Zahlungskräftiger Kunst-Abenteurer
Kein glatter Eventmanager, sondern ein Mann mit Ecken und Kanten: Als Direktor der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen gebot Werner Schmalenbach über einen Millionenetat. Aus seiner Geringschätzung für manch moderne Kunsterscheinung des 20. Jahrhunderts hat er dabei nie einen Hehl gemacht.
Wer kann sich das heute noch vorstellen? Mit einem jährlichen Millionenetat zog Werner Schmalenbach durch die Länder und Galerien, um die Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen aufzubauen, die dann mit Meisterwerken der klassischen und zeitgenössischen Moderne gespickt war: mit Bildern von Matisse, Picasso, Magritte und Jackson Pollock. "Big Spender" nannte man Schmalenbach, sein Leben war wie ein in der Kunstszene spielender Abenteuerroman - er mittendrin als zahlungskräftiger Fährtensucher.
Man musste aber mit seinem Eigensinn rechnen, einem sich geradezu hartnäckig äußernden Kunstverstand. Nicht all die großen Linien der Kunstgeschichte wollte er in der Sammlung repräsentiert sehen, nicht die vielen Stile abdecken: Auf das einzelne Werk kam es ihm an. Nach den Kriterien für Qualität hat man ihn immer wieder gefragt:
"Ich mache es mir einfach: Ich kann die Qualität nicht definieren, sie definiert sich selbst - über das Bild, welches über Qualität verfügt. So einfach ist das. Es muss natürlich jemand da sein, der das Sensorium hat, das zu erkennen, wobei er sich irren kann. Aber mir ging es ausschließlich um die hohe Qualität. Das war das Einzige, das mich überhaupt ein Leben lang mit der Kunst verbunden hat."
An Selbstvertrauen mangelte es ihm nicht. Er war aber auch bereit, Irrtümer einzugestehen: Kunst gekauft zu haben, die in ihrer Bedeutung die Jahrzehnte nicht überdauert hat. So intensiv war seine Auseinandersetzung, dass gerade ein Werk, das ihm viel abverlangte und abschreckend wirkte, für ihn unverzichtbar wurde, zum Beispiel das vor Gewaltmotiven strotzende Bild "Die Nacht" von Max Beckmann:
"Ein ungeheures, frühes Bild von 1918, das ich nicht ausstehen kann - und auch nicht ausstehen konnte, als ich es kaufte. Aber das Bild war stärker als meine Aversion. Und ich könnte auch heute nicht sagen, dass ich das Bild liebe - so ein Bild liebt man doch nicht! Man kann es bewundern - und das tue ich, aber ich hätte es mir nicht in meine vier Wände gehängt."
Schon vor seiner Zeit als Gründungsdirektor der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen hatte er sich Meriten erworben. Von 1955 bis 1962 leitete er die hannoversche Kestnergesellschaft und war mit einer großen Retrospektive wesentlich an der Wiederentdeckung von Kurt Schwitters beteiligt. Zusammen mit dessen Sohn Ernst öffnete er die Kisten aus dem Exil. Schmalenbachs Rat, die Collagen für wenig Geld zu erwerben, mochte die Stadt Hannover nicht folgen.
So viel Werke von Schwitters gingen durch die Hände dieses 1920 in Göttingen geborenen und in Basel aufgewachsenen Kunsthistorikers, dass er über Jahrzehnte als Experte herangezogen wurde, um Schwitters-Fälschungen zu entlarven, mehr als hundert sollen es gewesen sein.
Ein Mann mit Ecken und Kanten, kein glatter Eventmanager unserer Tage, kein unverbindlicher Entertainer. Um seine Abneigungen machte der Düsseldorfer Sammlungspionier und Gründungsdirektor kein Hehl. Die "jungen Wilden" hatten draußen zu bleiben, und auch Beuys, dieser stundenlang vor Jüngern dozierende "Schamane", war ihm suspekt. Wenig erfreut war Schmalenbach, dass Armin Zweite, sein Nachfolger von 1990 an, dieses Defizit in der Sammlung mit spektakulären Käufen ausglich:
"Dieses ganze Theater um Beuys herum, das er ja auch selber inszeniert hat, geht mir ohnehin schon gegen den Strich. Aber nun hat er schließlich doch gesiegt und ist in großem Triumph eingezogen in dieses Museum, das sich gegen ihn gesperrt hat."
Mich hat in den Begegnungen mit Schmalenbach am meisten dessen Bemerkung irritiert, das 20. Jahrhundert habe, verglichen mit früheren Epochen, keine wirklich große Kunst hervorgebracht. Vor einem Mosaik des 12. Jahrhunderts sei ihm diese Erkenntnis gekommen. Erstaunlich für einen Mann, dem die Moderne zum Lebensinhalt geworden war:
"Natürlich: Goya, Velazquez, Rembrandt, die schönsten Werke der Romanik, unendlich Vieles wie die afrikanische Kunst, die ich so liebe - daran reicht auch Picasso nicht heran."
