Yasmin Levy singt sich frei

Von Luigi Lauer |
Nach jahrelanger Kritik hatte die israelische Sängerin Yasmin Levy schon das Ende ihrer Musikkarriere geplant - doch dann entschied sie sich anders und produzierte ihr neues Album "Libertad" - Freiheit. Der Befreiungsschlag ist ihr geglückt. Sie könne jetzt nachts wieder schlafen, sagt sie.
"Es übt eine ganz besondere Kraft auf dich aus, wenn du in Jerusalem geboren und aufgewachsen bist und dort lebst – mehr als an jedem anderen Ort in Israel. Es ist ein Schmelztiegel mit Menschen aus aller Welt, weshalb ich mit jeder Art von Musik aufwuchs, Jazz, Flamenco, französischer Chanson, Oper, persische oder türkische Musik – einfach alles. Ich bin das Ergebnis dieser Mischung. Darum bekomme ich auch Briefe aus aller Welt, und die Menschen aus all diesen Orten sagen mir, dass meine Musik zu ihnen gehört."

Eine solche Zustimmung hatte Yasmin Levy auch bitter nötig. Berührungsängste zwischen verschiedenen Musikstilen und -traditionen sind ihr fremd, anderen hingegen nicht. Nach jedem Album musste sie über den Scherbenhaufen klettern, den viele Kritiker ihr hinterlassen hatten. Dabei wollte sie doch nur eines: Musik machen. Jetzt also, endlich, ihr Befreiungsschlag, und der heißt auch so: Libertad.

"Es bedeutet, dass ich mich jetzt, mit 36 Jahren, endlich frei fühle. Ich bin durch persönliche Tiefs gegangen, durch Ängste, Unsicherheiten, und jetzt fühle ich mich fast wie neu geboren. Es ist, als würde ich neu anfangen zu leben und kreativ zu sein."

Einen Mangel an Kreativität hatte Yasmin Levy indes nie zu beklagen. Sie vermählte alte jüdische Lieder mit den Traditionen der Sephardim – und das hatte so noch niemand gemacht. Was das Liedgut betrifft, konnte sie allerdings auch aus dem Vollen schöpfen: Ihr Vater, Yitzchak Levy, hat jahrzehntelang zur Ladino-Musik geforscht, Bücher darüber geschrieben und auch selbst gesungen.

"Die Tatsache, dass er Sänger war, machte es viel schwieriger für mich, Sängerin zu werden, weil ich ihn so verehrt habe. Was er gemacht hat, ist viel wichtiger als das, was ich tue. Er hat die Lieder gesammelt und bewahrt, und dank seines Lebenswerkes kannst du überall auf der Welt eines seiner Bücher nehmen und in Ladino singen. Ich bringe diese Lieder nur zu den Leuten, ich verbreite sie, hauche ihnen Leben ein."

Und warum ist Yasmin Levy trotz des übermächtigen Vorbilds Sängerin dieser Lieder geworden?

"Weil ich es liebe und weil ich eine Verpflichtung gegenüber meinem Vater und der sephardischen Gemeinde verspüre."

Everybody's darling sein – das war früher. Das Album Libertad war fast fertig. Doch sie ließ das meiste wieder löschen und neu einspielen. In dem bloßen Fortschreiben dessen, was sie bislang gemacht hat, habe sie sich nicht mehr wiedererkannt.

"Ich bin nicht die Sorte Sängerin, die man im Hintergrund hört und dabei kocht oder so was. Entweder man hört mir zu oder ignoriert mich, dazwischen gibt es nichts. Die erste Aufnahme war nett, gefällig, etwas für alle. Ich wollte die nette Sängerin sein, die man von mir erwartete. Doch das konnte ich nicht mehr, ich musste ich selbst sein. Nenne es wild, frei, von mir aus auch verrückt oder traurig. Ich bin genau all das."

Und das ist gut so. Denn Yasmin Levy hatte bereits abgeschlossen, wollte aufhören. Das Abschiedslied für das Publikum war schon geschrieben, La ultima cancion, Das letzte Lied. Jetzt bildet es den Anfang von Libertad.

"Zumindest kann ich jetzt nachts schlafen und bin in Frieden mit mir."

Yasmin Levy
Album "Libertad", World Village