Yes Men

"Humor ist wichtig für Protestbewegungen"

Die "Yes Men" Andy Bichlbaum (Mitte) und Mike Bonnano (rechts) auf einer Demonstration von "Occupy Wall Street"
Die "Yes Men" Andy Bichlbaum (Mitte) und Mike Bonnano (rechts) auf einer Demonstration von "Occupy Wall Street" © dpa / picture alliance / Justin Lane
Mike Bonnano und Andy Bichlbaum im Gespräch mit Susanne Burg · 15.08.2015
"The Yes Men – jetzt wird's persönlich" heißt der neue Film der Aktivistengruppe. Ihre führenden Mitglieder, Andy Bichlbaum und Mike Bonnano, erklären im Gespräch, warum sie die Hoffnung nicht aufgeben, die Welt zu einem besseren Ort zu machen.
Am Donnerstag kommt ein Film von und mit den "Yes Men" in die Kinos. Das ist jene Aktivistengruppe aus den USA, die immer wieder durch spektakuläre Aktionen auffällt, indem sie sich als Vertreter von Konzernen und Regierungen ausgeben. So ist einer von ihnen 2004 beispielsweise als Sprecher von Dow Chemical im Fernsehen der BBC aufgetreten und hat verkündet, dass das Chemieunternehmen zwölf Milliarden US-Dollar Entschädigung an die Opfer der Katastrophe von Bhopal zahlt, eine Verpflichtung, der Dow Chemical bisher – Kritikern zufolge – im echten Leben nicht ausreichend nachgekommen ist.
Immer wieder haben die Yes Men ihre Aktionen auch in Filmen verarbeitet. Ihr neuester heißt "The Yes Men – jetzt wird's persönlich". Susanne Burg hat den Film gesehen und mit den beiden Köpfen der Yes Men, mit Andy Bichlbaum und Mike Bonnano gesprochen. Wie persönlich wird's?
Susanne Burg: Na ja, im Vergleich zu früher sehr. Andy Bichlbaum und Mike Bonnano. Ein wichtiger Teil ihrer Arbeit ist eben auch, dass sie unerkannt bleiben, dass sie sich fremde Identitäten überstülpen. Und hier erfährt man in dem Film auch was über ihre Wurzeln. Und das ist sehr, sehr interessant. Sie sind nämlich Kinder von Holocaust-Überlebenden. Mike Bonnano heißt eigentlich Igor, hat ungarische Wurzeln, Andy heißt Jacques Servin und hat belgische.
Und Jacques erzählt zum Beispiel, dass er in Arizona aufgewachsen ist, sich immer als Alien gefühlt hat als jüdischer schwuler Junge mit einem Vater, der vor den Nazis geflohen ist, und dass er dieses Außenseiterdasein kultiviert hat. Er hat zum Beispiel seinen Freunden erzählt, dass er der Enkel vom Ayatollah Khomeini sei, und alle haben es geglaubt. Also, dieses Spiel mit Identität geht schon sehr weit zurück, und seit den 90ern machen sie das quasi professionell als "Yes Men".
Nun in dem Film sind sie um die 40 und fragen sich, was bewegen sie wirklich, wie lange können sie das noch machen, wie kriegen sie es mit ihrem sonstigen Leben unter einen Hut. Mike ist inzwischen Vater von drei Kindern, lebt in Schottland. Andy hockt in New York, hat keine Familie, versucht weiterzumachen. Es geht also auch um die Midlife-Krise der "Yes Man". Das Ganze reflektieren sie, ihre erfolgreichen Aktionen wie die von 2002, als sie eine große Konferenz in Seattle organisiert haben, sich als WTO ausgegeben und verkündet haben, dass sich die Welthandelsorganisation auflöst, weil sie erfolglos ist.
Und über Niederlagen sprechen sie auch. Und als ich sie getroffen habe, haben wir erst mal darüber geredet, was ihr Antrieb ist, nämlich eine Botschaft durch Humor zu transportieren, und dass das manchmal klappt und manchmal eben auch nicht.
Mike Bonnano und Andy Bichlbaum: Also natürlich kann man auch Fehler machen, und wir haben Fehler gemacht. Das haben Sie in unserem Film ja auch gesehen. Manchmal sind wir einfach zu künstlerisch, und dann geht es auch mal schief.
"Einfach zu kompliziert gemacht"
Burg: Sie beziehen sich dabei auf eine Aktion, wo Gazprom einen Eisbären an Shell übergeben sollte. Was ist da eigentlich schief gelaufen?
