Zafer Şenocak über Integration

"Schlimm wird's, wenn man den Rassismus verdeckt"

Alltag in einer türkischen Familie 1979 in Duisburg
Türkische Familie 1979 in Duisburg: Erfolge der ersten Gastarbeiter-Generation verspielt © picture alliance/dpa
Moderation: Anke Schaefer · 26.07.2018
In der Debatte um Rassismus plädiert Zafer Şenocak dafür, sich keine Illusionen zu machen: "Ich glaube, jeder ist irgendwo in sich auch Rassist. Leider". Es gehe darum, damit umzugehen: "Wir müssen schauen, wie wir es eingrenzen."
DFB-Präsident Reinhard Grindel hat sich nach den Rassismus-Vorwürfen von Mesut Özil gegen sich und den Verband zu Wort gemeldet und die Anschuldigungen zurückgewiesen. In seiner Erklärung, in der er persönliche Betroffenheit einräumte, sprach Grindel von einem "veränderten Resonanzboden" für das Thema Integration "in unserer Gesellschaft". Es sei zu fragen, "wo und wie wir neue Impulse setzen können".
Kaum eine Stunde nach der Veröffentlichung sagte Studiogast Zafer Şenocak im Deutschlandfunk Kultur, Deutschland habe sich nie als Einwanderungsland verstanden. Er, der 1970 als Grundschulkind aus der Türkei nach Deutschland kam, sei damit aufgewachsen, dass nicht zuletzt auch ein Bundeskanzler Hemut Kohl dies in den 80er- und auch noch 90er-Jahren so gesehen habe.

Zusammenleben "ohne eine Grundlage"

In Deutschland lebten Menschen aus verschiedenen Ländern seit Jahrzehnten zusammen, so Şenocak, dies aber "ohne eine Grundlage" – weder eine politische noch eine psychologische.
Zafer Senocak
Der Schriftsteller Zafer Şenocak© imago images / Horst Galuschka
Erst jetzt merke man daher, dass die großen Erfolge von Teilen der ersten Generation der Gastarbeiter verspielt worden seien. Es entstehe sogar ein "Neid-Effekt", wenn jemand integriert sei. In diesem Zusammenhang kritisierte Şenocak auch die Aussage von Bundesaußenminister Maas (SPD), der den Fußballer Özil als einen in England lebenden Multimillionär bezeichnet hatte.
Die in der Debatte häufig laut gewordene Forderung, Özil müsse die politische Problematik seines Fotos mit Erdogan einräumen, wies Şenocak ebenfalls zurück. "Ich finde vieles, was in der Türkei passiert, einfach nicht hinnehmbar. Dennoch würde ich sagen, dass ein Mensch auch anderer Ansicht sein kann", betonte er.

"Ein gewisses Selbstbewusstsein, vielleicht auch ein falsches"

Özil sei auf Grundlage des Fotos "diffamiert" worden - "und das ist das Problem, das haben wir, glaube ich, bis heute nicht begriffen", so Şenocak. Wir müssten aber verstehen, "dass es Menschen gibt, die ein gewisses Selbstbewusstsein haben, vielleicht auch ein falsches, und auch 'ne Meinung, die eben nicht richtig ist in unseren Augen."
Wenn es um einzelne Menschen gehe, dann gehe es "auch um eine Gleichberechtigung, eine Augenhöhe in der Diskussion", die Fragen von gut und böse müssten hingegen "auf dem politischen Felde" diskutiert werden.
Für Migranten sei es sehr wichtig, dass ihr Erfolg von der Gesellschaft bestätigt werden, sagte Şenocak. "Wenn wir erfolgreiche Migranten niedermachen, nur weil sie zum Beispiel viel Geld verdienen, dann sind wir wirklich auf dem Holzweg. Das hat eben mit Einwanderungsgesellschaft nichts zu tun."
Aus seiner Sicht führe die Debatte um Rassismus deshalb auf ein "Abstellgleis", sagte Şenocak, weil es Rassismus auch in anderen Gesellschaften gebe. "Schlimm wird es, wenn man den Rassismus verdeckt und so tut, als wäre man's nicht. Ich glaube, jeder ist irgendwo in sich auch Rassist. Leider. Wir müssen schauen, wie wir es eingrenzen und wo die Schwachpunkte sind und dann kommen wir ins Gespräch."
(huc)
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