"Yes we can" auf Deutsch
Heute vor 90 Jahren trat die deutsche Nationalversammlung zusammen. Sie war das verfassungsgebende Organ der jungen Republik - und sie traf sich an klassischer Stätte, in Weimar. Welche Aufbruchstimmung damals herrschte und welche enorme politische Leistung in der neuen Verfassung lag, zeigt das Stadtmuseum Weimar in der Ausstellung "Weimar 1919 - Chancen einer Republik".
Das Stadtmuseum Weimar hat sein Domizil in einer klassizistischen Villa, es liegt in der Karl-Liebknecht-Straße, gegenüber protzt das alte NS-Gauforum. Und so ist Deutsche Geschichte in ihren Kontinuitäten und Widersprüchen schon am Ausstellungsort ablesbar. Wer die Eingangshalle betritt, den begrüßt der Anblick eines Maschinengewehrs, Modell 1918, Teil der Inszenierung zur Vorgeschichte der Republik. Assoziationen sind erwünscht: Zum Krieg, zur Technisierung des Tötens, zur Militarisierung der politischen Kultur. Kurator Justus Ulbricht:
"Die Weimarer Republik wird ja oft im politischen Verständnis unserer Zeit so als politisch-pädagogische Drohgebärde verwendet. 'Weimarer Verhältnisse' ist ja eher ein Schimpfwort, man denkt meist vom Ende her, vom Scheitern, vom Umschlagen in die Diktatur des Dritten Reiches, Wir sagen: Schaut doch bitte mal an den Anfang, betrachtet diese Republik als Nachgeschichte, als echten Versuch, etwas Neues zu machen, trotz der Maschinengewehre, trotz der Straßenkämpfe, trotz der Resistenz der alten Eliten."
Die Schau arbeitet mit sparsamen, aber sinnfälligen und intelligenten Arrangements. Eine Büste des Weimarer Fürsten etwa - er war ein Großneffe des Kaisers Wilhelm Zwo - schaut in eine verspiegelte Ecke des Foyers: Ein simples, wirkungsvolles Bild für die Ambivalenz der Situation im November 1918:
Justus Ulbricht: "Er hat eben verschiedene Seiten: der letzte Repräsentant des alten Regimes, da kann man sagen, Gott sei Dank, das der abgetreten ist, wenn man ihn genauer betrachtet, das haben Kollegen in einer großen Biografie getan, dann weiß man eben auch in manchen Punkten, was man an diesem Fürsten hatte. Mit ihm tritt auch der Mäzen der Weimarer Kultur ab, und das ist nicht nur ein Gewinn, dieses Abtreten. Politisch ohne Frage, kulturell wird es schwieriger, nach dem Abgang der Fürsten. Dann bleibt nur noch die Erinnerung an ihn und das ist die Inszenierung dieser Ecke."
Im Mittelpunkt der Schau steht das Jahr 1919 in Weimar, jene Monate zwischen Februar und August, als hier das Grundgesetz der Republik beraten wurde. So gibt es Biografien von 100 Abgeordneten der Nationalversammlung oder eine neue Chronik, die Tag für Tag die Ereignisse im Weimar rekonstruiert. Erstmals wird die Geschichte der jungen Republik auf zwei Ebenen erzählt: Als Geschichte der Nationalversammlung und als Geschichte der Stadt Weimar. Ein Ansatz, der beide Aspekte wechselseitig zu erhellen vermag, wie der Historiker und Germanist Justus Ulbricht am Beispiel der Verfassungsdebatte erläutert:
"Diese Stadt war so klein, und das war einerseits ein Problem, weil man sich ständig auf den Hühneraugen stand, und andererseits, weil sie so klein war, gab es hier über wenige Monate eine so verdichtete Kommunikation, die ein Grund gewesen ist, das man innerhalb kurzer Zeit ein komplettes Verfassungswerk diskutiert und verabschiedet hat. Das können sie sich heute gar nicht mehr vorstellen, das Bundesumweltgesetz, was jetzt gescheitert ist, ist 30 Jahre durch die Pipelines geschickt worden, ohne Ergebnis. Die haben in fünf Monaten eine ganze Verfassung begründet und das hatte eben auch damit zu tun, dass man ständig in Kontakt war. In Berlin wäre das auf eine ganz andere Weise verlaufen und abgesehen davon war Berlin natürlich viel unsicherer politisch und militärisch als dieses kleine Städtchen Weimar."