Bonnano und Bichlbaum: Das ist genau, was Michael gerade erwähnte: Wir waren da einfach zu künstlerisch. Wir haben versucht, es zu perfekt zu machen, und wir wollten einfach eine schöne Show und eine schöne Aktion machen, und das hat dann einfach nicht funktioniert. Eigentlich haben wir versucht, uns selbst zu imitieren und uns selbst zu toppen.
Wir wollten nämlich diese Seattle-Aktion noch einmal neu auflegen. Und das hat damals geklappt, weil die Leute dran geglaubt haben. Das war eine sehr einfache Message und eine sehr einfache Aktion. Und hier haben wir es uns bei Gazprom einfach ein bisschen zu kompliziert gemacht, und wir wollten es eigentlich zu gut machen, und das hat dann nicht so funktioniert.
Burg: Was würden Sie denn nach 20 Jahren als Ihre gelungenste Aktion bezeichnen?
Bonnano und Bichlbaum: Die Aktion, die uns vielleicht die größte Befriedigung verschafft hat, das ist die letzte Szene und die letzte Aktion in unserem neuen Film. Das haben wir zusammen mit nordamerikanischen Aktivisten gemacht, Get Crazy boy, beispielsweise, und da haben wir einfach behauptet auf einer Pressekonferenz, dass wir das Energieministerium und die Abteilung für Indianerangelegenheiten vertreten und dass es einen ganz aufregenden Energieplan für das ganze Land gebe.
Und das haben wir aber gemacht bei einer Veranstaltung von der Homeland Security, also von den Verteidigungsinteressen des Landes. Und da waren eben all die Politiker, die für Verteidigung stehen, all diese Experten für Verteidigung, die Generäle, Soldaten, alle Anwesenden halt, und fanden das alles großartig, was wir da gemacht haben. Und das war natürlich dramatisch, und das hat auch wahnsinnigen Spaß gemacht, und das hat uns auch so viel Mut gegeben in dem, was wir da tun. Weil wir haben uns gesagt, wenn wir vor solchen Leuten diese Message rüberbringen, dass eine neue Energieversorgung möglich ist, und wenn die uns das abkaufen, dann sind wir schon sehr nahe dran, dann ist doch sehr, sehr vieles möglich. Und das hat uns doch sehr viel Mut gemacht.
"Wir zeigen unsere Zweifel"
Burg: Ein Kern Ihrer Arbeit ist ja, dass Sie sich fremde Identitäten überstülpen und so tun, als seien Sie jemand, der Sie gar nicht sind. Dafür ist es eigentlich zentral, dass man Ihre Identität nicht so richtig gut kennt. Der Film ist jetzt aber auch ein Porträt Ihrer beiden Personen. Sie treten als Menschen in Erscheinung. Warum haben Sie sich dafür entschieden?
Bonnano und Bichlbaum: Wir wollten diesmal auch wirklich demonstrieren, dass wir Teil dieser Occupy-Bewegung sind. Das war uns wirklich sehr wichtig. Und wir wollten damit auch die Frage beantworten, ob sich Aktivismus wirklich lohnt, weil viele sind ja der Meinung, so ein Aktivismus, der würde sich gar nicht mehr lohnen und haben auch keinen Glauben daran und meinen auch keine Zeit zu haben, und wir wollten beweisen, das kann auch sehr effektiv sein.
Und wir zeigen unsere Zweifel, wir zeigen die Fragen, die wir selber haben, wir gehen damit auch kritisch um und zeigen dann eben, wie sich das ausdrückt, wenn wir das innerhalb eben einer Bewegung machen. Und dass da eben auch eine Lösung möglich ist. Und ich glaube, dieser Film unterscheidet sich von den anderen Yes-Men-Filmen auch einfach darin, dass wir zeigen, wer wir sind. Wir sind eben keine Superhelden, aber wir können auch einen Unterschied machen, und es ist möglich, und das kann jeder. Das ist möglich, und das wollten wir zeigen.
Burg: Sie sprechen ja eben auch über Ihre Krisen, und Sie sind nach Schottland gezogen, haben da eine Zeit lang gelebt. Wie stark haben Sie da wirklich auch an der Sinnhaftigkeit Ihrer Arbeit gezweifelt.
Bonnano und Bichlbaum: Der Zweifel ist immer mit dabei, und viele der Dinge, die man anprangert, verändern sich auch nicht, und ich habe in meinem Leben noch keine Revolution erlebt, die das Joch des Kapitalismus abgeschüttelt hätte. Und doch gibt es kleine Lichtblicke. Dann wird eben doch einmal die Natur hier und da geschützt oder es werden Gesetze verabschiedet, die mehr in unserem Sinne sind. Wir bekommen auch sehr viele E-Mails sehr junger Menschen, die sagen, oh, wir haben Ihren Film gesehen und das hat uns inspiriert, selber aktiv zu werden.
