Zahn um Zahn

Von Leonie March · 12.02.2011
Die christlichen Kirchen im südlichen Afrika wachsen kräftig - Missionsstationen florieren. Zum Beispiel in Mosambik: Dort will die unabhängige Missionsstation "Afrika wa Yesu" den Menschen Halt im Glauben und praktische Unterstützung bieten.
Morgengebet in Chupanga, einem Dorf am Ufer des Sambesi-Flusses. Unter einem Baum sitzen sieben Männer und zwei Frauen im Kreis, die Augen geschlossen, die Hände gen Himmel gehoben. Evangelikale Missionare aus den USA und Europa gemeinsam mit einheimischen Kollegen, die Gott eindringlich um Kraft für den Tag bitten.

In ein paar Metern Entfernung haben sich ein Dutzend Kinder versammelt. Neugierig beobachten sie die Besucher, die am Tag zuvor aus Inhaminga, der nächstgrößeren Stadt, angereist sind. Die Missionare sind eine Attraktion in dem entlegenen Dorf, in das nur eine ausgefahrene Sandpiste führt. Die Menschen sind arm. Sie leben in grasgedeckten Hütten, bauen auf kleinen Feldern Mais und Kartoffeln an. Am Brunnen füllen Frauen Plastikkanister mit Wasser, balancieren sie auf dem Kopf nach Hause.

Nach einer halben Stunde beenden die Missionare ihr Gebet. Einer von ihnen ist Christi Osan, ein 29-jähriger Zahnarzt aus Rumänien. Er führt eine kleine Praxis in der Mission von "Afrika wa Yesu", die 1994, nur ein paar Jahre nach Ende des Bürgerkrieges in Mosambik, gegründet wurde. Mindestens einmal im Monat fährt Osan mit einem zur mobilen Klinik umgebauten Pferdetransporter in entlegene Dörfer wie Chupanga, um dort Patienten zu behandeln.

"Es war Berufung. Es war nicht leicht für mich, das kostspielige Studium zu beenden. Ich habe Gott gebeten, mir dabei zu helfen und versprochen, ihm nach meinem Abschluss mindestens drei Jahre lang durch meine Arbeit zu dienen. Im Radio habe ich dann gehört, dass in der Missionsstation hier in Mosambik Zahnärzte gebraucht werden. Also sind wir hergefahren, haben uns alles angesehen und seit Mai 2009 bin ich mit meiner Familie hierher gekommen."

Christi Osan öffnet die Tür seiner mobilen Klinik, zieht einen weißen Kittel über. Im Behandlungsraum ist es eng und heiß. Der Linoleumboden rund um die beiden Zahnarztstühle ist sauber gefegt. Auf einem sterilen Tuch liegen die Instrumente. Draußen im Schatten warten bereits die ersten Patienten. Viele von ihnen waren noch nie beim Zahnarzt, erzählt Aaron Rissler, ein US-amerikanischer Missionar, der seit über zehn Jahren für "Afrika wa Yesu" in Mosambik arbeitet. Ärzte und Krankenhäuser sind zu weit entfernt. Wer krank wird, geht zu traditionellen Heilern. Aus Sicht der Missionare eine Herausforderung.

"Viele unserer modernen Medikamente gehen auf pflanzliche Inhaltstoffe zurück. Die Naturheilkunde hat also durchaus ihre Berechtigung. Das Problem hier in Mosambik ist aber, dass die traditionellen Heiler den Menschen meistens nicht medizinisch weiterhelfen. Sie sind beispielsweise dagegen, dass ein kranker Zahn gezogen wird, da der Dämon, den sie für die Krankheit verantwortlich machen, dann den nächsten Zahn befällt. Die Leute sind diesen Heilern hörig, obwohl sie von ihnen getäuscht werden. Unsere Aufgabe ist es, die Menschen aus dieser Abhängigkeit zu befreien."

Gut ein Drittel der Mosambikaner sind Christen, fast ein Fünftel Muslime, die Mehrheit der Bevölkerung hängt offiziellen Statistiken zufolge Naturreligionen an. Alles wolle man ihnen nicht nehmen, um sie zu bekehren, betont Aaron Rissler. Denn es gebe durchaus gemeinsame Werte, wie der Respekt für alte Menschen, die Bedeutung der Familie und der Zusammenhalt in der Gemeinschaft.