Wenn in ein paar Tagen die Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen wiedereröffnet wird, ist Schmalenbach im Geist präsent. Diese Kollektion trägt seine Handschrift - trotz mancher Zukäufe und trotz Joseph Beuys.
Mehr zum Thema auf der Homepage der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen
Man musste aber mit seinem Eigensinn rechnen, einem sich geradezu hartnäckig äußernden Kunstverstand. Nicht all die großen Linien der Kunstgeschichte wollte er in der Sammlung repräsentiert sehen, nicht die vielen Stile abdecken: Auf das einzelne Werk kam es ihm an. Nach den Kriterien für Qualität hat man ihn immer wieder gefragt:
"Ich mache es mir einfach: Ich kann die Qualität nicht definieren, sie definiert sich selbst - über das Bild, welches über Qualität verfügt. So einfach ist das. Es muss natürlich jemand da sein, der das Sensorium hat, das zu erkennen, wobei er sich irren kann. Aber mir ging es ausschließlich um die hohe Qualität. Das war das Einzige, das mich überhaupt ein Leben lang mit der Kunst verbunden hat."
An Selbstvertrauen mangelte es ihm nicht. Er war aber auch bereit, Irrtümer einzugestehen: Kunst gekauft zu haben, die in ihrer Bedeutung die Jahrzehnte nicht überdauert hat. So intensiv war seine Auseinandersetzung, dass gerade ein Werk, das ihm viel abverlangte und abschreckend wirkte, für ihn unverzichtbar wurde, zum Beispiel das vor Gewaltmotiven strotzende Bild "Die Nacht" von Max Beckmann:
"Ein ungeheures, frühes Bild von 1918, das ich nicht ausstehen kann - und auch nicht ausstehen konnte, als ich es kaufte. Aber das Bild war stärker als meine Aversion. Und ich könnte auch heute nicht sagen, dass ich das Bild liebe - so ein Bild liebt man doch nicht! Man kann es bewundern - und das tue ich, aber ich hätte es mir nicht in meine vier Wände gehängt."
Schon vor seiner Zeit als Gründungsdirektor der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen hatte er sich Meriten erworben. Von 1955 bis 1962 leitete er die hannoversche Kestnergesellschaft und war mit einer großen Retrospektive wesentlich an der Wiederentdeckung von Kurt Schwitters beteiligt. Zusammen mit dessen Sohn Ernst öffnete er die Kisten aus dem Exil. Schmalenbachs Rat, die Collagen für wenig Geld zu erwerben, mochte die Stadt Hannover nicht folgen.
So viel Werke von Schwitters gingen durch die Hände dieses 1920 in Göttingen geborenen und in Basel aufgewachsenen Kunsthistorikers, dass er über Jahrzehnte als Experte herangezogen wurde, um Schwitters-Fälschungen zu entlarven, mehr als hundert sollen es gewesen sein.
Ein Mann mit Ecken und Kanten, kein glatter Eventmanager unserer Tage, kein unverbindlicher Entertainer. Um seine Abneigungen machte der Düsseldorfer Sammlungspionier und Gründungsdirektor kein Hehl. Die "jungen Wilden" hatten draußen zu bleiben, und auch Beuys, dieser stundenlang vor Jüngern dozierende "Schamane", war ihm suspekt. Wenig erfreut war Schmalenbach, dass Armin Zweite, sein Nachfolger von 1990 an, dieses Defizit in der Sammlung mit spektakulären Käufen ausglich:
"Dieses ganze Theater um Beuys herum, das er ja auch selber inszeniert hat, geht mir ohnehin schon gegen den Strich. Aber nun hat er schließlich doch gesiegt und ist in großem Triumph eingezogen in dieses Museum, das sich gegen ihn gesperrt hat."
Mich hat in den Begegnungen mit Schmalenbach am meisten dessen Bemerkung irritiert, das 20. Jahrhundert habe, verglichen mit früheren Epochen, keine wirklich große Kunst hervorgebracht. Vor einem Mosaik des 12. Jahrhunderts sei ihm diese Erkenntnis gekommen. Erstaunlich für einen Mann, dem die Moderne zum Lebensinhalt geworden war:
"Natürlich: Goya, Velazquez, Rembrandt, die schönsten Werke der Romanik, unendlich Vieles wie die afrikanische Kunst, die ich so liebe - daran reicht auch Picasso nicht heran."
Wenn in ein paar Tagen die Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen wiedereröffnet wird, ist Schmalenbach im Geist präsent. Diese Kollektion trägt seine Handschrift - trotz mancher Zukäufe und trotz Joseph Beuys.
Mehr zum Thema auf der Homepage der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen