WWF gegen Impfung von Geflügel

Moderation: Hanns Ostermann |
Der Präsident der Umweltstiftung WWF, Detlev Drenckhahn, hat sich gegen eine Impfung von Geflügel im derzeitigen Stadium der Ausbreitung der Vogelgrippe ausgesprochen. Es gebe noch keinen Impfstoff, der die Infektion komplett verhindere, sagte der Mediziner. Eine akute Gefahr des Überspringens von H5N1 auf den Menschen sieht Drenckhahn derzeit allein bei der Jagd auf Wildvögel.
Hanns Ostermann: Herr Drenckhahn, die Politik reagiert mit einem ganzen Bündel von Maßnahmen auf die Vogelgrippe. Was muss aus Sicht des WWF in der aktuellen Situation getan werden?

Detlev Drenckhahn: Zuerst, meine ich, müsste man die Jagd auf Vögel vorübergehend vollständig einstellen - das ist in der Schweiz bereits jetzt angeordnet worden -, weil ich befürchte, dass geschossene Wildvögel das Virus in sich latent tragen und damit das Virus dann in die menschlichen Behausungen, das menschliche Umfeld kommt und damit eine Ausbreitung möglich wäre. Das halte ich für sehr wichtig.

Dann wäre es weiterhin wichtig, dass wir ein EU-Importverbot für Vögel haben und auch Vogelprodukte, die auch stammen aus Gebieten, die derzeit noch nicht die Grippe haben. Denn durch den illegalen Vogelhandel ist offenbar das Virus von China nach Mittelasien geschleppt worden und von dort in den Schwarzmeerraum, so dass es sich von dort dann schließlich ausbreiten konnte über Europa.

Und weiterhin machen wir uns Sorgen auch um die vielen Seevögel, die ständig in den Fischernetzen ertrinken und dann mit den Fischen hochgezogen werden - gerade im Ostseeraum. Und man kann sich sehr gut vorstellen, dass eben dort infizierte Vögel dann letztendlich mit ihrem Blut und ihren Exkrementen die Fische kontaminieren, die gelangen dann auf Märkte. Und das wäre für uns auch eine mögliche Einschleppungsroute des Virus in den menschlichen Bereich.

Ostermann: Nun ist nicht alles eine Frage des Geldes. Trotzdem, diskutiert wird auch eine vorsorgliche Impfung von Nutzgeflügel. Würde die Sinn machen?

Drenckhahn: Ich glaube, man kann da nur eine abgestufte Antwort geben. Eine vorsorgliche Impfung oder präventive Impfung, wie man das so nennt, sollte man in diesem Stadium nicht machen. Denn es gibt noch keinen Impfstoff, der die Infektion komplett verhindert. In Mexiko hatte man nämlich 1995 bei der H5N2 - also einer ganz ähnlichen Vogelgrippe - eine Impfung durchgeführt. Das hat dazu geführt, dass die Ausbreitung der Seuche komplett verhindert wurde, aber die Hühner haben jetzt eine stille Epidemie, die durch die Impfung nur maskiert wurde. Es sind nämlich inzwischen veränderte Viren in den Hühnern entstanden, die möglicherweise neue Gefahren mit sich bringen. Also eine vorsorgliche Impfung würde ich nicht machen. Allerdings, davon unterschieden, eine Katastrophenimpfung.

Dann, wenn alle Dämme brechen und man die Geflügelpest nicht mehr eindämmen kann, wenn sie also in Tierbeständen überall eingebrochen ist, dann muss man etwas tun, um zu verhindern, dass sie sich weiter ausbreitet und dabei das Virus auch ständig mutiert und immer gefährlicher werden kann, auch für Wildvögel wiederum. Aber, da sagen wir auch: Wenn eine solche Impfung gemacht wird, müssten zehn Prozent der Tiere immer wieder ungeimpft bleiben, sozusagen Wächtertiere, die erkennen lassen, ob das Virus im Stall ist. Und dann muss natürlich der Stallbestand sofort eliminiert werden.

Ostermann: Viele von uns glauben, die Vogelgrippe sei ein aktuelles Problem, mit dem wir seit vielleicht drei oder vier Jahren insbesondere in Asien zu tun haben. Stimmt das eigentlich?

Drenckhahn: Das stimmt nicht. Sie ist zum ersten Mal in Europa 1880, so ungefähr, als Vogelseuche beobachtet worden, als so genannte klassische Geflügelpest, so hieß sie damals. Und dann ist sie immer wieder aufgetreten unter anderem in Mecklenburg in den 20er Jahren, als "Geflügelpest Rostock" bekannt. Und in den letzten zehn Jahren war sie in Mexiko, den USA, Italien, Holland - das wissen wir ja alle noch - 2003 sogar mit Übergreifen auf Deutschland. Also, sie ist permanent da, weltweit. Und erst 1997 wurde dann diese neue Vogelgrippe, die die Bezeichnung H5N1 trägt, in Hongkong festgestellt.

Ostermann: Herr Professor Drenckhahn, mittlerweile hat die Vogelgrippe ja verschiedene Regionen Europas erreicht. Wie sicher ist eigentlich, dass Zugvögel das Virus verbreiten?

Drenckhahn: Die Frage kann man nicht so glatt beantworten. Zugvögel spielen bestimmt eine Rolle, aber ich glaube, es ist eine Kombination zwischen verschiedenen Verschleppungswegen. Von China in den Schwarzmeerraum und Mittelasien gibt es keine Zugvogelwege. Hier weiß man, dass durch infizierte Vögel die Grippe nach Tibet und von dort nach Kasachstan, Mittelasien, getragen worden ist. Dann ist sie eingebrochen in den Schwarzmeerraum, Rumänien, Krim und dergleichen und von dort wäre es schon möglich, dass einzelne Tiere nach Westen gezogen sind, in den Ostseeraum und eben auch Richtung Bodensee - da gibt es solche Vogelzugwege - und dann die Grippe weiter verschleppt haben. Wenn man so will, also eine Kombination aus Verschleppung durch die Menschen und dann schließlich Verschleppung wiederum durch Zugvögel.

Ostermann: Jetzt heißt die Krankheit Vogelgrippe, der Name sagt es: Insbesondere Vögel sind gefährdet. Trotzdem, hat sich an der Lage für uns Menschen in den letzten Wochen irgendetwas verändert?

Drenckhahn: Ich meine nicht. Das Vogelvirus oder die Vogelgrippe ist nun mal eine Tierseuche, eine Vogelseuche und ist mit der menschlichen Grippe nicht - zwar verwandt, aber - nicht identisch. Der Mensch wird vor allen Dingen durch die Typen H1 und H3 - das sind ja immer die Abkürzungen, die man heute hört - gefährdet, und das sind die typischen Menschenviren, nicht H5. Dennoch kann auch der Mensch durch diese H5-Viren infiziert werden, wenn er Riesenmengen an Viren aufnimmt. Also sozusagen mit den Hühnern ins Bett geht oder im engsten Umkreis mit den Tieren lebt und kontaminierte Tierprodukte um ihn herum sind, dann ist durchaus eine Infektion denkbar.

Und so ist es in allen Fällen auch gewesen. Der enge Kontakt war die Ursache dafür, dass die Erkrankung auf den Menschen übersprang. Wir müssen, glaube ich, gar keine Angst haben. Vor allen Dingen nicht, von Wildvögeln infiziert zu werden. Ich meine, wer nimmt schon einen toten Vogel unter den Arm und gelangt in engen Kontakt? Das ist wohl kaum einer. Ich sagte vorhin schon, dass bei der Jägerei Probleme auch entstehen könnten, weil man dort eben an die Wildbestände rangeht und infizierte Vögel nicht krank sein müssen, aber ansteckend sein können, so dass ich hier tatsächlich die einzige Gefahr sehe, dass von Wildvögeln die Grippe auch überspringen kann auf Menschen.