YouTube-Kanal “GemsOnVHS”

Digitale Liebeserklärung an den Folk

06:53 Minuten
Eine Frau mit Cowboyhut sitzt auf einem Holzzaun und beobachtet die Berge in Stanley, Idaho, USA.
Manches wirkt wie aus der Zeit gefallen. Dabei zeigt der YouTube-Kanal "GemsOnVHS" die Folkszene der Jetztzeit in all ihren Facetten. © picture alliance / Tetra-Steve Smith
Von Jonas Dahm · 21.06.2021
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Country, Bluegrass und Folk, mal ruhig, mal wild: Auf dem YouTube-Kanal „GemsOnVHS” dokumentiert der Filmemacher Anthony Simpkins aktuelle Folkmusik. Er zeigt eine Subkultur, die gerne Cowboyhüte trägt, deren Attitüde aber vor allem an Punk erinnert.
Westernmontur, Akustikgitarren, eine alte Scheune in Nashville, Tennessee: Das Video von Musikerin Sierra Ferrell wirkt wie aus der Zeit gefallen. Aber Filmemacher Anthony Simpkins dokumentiert mit seinem Youtube-Kanal "GemsOnVHS" eine überaus lebendige, junge Folk-Szene. Nur wer die Augen schließt, könnte manchmal meinen, Tonbändern aus dem letzten Jahrhundert zu lauschen.
Elizabeth Cotton, Woody Guthrie, Odetta oder Bob Dylan kommen in den Sinn, Country, Bluegrass und Folk zeigen sich vielfältig, mal ruhig und introspektiv, mal wild und trotzig.
"GemsOnVHS" ist eine wahre Fundgrube voller Geigen, Gitarren und Banjos. Simpkins Videos fangen mit großer Nähe eine Subkultur ein, die gerne Cowboyhüte trägt, deren Attitüde aber vor allem an Punk erinnert.

Bodenständige und extravagante Musik

Das polierte Country-Klischee sucht man hier vergeblich. Dafür findet man Nick Shoulders, einen jodelnden jungen Mann mit Vokuhila, der einem auch in Berlin oder New York über den Weg laufen könnte, der hier aber im tiefsten Arkansas steht und ein Lied gegen Fake News singt.
"Wir zeigen Leute, die schon etwas jenseits von dem sind, was der Mainstream so mag", sagt Anthony Simpkins.
Folkmusik war schon immer auch Oral History oft harter Lebenswelten. Davon zeugen die Traditionals, teils über Jahrhunderte weitergegebene Folksongs, die meist von Armut und Gewalt handeln, aber auch manche der neuen und selbst geschriebenen Lieder auf GemsOnVHS. Wie "Using Again" von Benjamin Tod, dem man sofort glaubt, dass er von seinen Dämonen nicht nur singt, weil er kann, sondern weil er muss.
"Wir wollen mit der Musik auch die Geschichten der Leute zeigen. Etwas, das hier gerade fast alle betrifft, ist die Drogensucht und der War on Drugs – also erzählen wir davon", sagt Simpkins.
Anthony Simpkins' YouTube-Archiv ist eine Liebeserklärung in HD und moderner Audioqualität: An eine zeitlose Musik, die so bodenständig wie extravagant vom Alltag erzählt und dabei die Freiheit im Blick behält.
"Die Leute schreiben immer noch über die gleichen Sachen, die sie antreiben. Manche springen auch immer noch illegal auf die Güterzüge - wenn du auf so einem Güterwagen stehst, nimmt er dir die Wahl, er fährt nur in eine Richtung und du kannst daran nichts ändern. Das ist wie bei den sechs Saiten der Gitarre: Du musst dich einfach einlassen auf die wilde Natur der Dinge."
(abr)
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