Zäh und unfreiwillig komisch

Von Christoph Leibold · 15.07.2011
Regisseur Christian Stückl hat Thomas Manns biblische Roman-Tetralogie in ein Dialogdrama der (spr)öderen Sorte aufgelöst. Die Laiendarsteller aus Oberammergau sind mit den großen Textmengen überfordert – unser Rezensent wähnte sich in einem live gespielten Sandalenfilm.
Wer die Oberammergauer Passion im vergangenen Jahr gesehen hat, oder eines der alttestamentarischen Spiele in den Jahren davor über den König David (2005) oder den Propheten Jeremias (2007), war überrascht: Stefan Hageneier, Ausstatter all dieser Inszenierungen, hat das tempelartige Bühnenhaus des Passionstheaters diesmal fast komplett hinter einem riesigen Rundhorizont verschwinden lassen. Darauf abgebildet ist eine in bläuliches Dämmerlicht getauchte biblische Landschaft – rechts ein See, links baumbestandene Hügel – die sich auf der Spielfläche davor plastisch fortsetzt. Struppiges Gras wächst aus dem Bühnenboden und auch ein mächtiger Ölbaum.

Auch sonst ist diesmal einiges anders: Statt 2000 Mitwirkenden (wie in der Passion) bzw. 500 Darstellern bei den alttestamentarischen Spielen über König David (2005) oder den Propheten Jeremias (2007) sind es diesmal inklusive Chor und Orchester nur 200 Aktive. Für jedes normale Theater wäre das immer noch eine Mammut-Produktion. Für Oberammergauer Verhältnisse dagegen ist "Joseph und seine Brüder" fast schon ein Kammerspiel.

Die Umgestaltung der Bühne hat daher neben ästhetischen Gründen auch einen praktischen: Durch den Rundhorizont ist die Spielfläche etwas kleiner, was angesichts des deutlich reduzierten Bühnenpersonals durchaus sinnvoll ist. Cinemascopeartig breit bleibt sie dennoch und will daher gefüllt sein – durch gute Darstellung und viele Darsteller. Im "Joseph" ist von beidem wenig zu erleben. Es gibt so gut wie gar keine Massenszenen, wie sie in der Passion von Anfang an ("Einzug nach Jerusalem") einen ungeheuren Sog entfaltet haben. Stattdessen ist ein Dialogdrama der (spr)öderen Sorte zu sehen, in das Stückl Thomas Manns Roman-Tetralogie aufgelöst hat.

Diese Theaterfassung ist an sich schon wenig überzeugend und birgt kaum Spannung. Von den Oberammergauer Laienspielern mit vielen rollenden R’s vorgetragen wirkt sie schlichtweg zäh, manchmal auch unfreiwillig komisch. Bei der Passion hatte man als Zuschauer das Gefühl, in einen live gespielten Sandalenfilm geraten zu sein und war überwältigt. An diesem Abend dagegen schaut man manchmal nicht mehr als zwei oder drei Darstellern zu, die allein mit der Aufgabe, ihre Textmenge zu bewältigen, so gefordert scheinen, dass ihnen kaum die Kraft bleibt, die Breitwandbühne spielerisch zu füllen. Dementsprechend verloren wirken sie darauf. Den Laienspielern kann man’s nicht verdenken. Profi Stückl hätte es besser wissen müssen.

Informationen des Passionstheaters Oberammergau
Christian Stückl, Regisseur Passionspiele Oberammergau und Intendant des Münchner Volkstheaters
Christian Stückl© Passionsspiele Oberammergau 2010, Foto: Thomas Dashuber
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