Und das spornt uns natürlich an auch als Aktivisten und sogar diese wirklich Hardcore-Aktivisten, die wirklich es sehr, sehr schwer haben, die großen Proteste zu organisieren, die die Konzerne verklagen, die eine Arbeit machen, die sehr undankbar ist, die schauen sich unsere Filme an und sagen, wir konnten mal ausspannen, das hat uns gut unterhalten, das hat uns auch die Energie gegeben, in unserer Arbeit weiterzumachen. Und für all das sind wir natürlich auch dankbar, und dann merken wir, wir sind mit unserer Arbeit doch nicht allein.
"Humor war schon immer Bestandteil von Bewegungen"
Burg: Ja, jetzt, wo Sie gerade über den Humor sprechen: Politischer Aktivismus war ja lange wirklich nicht voller Humor. Haben Sie den Humor hineingebracht?
Bonnano und Bichlbaum: Oh nein, der Humor war schon immer Bestandteil von diesen Bewegungen. Gerade in der Civil-Rights-Bewegung hat Humor doch eine sehr große Rolle gespielt, und jetzt in jüngster Vergangenheit, wenn wir uns daran erinnern, was in Ägypten passiert ist, da haben die Demonstranten das Regime veralbert, haben Witze gemacht. Humor ist wirklich ein sehr wichtiger Bestandteil dieser Form des Protests.
Burg: Aber ist er wichtiger geworden, weil man eigentlich nicht mehr wirklich daran glauben kann, die Welt zu ändern?
Bonnano und Bichlbaum: Nein. Man muss immer auch wieder auf das Lachen setzen, selbst wenn es so aussieht, als sei die Lage aussichtslos, so wie in den USA in den 60er-Jahren, als die US-Army so übermächtig erschien. Oder heute, wie die Kräfte des Kapitalismus übermächtig erscheinen. Und das Lachen bleibt eben wichtig. Lachen ist ja auch die Möglichkeit, sich zu distanzieren und dann plötzlich das Ganze zu sehen. Und am Ende ist es schon so, dass man auch gegen gigantische Kräfte triumphieren kann. Wichtig ist nur, dass man dagegen ankämpft. Wir haben ja auch Dinge erreicht. Menschen können ja auch eine Schlacht gewinnen, beispielsweise haben wir heute den Achtstundentag. Es gibt keine Kinderarbeit mehr. Und das sind alles Errungenschaften, die wir durch Kämpfe erreicht haben.
Burg: Wenn man noch mal von den Identitäten spricht: Wie wichtig ist für Ihre Arbeit eigentlich auch Ihr eigener Hintergrund als Kinder von Immigranten?
Bonnano und Bichlbaum: Natürlich haben wir Erfahrungen mit Unterdrückung gesammelt. Das haben auch ganz andere Menschen natürlich getan, aber das ist auch kein Zufall, dass in der Generation meiner Eltern die Identitäten mehrere Male gewechselt werden mussten. In der Familie meines Vaters, glaube ich, ist viermal der Nachname gewechselt worden zwischen dem ausgehenden 18. Jahrhundert und 1940. Das war durch Pogrome in Russland, durch die Judenverfolgung der Nazis. Und wenn man dann in Alice Island ankam, hat man sich einen neuen Namen gegeben, und so ist Identität eben etwas, was sich ständig verändert.
"Gegen Gier und gegen Kapitalismus ankämpfen"
Burg: Der Film endet nach allen Krisen, die Sie beschreiben, sehr positiv. Sie sagen, wir müssen Teil etwas Größeren sein, dann können wir gewinnen. Sie haben also weiterhin Hoffnung, die Welt zu retten oder zu einem besseren Ort zu machen?
Bonnano und Bichlbaum: Oh sicher, es ist auch ein Fakt, dass man wirklich etwas verändern kann. Das ist nicht nur eine Hoffnung, und es ist immer wieder gelungen, gegen Gier, gegen Kapitalismus, gegen die Kräfte des Geldes anzukämpfen. Wie wir bereits schon sagten, es sind gewisse Kämpfe ausgefochten worden, die man siegreich gestalten konnte. Wichtig ist einfach nur, dass man Teil einer größeren Bewegung ist. Der Einzelne kann oft nur sehr wenig ausrichten, aber wenn es Tausende sind, wenn es Millionen sind, dann hat man viel mehr Möglichkeiten. Natürlich können auch einige wenige Menschen manchmal den Unterschied machen, aber nur dann, wenn sie Teil einer größeren Idee und Teil einer größeren Bewegung sind. Dann ist sehr vieles möglich.
Burg: Andy Bichlbaum and Mike Bonnano, thanks for talking to me. Vielen Dank!
Bonnano und Bichlbaum: Thank you, vielen Dank!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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