Die Ausstellung "Weimar 1919 - Chancen einer Republik" zeigt also die Wechselwirkung einer kleinen, konservativen Provinzstadt mit dem gebremst revolutionären Zeitgeist. Das Bild des Wandels zeigen - nach diesem Credo sind die Exponate gewählt. In der Gesamtschau entsteht ein differenziertes Bild: Da sind Militärhelme zu sehen - vom reich verzierten Gardehelm des Kaiserreichs zum Stahlhelm, wie ihn die Freikorps-Männer trugen. Klug arrangierte Fotos machen den Unterschied augenscheinlich zwischen den modisch gekleideten bürgerlichen Frauenrechtlerinnen und den sichtbar armen Arbeiterfrauen aus der USPD.
Vor allem aber ist es die Schrift, die diese Ausstellung prägt - und die Ausstellungsmacher haben es verstanden, trotzdem Bleiwüsten zu vermeiden:
"Ja, das ist das Problem: Wie stellt man Chancen aus, das ist das erste Problem und das zweite ist: Wie zeigt man Zeitkolorit und den Zeitgeist. Und das läuft zum Teil eben wirklich über Texte. Wir haben eine reiche Quellensituation hier vor Ort in Weimar im Hauptstaatsarchiv. Es ist eine Ausstellung, die doch sehr auf das Wort setzt, zumal die damalige zeit eben auch auf das Wort gesetzt hat: Flugblätter, Plakate, Wandanschläge, Handzettel: das sind ja Medien der Zeit selbst und die muss man zeigen, und wenn man sich darauf einlässt als Besucher, dann kann man sehen, wie das klingt, wenn eine neue Zeit antritt."
Wer Weimar im nächsten halben Jahr besucht, der sollte sich Zeit nehmen für die Ausstellung im Stadtmuseum. Sie führt zurück in eine Zeit des Aufbruchs, des Experiments, in eine Situation, als für die Zeitgenossen noch alles möglich schien. Hier wurde das "Yes we can" auf Deutsch buchstabiert - der Blick in diese Epoche lohnt, weil er ein Blick nach vorn sein kann.
"Die Weimarer Republik wird ja oft im politischen Verständnis unserer Zeit so als politisch-pädagogische Drohgebärde verwendet. 'Weimarer Verhältnisse' ist ja eher ein Schimpfwort, man denkt meist vom Ende her, vom Scheitern, vom Umschlagen in die Diktatur des Dritten Reiches, Wir sagen: Schaut doch bitte mal an den Anfang, betrachtet diese Republik als Nachgeschichte, als echten Versuch, etwas Neues zu machen, trotz der Maschinengewehre, trotz der Straßenkämpfe, trotz der Resistenz der alten Eliten."
Die Schau arbeitet mit sparsamen, aber sinnfälligen und intelligenten Arrangements. Eine Büste des Weimarer Fürsten etwa - er war ein Großneffe des Kaisers Wilhelm Zwo - schaut in eine verspiegelte Ecke des Foyers: Ein simples, wirkungsvolles Bild für die Ambivalenz der Situation im November 1918:
Justus Ulbricht: "Er hat eben verschiedene Seiten: der letzte Repräsentant des alten Regimes, da kann man sagen, Gott sei Dank, das der abgetreten ist, wenn man ihn genauer betrachtet, das haben Kollegen in einer großen Biografie getan, dann weiß man eben auch in manchen Punkten, was man an diesem Fürsten hatte. Mit ihm tritt auch der Mäzen der Weimarer Kultur ab, und das ist nicht nur ein Gewinn, dieses Abtreten. Politisch ohne Frage, kulturell wird es schwieriger, nach dem Abgang der Fürsten. Dann bleibt nur noch die Erinnerung an ihn und das ist die Inszenierung dieser Ecke."