"Es ist nicht unsere Absicht, auch all die gesunden Traditionen abzuschaffen, die Teil der afrikanischen Kultur sind. Denn teilweise stimmen sie mit biblischen Bräuchen überein. Unglücklicherweise haben die Generationen von Missionaren vor uns das nicht so gesehen. Sie wollten die alten Traditionen beseitigen. Wir dagegen glauben, dass der gesunde, biblische Teil der afrikanischen Kultur erhalten werden muss."

In Mosambik hatte während der portugiesischen Kolonialzeit vor allem die katholische Kirche Einfluss. Selbst in einem abgelegenen Ort wie Chupanga steht eine Kirche. Am Ufer des Sambesi, strahlend weiß und blau. Makellos im Gegensatz zum verfallenen Gutshaus in der Nachbarschaft. Viele Menschen hier fühlen sich der katholischen Kirche noch immer verbunden, erzählt Mariano Nota. Der 29-jährige Mosambikaner war selbst Katholik, bevor er auf die Missionare von "Afrika wa Yesu" traf. In der evangelikalen Missionsstation besuchte er die Bibelschule, wurde als Talent erkannt und zur Weiterbildung nach Dallas geschickt. In den USA sitzen die Hauptsponsoren der Station, von der aus ein rund 30-köpfiges internationales Team arbeitet. Mariano Nota ist heute Prediger und wohl einer der eifrigsten Missionare. Vor der mobilen Zahnarztpraxis hat er sich im Schatten eines Baumes unter die Wartenden gemischt, spricht mit ihnen zuerst über ihre Sorgen und Nöte, danach über die Kraft des Evangeliums.

"Das einzige Problem ist der Glaube an Hexerei und die Geister der Toten. Aber die meisten sind offen, wenn ich ihnen von der Liebe Gottes und von Jesus erzähle. Am überzeugendsten sind natürlich die Taten: Wenn wir zum Beispiel für einen Kranken beten und er geheilt wird. Große Wirkung hat es auch, wenn jemand erzählt, wie sich sein Leben durch Gott verändert hat. Dazu kommt, dass wir leben, was wir predigen. Zum Beispiel hier mit der mobilen Klinik. Die Menschen finden nicht nur durch die Bibel, sondern auch durch diese praktische Hilfe zu Jesus."

Ein grauhaariger Mann nickt entschieden mit dem Kopf. Die Missionare scheinen Francisco Alvin überzeugt zu haben. Der 66-Jährige ist gerade erst in die Gegend gezogen, er lebt allein und hat viele Jahre unter Zahnschmerzen gelitten.

"Während ich auf die Behandlung gewartet habe, kam einer der Brüder zu mir, hat mich gefragt, ob ich an Jesus glaube. Das tue ich, denn ich bin bereits Christ und katholisch getauft. Ich bin sehr dankbar, dass der Zahnarzt mir geholfen hat und sehr angetan von dem Interesse dieser Leute an einem einfachen Mann wie mir. Ich würde gern mehr über sie erfahren, denn es scheinen gute Menschen zu sein. Vielleicht schließe ich mich sogar ihrer Gemeinde an."

Für die Missionare war der Tag in Chupanga ein Erfolg: Ein junger Brasilianer hat die vielen Kinder aus dem Dorf unermüdlich mit Liedern, Spielen und Geschichten über Jesus unterhalten. Der Zahnarzt hat fast 20 Menschen aus dem Dorf und der Umgebung behandelt. Die Prediger haben mit wartenden Patienten und Schaulustigen über den Glauben an Gott gesprochen. Bibeln haben sie nicht verteilt, da viele hier Analphabeten sind. Und so klingt der Tag mit einem Film über das Leben Jesu aus, projiziert auf ein aufgespanntes weißes Tuch. Die Schauspieler sind weiß, aber sie sprechen Sena, die örtliche Sprache.

Dutzende Dorfbewohner sind gekommen, um den Film anzusehen. Erwachsene und viele Kinder. Dicht an dicht sitzen sie auf dem sandigen Boden. Für viele von ihnen ist Kino unterm Sternenhimmel wie ein kleines Wunder.