Zahlenkunst für jedermann

21.06.2009
Mathematik ist für viele der reine Horror. Dass das nicht sein muss, zeigen Georg Glaeser und Konrad Polthier in ihrem Buch "Bilder der Mathematik".
Halten auch Sie Mathematik für eine völlig abstrakte, unverständliche und lebensferne Disziplin? Dann ist das Buch von Georg Glaeser und Konrad Polthier perfekt für Sie geeignet. "Bilder der Mathematik" präsentiert die vielen so verhasste Wissenschaft der Zahlen und Formeln auf im wahrsten Wortsinne anschauliche Weise: Dieses Buch hat praktisch keine Seite, auf der nicht wenigstens ein Bild zu sehen ist. Doch die Bilder sind nicht einfach nur Schmuck zur Ergänzung des Textes. Sie zeigen mathematische Regeln und Zusammenhänge – und geben damit zunächst kryptisch erscheinenden Formeln und Zahlenkolonnen geradezu ein Gesicht.

Mehr als 1000 farbige Abbildungen machen dieses Buch allein beim Durchblättern zum ästhetischen Erlebnis. Selbst wer sich überhaupt nicht auf die mathematischen Hintergründe einlassen will, wird an diesem Werk rein optisch Gefallen finden.

Beim Lesen wird man manches wiedererkennen. Mag man in der Schulzeit am Satz des Pythagoras (das ist der mit den Quadraten im rechtwinkligen Dreieck) verzweifelt sein, so versteht man hier den Beweis sofort – in einem Bild. Motto der Autoren: Von der Lösung keine Spur, dann zeichne eine Hilfsfigur. Mehr als 160 mathematische Themen werden auf maximal einer Doppelseite behandelt. Es geht teilweise sehr lebensnah zu, etwa wenn die Geometrie des Fußballs behandelt wird, besondere Knoten, extravagante Parkettmuster oder die Frage, wie man ein Schinkenbrot mathematisch korrekt teilt.

Die beiden Autoren ergänzen sich für dieses Buch kongenial: Konrad Polthier ist Mathematiker am Berliner Forschungszentrum Matheon. Georg Glaeser arbeitet am Institut für Kunst und Technologie der Universität für angewandte Kunst in Wien. Dass sich die Mathematik in der Tat kunstvoll darstellen lässt, beweisen Glaeser und Polthier auf jeder Seite. Ohnehin haben in heutiger Zeit Bilder und Mathematik mehr miteinander zu tun, als viele denken: Denn Computergraphik funktioniert nur dank mathematischer Algorithmen, die auf dem Rechner arbeiten.

Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Man muss schon sehr gute mathematische Vorkenntnisse haben, um in diesem Buch alles zu verstehen. Aber es stört gar nicht, wenn man als Mathe-Laie nicht genau nachvollziehen kann, was Raumkollineation oder Pseudosphären etc. sind. Man bekommt anhand der Bilder zumindest eine vage Vorstellung, kann einfach umblättern und stößt sofort auf die nächste faszinierende Episode.

In den "Bildern der Mathematik" kann man nach Herzenslust schmökern. Denn die einzelnen Mathematik-Häppchen und kleinen Geschichten sind zwar thematisch geordnet, bauen aber nicht aufeinander auf. So ist dieses Buch – für ein mathematisches Sachbuch sicher erstaunlich – sogar für den Nachttisch geeignet. Ein paar Seiten vor dem Einschlafen werden später nicht zum Albtraum, sondern lassen einen im beruhigenden Gefühl entschlummern, dass die Mathematik gar nicht so schlimm ist.

Besprochen von Dirk Lorenzen

Georg Glaeser und Konrad Polthier: Bilder der Mathematik
Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 2009
324 Seiten, 34,95 Euro