Im Mittelpunkt der Schau steht das Jahr 1919 in Weimar, jene Monate zwischen Februar und August, als hier das Grundgesetz der Republik beraten wurde. So gibt es Biografien von 100 Abgeordneten der Nationalversammlung oder eine neue Chronik, die Tag für Tag die Ereignisse im Weimar rekonstruiert. Erstmals wird die Geschichte der jungen Republik auf zwei Ebenen erzählt: Als Geschichte der Nationalversammlung und als Geschichte der Stadt Weimar. Ein Ansatz, der beide Aspekte wechselseitig zu erhellen vermag, wie der Historiker und Germanist Justus Ulbricht am Beispiel der Verfassungsdebatte erläutert:
"Diese Stadt war so klein, und das war einerseits ein Problem, weil man sich ständig auf den Hühneraugen stand, und andererseits, weil sie so klein war, gab es hier über wenige Monate eine so verdichtete Kommunikation, die ein Grund gewesen ist, das man innerhalb kurzer Zeit ein komplettes Verfassungswerk diskutiert und verabschiedet hat. Das können sie sich heute gar nicht mehr vorstellen, das Bundesumweltgesetz, was jetzt gescheitert ist, ist 30 Jahre durch die Pipelines geschickt worden, ohne Ergebnis. Die haben in fünf Monaten eine ganze Verfassung begründet und das hatte eben auch damit zu tun, dass man ständig in Kontakt war. In Berlin wäre das auf eine ganz andere Weise verlaufen und abgesehen davon war Berlin natürlich viel unsicherer politisch und militärisch als dieses kleine Städtchen Weimar."
Die Ausstellung "Weimar 1919 - Chancen einer Republik" zeigt also die Wechselwirkung einer kleinen, konservativen Provinzstadt mit dem gebremst revolutionären Zeitgeist. Das Bild des Wandels zeigen - nach diesem Credo sind die Exponate gewählt. In der Gesamtschau entsteht ein differenziertes Bild: Da sind Militärhelme zu sehen - vom reich verzierten Gardehelm des Kaiserreichs zum Stahlhelm, wie ihn die Freikorps-Männer trugen. Klug arrangierte Fotos machen den Unterschied augenscheinlich zwischen den modisch gekleideten bürgerlichen Frauenrechtlerinnen und den sichtbar armen Arbeiterfrauen aus der USPD.
Vor allem aber ist es die Schrift, die diese Ausstellung prägt - und die Ausstellungsmacher haben es verstanden, trotzdem Bleiwüsten zu vermeiden:
"Ja, das ist das Problem: Wie stellt man Chancen aus, das ist das erste Problem und das zweite ist: Wie zeigt man Zeitkolorit und den Zeitgeist. Und das läuft zum Teil eben wirklich über Texte. Wir haben eine reiche Quellensituation hier vor Ort in Weimar im Hauptstaatsarchiv. Es ist eine Ausstellung, die doch sehr auf das Wort setzt, zumal die damalige zeit eben auch auf das Wort gesetzt hat: Flugblätter, Plakate, Wandanschläge, Handzettel: das sind ja Medien der Zeit selbst und die muss man zeigen, und wenn man sich darauf einlässt als Besucher, dann kann man sehen, wie das klingt, wenn eine neue Zeit antritt."
Wer Weimar im nächsten halben Jahr besucht, der sollte sich Zeit nehmen für die Ausstellung im Stadtmuseum. Sie führt zurück in eine Zeit des Aufbruchs, des Experiments, in eine Situation, als für die Zeitgenossen noch alles möglich schien. Hier wurde das "Yes we can" auf Deutsch buchstabiert - der Blick in diese Epoche lohnt, weil er ein Blick nach vorn sein kann.