wurde angefeindet, noch mit 50 Jahren hatte er kaum Bilder verkauft, lebte von der Hand in den Mund.
Sebastian Giesen: "Wir haben Berichte von seinen Malerkollegen, dass er dann gelegentlich vor Hunger vor der Leinwand zusammengebrochen ist. Wie viel das dann Legende ist - das arme Künstlerschicksal - lassen wir mal dahingestellt, zeigt aber doch, dass diese Frühphase seiner Malerei bis 1900 zur damaligen Zeit natürlich überhaupt nicht anerkannt war. "
Erst als Rohlfs um 1900 beginnt, nach neuen Formen zu suchen, sich mit den Pointilisten und van Gogh beschäftigt, seine Bilder farbiger und lieblicher werden, wird er entdeckt, gefördert und ausgestellt. Ein Mäzen bietet ihm in Hagen ein Atelier und finanzielle Sicherheit. In den 20er Jahren - Rohlfs ist in den 70ern - ist er berühmt.
"Er wird mit Ehrenprofessuren überhäuft, wird Ehrenbürger der Stadt Hagen etc., etc. Das war natürlich für ihn bitter zu sehen, dass dieselben Menschen, die ihn so geehrt haben, dann einige Jahre später nach der Machtergreifung von ihm nichts mehr wissen wollten und dann die Gemälde wieder aus den Museen entfernt worden sind."
1938, im Alter von 89 Jahren, stirbt Christian Rohlfs. In Erinnerung bleiben ausschließlich seine expressionistischen Arbeiten.
67 Jahre nach seinem Tod zeigt nun erstmals eine Ausstellung, dass es noch einen anderen Rohlfs gibt, mit einem in sich geschlossenen Frühwerk, das in seiner thematischen wie malerischen Radikalität noch gewagter und innovativer ist, als sein Spätwerk. Dem Barlach-Haus ist damit eine wirkliche Entdeckung gelungen.