Zarte Hände und Adorno
21.07.2010
Nach seinem Philosophie-Studium kann der Romanheld sich nicht so recht entscheiden, womit er künftig sein Geld verdienen soll. Bis er eine vermeintliche Schnapsidee in die Tat umsetzt. Er gründet ein Streichelinstitut.
Liebte er nicht eine kluge und ehrgeizige Universitätsdozentin, die ihn einerseits drängt, sein Leben sinnvoll zu nutzen, andrerseits seine Streichelbegabung hervorhebt, hätte der charmante Taugenichts sich wohl nicht getraut, ein Institut der besonderen Art zu eröffnen. Auf dem zuständigen Wiener Amt gibt es denn auch gleich Schwierigkeiten der Klassifizierung.
Die Sachbearbeiterin will sein Streichelinstitut unter "Massagesalon" einordnen, aber der frisch gebackene Geschäftsmann fürchtet die Doppeldeutigkeit, denn Sex ist in seinen Räumen nicht vorgesehen. Schließlich einigt man sich auf "Lebensberatung". Der Salon - in einer Straße mit dem schönen Namen Mondscheingasse - läuft rasch besser als erwartet.
Ganz offensichtlich hat der Romanheld eine Marktlücke im allgemeinen Therapie- und Wohlfühlangebot entdeckt. Das liegt nicht nur an seinen Streichelfähigkeiten, sondern auch daran, dass der theoriegeschulte Mann sowohl Adorno zitiert als auch die gesundheitsfördernde Wirkung seines Tuns mit einer Untersuchung belegen kann. Die beweist, dass häufig gestreichelte Ratten sich in Stresssituationen gelassener verhalten als wenig gestreichelte Tiere. Und Mensch und Ratte sind sich bekanntlich ähnlich.
Der Jungunternehmer hat bald einen geregelten Tagesablauf und ein gutes Einkommen, außerdem eine Geschäftspartnerin, die die Idee gewinnbringend verbreitet. Allerdings geht es in dieser grotesken, unterhaltsamen Geschichte nicht nur ums Geschäft, sondern auch um die Liebe. Die zu ordnen und für die Zukunft zu sichern, braucht etwas länger und ist mühsamer als jede Streichelei.
Besprochen von Manuela Reichart
Clemens Berger: Das Streichelinstitut
Wallstein Verlag, Göttingen 2010
358 Seiten, 19,90 Euro
Die Sachbearbeiterin will sein Streichelinstitut unter "Massagesalon" einordnen, aber der frisch gebackene Geschäftsmann fürchtet die Doppeldeutigkeit, denn Sex ist in seinen Räumen nicht vorgesehen. Schließlich einigt man sich auf "Lebensberatung". Der Salon - in einer Straße mit dem schönen Namen Mondscheingasse - läuft rasch besser als erwartet.
Ganz offensichtlich hat der Romanheld eine Marktlücke im allgemeinen Therapie- und Wohlfühlangebot entdeckt. Das liegt nicht nur an seinen Streichelfähigkeiten, sondern auch daran, dass der theoriegeschulte Mann sowohl Adorno zitiert als auch die gesundheitsfördernde Wirkung seines Tuns mit einer Untersuchung belegen kann. Die beweist, dass häufig gestreichelte Ratten sich in Stresssituationen gelassener verhalten als wenig gestreichelte Tiere. Und Mensch und Ratte sind sich bekanntlich ähnlich.
Der Jungunternehmer hat bald einen geregelten Tagesablauf und ein gutes Einkommen, außerdem eine Geschäftspartnerin, die die Idee gewinnbringend verbreitet. Allerdings geht es in dieser grotesken, unterhaltsamen Geschichte nicht nur ums Geschäft, sondern auch um die Liebe. Die zu ordnen und für die Zukunft zu sichern, braucht etwas länger und ist mühsamer als jede Streichelei.
Besprochen von Manuela Reichart
Clemens Berger: Das Streichelinstitut
Wallstein Verlag, Göttingen 2010
358 Seiten, 19,90 Euro